Mercedes-Fertigung in Sindelfingen: ohne Halbleiter geht in der Autoproduktion nichts mehr. Foto: dpa

Der Lieferengpass beim Chiphersteller Nexperia könnte drastische Folgen für die Autoindustrie haben. Wie die regionalen Vertreter darauf reagieren.

Aus Wolfsburg sind am Mittwoch besonders beunruhigende Nachrichten gekommen. Bei VW würden bald einige Bänder still stehen, die Mitarbeiter seien bereits über eine mögliche Kurzarbeit informiert, hieß es. Schuld an diesem Horrorszenario ist der Halbleiterhersteller Nexperia. Die niederländische Regierung hatte das ehemalige Philips-Unternehmen übernommen, worauf der chinesische Mutterkonzern Wingtech die Ausfuhr wichtiger Nexperia-Produkte einstellte. Hintergrund der niederländischen Übernahme ist, dass die USA Wingtech als nationale Gefahr einstuft und auf eine schwarze Liste gesetzt hat.

 

Am Donnerstag ist von VW zu hören, dass die chinesische Ausfuhr zunächst mit Hilfe anderer Anbieter aufgefangen werden könne. Wie lange, ist allerdings unklar, schließlich ist Nexperia ein weltweit führender Chiphersteller. Und ohne dieses Produkt funktioniert im Auto meist nicht einmal mehr der Scheibenwischer.

Mercedes ist kurzfristig abgesichert

Was bedeutet das für die hiesige Automobilbranche? Auf Anfrage weist bei Mercedes eine Sprecherin zunächst darauf hin, dass neben der Autobranche die gesamte deutsche Industrie von der Halbleiterkrise betroffen sei. „Dank guter partnerschaftlicher Beziehungen mit unseren Lieferanten, der Digitalisierung vieler unserer Prozesse und den Erfahrungen aus der vorangegangenen Chipkrise, sind wir im Kurzfristzeitraum abgesichert“, heißt es in der Mercedes-Erklärung. Man arbeite intensiv mit den Partnern daran, eventuell auftretende Lücken zu schließen. Aufgrund der großen Komplexität sei es jedoch zum jetzigen Zeitpunkt schwierig, verlässliche Prognosen zu machen.

Bosch mit Appell an die Beteiligten

Auch der Stuttgarter Zulieferer Mahle nimmt die Chipkrise sehr ernst und hat deshalb eine Taskforce eingerichtet sowie nach eigenen Angaben die Zusammenarbeit mit Kunden und Lieferanten intensiviert. „Besonders betroffen sind elektronische Komponenten für Produkte im Thermomanagement und in der Elektrifizierung“, heißt es in einer Stellungnahme von Mahle. „Die Lieferengpässe könnten in naher Zukunft zu Verzögerungen in der Produktion ausgewählter Produktlinien führen.“ Dies würde temporäre Anpassungen in der Lieferkette erforderlich machen.

Bei Mahle wird mit einer Taskforce auf den Lieferengpass reagiert. Foto: dpa

„Für Bosch als globales Unternehmen haben Änderungen in der Außenhandelspolitik oft auch Auswirkungen auf das Geschäft“, lässt der weltweitgrößte Autozulieferer mitteilen. Dessen Expertenteams seien im Moment intensiv damit beschäftigt, mögliche Produktionseinschränkungen zu vermeiden, oder so gering wie möglich zu halten. „Wie andere Kunden von Nexperia stellt auch uns die aktuelle Situation vor große Herausforderungen. Daher hoffen wir auf eine schnelle Lösung zwischen den Beteiligten.“

Wie sich die Chipkrise beim Sportwagenhersteller Porsche niederschlägt, war noch nicht in Erfahrung zu bringen. Die Anfrage blieb bisher unbeantwortet.

VW wechselt Beschaffungsvorstand aus

Personalie
Mitten in der drohenden Chipkrise wechselt VW den Beschaffungsvorstand der Kernmarke aus. Dirk Große-Loheide (61) scheide Ende des Monats im Rahmen einer länger geplanten Altersregelung aus, teilte der Konzern in Wolfsburg mit. Seine Funktion übernehme ab November Karsten Schnake, bisher Beschaffungsvorstand bei Škoda, wo er noch bis Ende 2025 kommissarisch im Amt bleibe.

Plan
Mit der aktuellen Chipkrise habe der Wechsel nichts zu tun, betonte VW auf Nachfrage. Der Wechsel sei lange geplant und vereinbart gewesen. Dirk Große-Loheide wurde 1964 in Hannover geboren. Er ist seit 1990 bei VW und seit 2023 Beschaffungsvorstand der Marke VW. Bei VW können Mitarbeiter im Rahmen sogenannter „Zeit-Wertpapiere“ bereits deutlich vor Erreichen des Rentenalters aus dem Arbeitsleben ausscheiden.