Sängerin Marie Louise und Patrick Bopp stimmen die Teilnehmenden mit einem Mitsingkonzert auf die Lange Nacht der Demokratie ein. Foto: Eva Herschmann

Auch Fellbach hat am Mittwoch die Lange Nacht der Demokratie gefeiert. Es gab ein Demokratie-Labor und ein Mitsingkonzert, Diskussionen auf dem Podium sowie einen schlagfertigen Poetry-Slam.

Die Nacht war lang, bunt und abwechslungsreich. Die Demokratie stand im Mittelpunkt – und sie wurde sogar lautstark besungen. Schließlich übte bereits in der griechischen Antike der Chor eine Stellvertreterfunktion für das Volk aus, das souverän über sich selbst herrschte. Und so erhoben die Fellbacherinnen und Fellbacher gemeinsam mit Patrick Bopp, bekannt vom Vokalensemble Füenf, und der Singer-Songwriterin Marie Louise am Mittwoch ihre Stimmen.

 

Erstmals fand in Baden-Württemberg am Vorabend des Tags der Deutschen Einheit eine Lange Nacht der Demokratie statt. In den mehr als 20 Städten und Gemeinden, die sich landesweit beteiligten, wurde in vielfältigen Formaten über Demokratie diskutiert, philosophiert und gestritten. In Fellbach hatte das Kulturamt einen Abend mit viel Programm zum Zuhören, aber auch zum Mitmachen vorbereitet.

Poetry-Slam und Musik

Im Foyer war ein Demokratie-Labor aufgebaut von Menschen und Initiativen, die sich politisch engagieren und den Besuchern viele Anregungen und Gespräche anboten. Fürs leibliche Wohl sorgten Neuntklässlerinnen und -klässler der Wichernschule mit deftigen und süßen Leckereien in Fingerfood-Form. Es gab außerdem einen Poetry-Slam mit Moderator Ramon Schmid und den schlagfertigen Wortakrobaten Natalie Friedrich und Hank M. Fleming sowie zum Abschluss spät am Abend Musik von Mazen Mohsen und Fedaa Safaya.

Bei der Eröffnung im großen Saal des Fellbacher Rathauses, in dem sonst die Gemeinderäte tagen, hatte Oberbürgermeisterin Gabriele Zull zur Begrüßung daran erinnert, dass die Demokratie die beste Staatsform sei, „die wir haben können“. Zum einen, weil sie Minderheiten schütze, zum anderen, weil Beteiligung erwünscht und notwendig sei. „Und unsere Demokratie hat es verdient, dass wir für sie einstehen“, sagte die Verwaltungschefin zu den rund 250 Zuhörerinnen und Zuhörern. In Fellbach taten sie es und sangen sogar lautstark und inbrünstig ein Loblied auf die Demokratie.

Patrick Bopp, der hinlänglich bewiesen hat, dass er die Massen zum Singen bringen kann, etwa beim traditionellen Weihnachtsliedersingen im Gazi-Stadion der Stuttgarter Kickers, und Sängerin Marie Louise hatten die Anwesenden schnell vom Mitsingen überzeugt. „Singen blockiert gewisse Synapsen im Hirn“, sagte Patrick Bopp, „danach kann man wieder besser mit dem Herzen zuhören.“ Außerdem könne man auch gemeinsam singen, wenn man nicht einer Meinung sei. „Demokratie und Freiheit, so anstrengend sie manchmal auch sein mögen, sollen schließlich auch Spaß machen.“

Spaß hatte der vielstimmige gemischte Bürgerchor auf jeden Fall. Lautstark stellten sich die Sängerinnen und Sänger mit John Lennon eine bessere Welt vor, schrien mit Marius Müller-Westernhagen nach Freiheit und schmetterten „Bella Ciao“, das Lied des italienischen Widerstands und der Partisanen gegen die faschistische Diktatur Mussolinis und die Besetzung durch Hitlers Nazisoldaten. Am Ende des Mitsingkonzerts gab es viel Beifall für alle Beteiligten – und Lob der beiden Vorsingenden. „Alle haben klasse mitgemacht“, sagte Marie Louise.

Die Demokratie lebt von der Mitwirkung

Nicht nur ein Chor lebt von der Mitwirkung, auch die Demokratie. Wie Menschen erreicht werden können, die sich abgehängt fühlen, den Abgesang auf die Demokratie anstimmen und politisch nach rechts gedriftet sind, darum ging es in der Podiumsdiskussion. Mehr direkte Beteiligung sei dafür sicherlich hilfreich, so OB Zull, angesichts der Tatsache, dass „20 Prozent der deutschen Wähler eine gesichert rechtsextreme Partei gewählt haben“. Vielleicht, meinte Daniel Meier, der Direktor des Gustav-Stresemann-Gymnasiums in Schmiden, brauche es auch ein neues Narrativ. „Wir sollten nicht übers Negative, Schlechte reden, sondern was eine starke Gemeinschaft ausmacht, nämlich Toleranz und Respekt, aber auch Dankbarkeit für das, was ist. Und darüber, wie eine gerechte Welt aussehen kann, für die wir bereit sind zu streiten. Ich glaube, dass uns diese Zukunftshoffnung ein wenig fehlt.“ Nach der Bombendrohung im vergangenen Oktober am GSG habe er deshalb nicht Angst und Schrecken thematisiert, sondern Hoffnung vermittelt. „Denn das verändert die innere Haltung“, so Meier.

„Demokratie beginnt da, wo sich vier Augen freundlich begegnen“, hatte Christina McComish von der Flüchtlingshilfe bei der Podiumsdiskussion gesagt. In Fellbach sind sich bei der Langen Nacht der Demokratie am Mittwoch ganz viele Augen freundlich begegnet. „Es war feierlich, eine tolle Stimmung, und es ist ganz viel Gutes dabei herausgekommen“, sagte Daniel Meier. „Die Menschen, die da waren, sind bestimmt alle mit guter Laune nach Hause gegangen.“