Auf einem Bauplatz in Erdmannhausen steht unerlaubt ein Schuppen. Anwohner sitzen den Behörden deshalb im Nacken. Die Pächter sind fassungslos und wehren sich gegen einen Abriss.
Wasser auf die Mühlen all jener, die eine überbordende Bürokratie in Deutschland anprangern, dürfte dieser Fall aus Erdmannhausen sein. Seit mehr als vier Jahren beschäftigen sich verschiedene Behörden mit einer kleinen Gartenhütte in der Kommune. Der Schuppen wurde widerrechtlich auf einem Bauplatz in der Lilienstraße aufgestellt. Das schien lange niemanden zu stören – bis erzürnte Nachbarn das Landratsamt Ludwigsburg hellhörig machten. Damit hatte sich das Thema in den Amtsstuben festgeklebt.
Es entwickelte sich ein Hickhack um das nur einige hundert Euro teure Häuschen, in das auch das Regierungspräsidium in Stuttgart und die Gemeinde Erdmannhausen hineingezogen wurden. Mit dem Höhepunkt am Montagnachmittag, als sich Vertreter des Petitionsausschusses des Landtags vor Ort ein Bild von den Gegebenheiten machte – und am Ende ohne eine wirklich aussichtsreiche Lösung im Gepäck wieder von dannen zogen.
Die unfreiwillige Hauptrolle in dem Paragrafen-Spektakel spielen Hannelore und Walter Mezger. Die Eheleute wollten das Grundstück, auf dem heute die Hütte steht, vor etwa zwölf Jahren eigentlich kaufen. Ihr Ziel war, sich auf dem brach liegenden Bauplatz ein Wohnhaus errichten zu lassen. Doch die Eigentümer hätten abgewunken, sagt Walter Mezger. Allerdings habe man später immerhin die Hälfte der Fläche pachten können. Das Paar legte einen Garten an, schuf eine Oase für Insekten, baute Obst und Gemüse an. Das Problem war nur, dass die Mezgers das Gießwasser aufwändig herankarren mussten.
Direkte Anrainer hatten offenbar nichts einzuwenden
Vor einigen Jahren montierten die Eheleute deshalb die Gerätehütte, über die sie Regenwasser sammeln. Er habe im Vorfeld sowohl vom Landratsamt als auch von der Gemeinde bei einem Telefonat das Signal erhalten, dass so eine Hütte bis zu einer bestimmten Größe verfahrensfrei wäre, beteuerte Walter Mezger nun vor dem Petitionsausschuss. Die unmittelbaren Anrainer hätten ebenfalls nichts einzuwenden gehabt.
Schriftlich hatte er freilich keine Genehmigung in der Tasche, konnte er wohl auch gar nicht. Denn im Bebauungsplan für das Gebiet ist festgezurrt, dass Nebenanlagen wie eine Hütte nur realisiert werden dürfen, wenn es auch ein Hauptgebäude gibt. Genau das ist aber Fehlanzeige auf dem gepachteten Grundstück. Was zunächst augenscheinlich niemanden interessierte, wurde erst akut, als die zweite Hälfte des Bauplatzes von einer anderen Familie mit zwei kleinen Kindern gepachtet wurde. „Drei Nachbarn, die alle verwandt sind, haben sich beschwert bis hin zur Polizei, dass dort Kinder auf einem Baugrund spielen. Das sei nicht erlaubt“, sagte Mezger. Eine Streife sei ausgerückt und nach einer Inspektion achselzuckend wieder abgerückt. Die Beamten hätten sinngemäß gesagt: „Was soll das?“
Die Nachbarn hätten aber nicht locker gelassen und das Landratsamt eingeschaltet – das so überhaupt erst auf die Hütte aufmerksam geworden sei. Letztendlich sei der Zorn von einigen wenigen Anwohnern über die spielenden Kinder gewissermaßen auf ihn abgeleitet worden.
Die Vertreter des Landratsamts ließen bei der Anhörung in Erdmannhausen erkennen, dass ihnen die unzufriedenen Nachbarn die Hölle heiß gemacht haben. „Wir mussten irgendwann einen Punkt dran kriegen. Sonst beantworten wir bis zum Sankt Nimmerleinstag Nachbarbeschwerden“, erklärte Udo Hofmann, Geschäftsteilleiter Bauen im Landratsamt. Deshalb habe man eine Abbruchverfügung erlassen. „Im Prinzip ist das eine Nachbarstreitigkeit, die irgendwie komplett eskaliert ist“, resümierte Julian Queißner als zuständiger Sachbearbeiter Baurecht. „Wir fahren nicht durch den Landkreis und suchen allein stehende Gerätehütten“, betonte Hofmann. Als aber der Sachverhalt bekannt war, habe man davor nicht die Augen verschließen können.
Doch das Kreishaus hatte die Rechnung ohne die Mezgers gemacht. Die Eheleute legten Widerspruch gegen die Aufforderung ein, die Hütte zurückzubauen. Das Regierungspräsidium sprang aber dem Kreishaus zur Seite und empfahl der Familie, den Widerspruch zurückzuziehen. Die Mezgers spielten die letzte Karte und riefen den Petitionsausschuss an. „Die Vorschriften mögen rechtlich noch gelten, entsprechen aber nicht dem Realitätssinn und schon gar nicht dem gesunden Menschenverstand“, argumentierte Walter Mezger in Richtung Konrad Epple (CDU) und Simone Kirschbaum (SPD), die für das Gremium vor Ort waren.
Mezger verdeutlichte zudem, was droht, wenn der Schuppen weichen muss: dann beende er den Pachtvertrag und das Grundstück verwahrlose.
Keine Lösung für das Dilemma gefunden
Konrad Epple zeigte Verständnis für das Anliegen der Familie. Zugleich hob er hervor, dass man das Recht nicht beugen könne. Und so wird der Petitionsausschuss über die Angelegenheit zwar nun beraten und versuchen, den gordischen Knoten zu durchtrennen – mit einer Lösung im Gepäck können Epple und Kirschbaum jedoch nicht in dem Gremium vorstellig werden. So oder so soll bis Anfang 2026 eine Entscheidung fallen.
Vielleicht holt aber auch der Vorschlag des Erdmannhäuser Bürgermeisters Marcus Kohler die Kuh vom Eis, den alle in der Runde charmant fanden und mit dem man sich offenbar im Rahmen des rechtlich Zulässigen bewegen würde. Kohler hatte angeregt, das Grundstück bis zu einer endgültigen Bebauung mit einem Tiny House zu bestücken. Dann wäre eine Baulücke provisorisch geschlossen, Wohnraum geschaffen und die Hütte könnte vorerst bleiben, weil sie formal als Nebengebäude des Mini-Hauses einzustufen wäre. Die Frage ist nur, ob dabei die Eigentümer mitspielen. Sonst wären wieder die Behörden am Zug.