Es klingt gewöhnungsbedürftig. Aber der Einsatz von menschenähnlicher Technik, wie sie auch im Kreis Ludwigsburg bereits im Einsatz ist, kann in einem Seniorenheim durchaus Vorteile. Ein Kommentar von Redakteur Andreas Hennings.
Oma Lotti hatte ganz offensichtlich Glück. Sie traf im hohen Alter auf einen Pfleger, der sich Zeit für sie nehmen konnte, sich zum Plaudern zu ihr an den Tisch setzte, mit ihr Touren mit dem Auto unternahm, sich für ihr Leben interessierte und ihr durch mutige Fragen Inspiration für jüngere Menschen entlockte. Pfleger Rashid Hamid und die über 90-Jährige freundeten sich an, und ihre Videos gingen viral.
Zur Einordnung: Auf Instagram folgen dem Pfleger 873 000 Menschen. Das entspricht der Einwohnerzahl Stuttgarts – addiert mit den Einwohnern Heilbronns, Ludwigsburgs und Bietigheim-Bissingens. Als Oma Lotti vor wenigen Wochen 93-jährig in Hamburg starb, war die Trauer in der Fangemeinde riesig. Bis zuletzt hatte man das Duo feixen, lachen, plaudern gesehen.
Welch ein Kontrast scheint es da auf den ersten Blick zu sein, wenn man im Vergleich dazu an die menschenähnlichen Roboter denkt, die neuerdings in Seniorenheimen eingesetzt werden, um mit den Bewohnern zu interagieren. Auch hier im Kreis Ludwigsburg. „Oscar“ in Ludwigsburg, „Benni“ in Benningen.
Pflegealltag ist oft eng getaktet
Sollten nicht alle Oma Lottis Glück haben? Klar – ermöglichen würden das wohl die meisten Beteiligten gerne. Doch es bleibt leider bei der Wunschvorstellung. Denn der Alltag lässt ein solch intensives Miteinander, das über die reine Pflege hinausgeht, meist nicht zu: Der Tag der Pflegekräfte ist eng getaktet, viel Zeit für einen längeren Plausch bleibt selten. Auch wenn sich sicher viele gerne die Zeit nehmen würden. Ist der Kontakt zu Menschen doch auch ein Hauptgrund, warum dieser Beruf ergriffen wird. Doch dieser gewünschte Kontakt ist eben begrenzt. Und in Anbetracht des Fachkräftemangels in der Pflege und der angesichts des demografischen Wandels bald drastisch steigenden Zahlen an Pflegebedürftigen ist keine Besserung in Sicht.
So dramatisch die Situation auch ist oder werden kann: Der Roboter soll und kann keinen Menschen ersetzen. Er ist als Ergänzung gedacht. Und genau deshalb kann er ein Gewinn sein. So komisch sich das anfangs anhören mag – es steckt Potenzial in dem Modell. Denn die Roboter sind mithilfe künstlicher Intelligenz durchaus schlau. Unterhaltungen sind, das zeigen die Beispiele im Kreis, auf einer guten Ebene möglich. Und wenn sie einmal so weit sind, ihr Gegenüber wiederzuerkennen, kann angeknüpft werden. Nicht nur zur reinen Unterhaltung, sondern auch wenn es darum geht, daran zu erinnern, genug zu trinken oder die benötigten Tabletten zu nehmen.
Ansatzweise ein Ersatz für ein Haustier?
Gerade bei Senioren, die sich einsam fühlen oder dement sind, könnte ein Roboter etwas bewirken. Als eine Art Ersatz dienen, wenn man keinen Hund oder keine Katze mehr bei sich hat. Wenn es darum geht, über vergangene Zeiten zu sprechen oder sich etwas vorlesen zu lassen. Und er könnte im Fall einer Weiterentwicklung auch die Verständigung verbessern. Indem er Sprachen übersetzt. Denn nicht alle Pflegekräfte und nicht alle Pflegebedürftigen sprechen gutes Deutsch.
Kurzum: Es ist gewöhnungsbedürftig, sich derart auf Technik einzulassen. Und die künstliche Intelligenz sollte auch nicht den Datenschutz außer Acht lassen. Für manche Senioren und Seniorinnen können die Oscars und Bennis aber eine Bereicherung sein, zumal man am Anfang der Entwicklung steht. In Restaurants kommen Roboter, die das Servicepersonal unterstützen, auch schon gut an. Und so viel Glück wie Oma Lotti haben die allermeisten Pflegebedürftigen nun einmal nicht. Leider.