Botschafterin Stella Orina schätzt Kenias Sicherheitspartnerschaft mit Deutschland und den USA. Und sagt, was die Deutschen in der Migrationspolitik von den Kenianern lernen können.
Warum Kenia zugleich eng mit dem Stuttgarter Africom, dem Kommando der US-Streitkräfte für Afrika, und mit dem chinesischem Militär zusammenarbeitet, erklärt die Botschafterin in Deutschland, Stella Mokaya Orina. Außerdem spricht sie in diesem Interview darüber, wie die deutsche Debatte um Flüchtlinge auf sie wirkt.
Frau Orina, Sie verfolgen sicher die Debatte um Zuwanderung und Flüchtlinge in Deutschland. Kenia hat sehr viele Flüchtlinge aufgenommen – haben Sie in Ihrem Land eine vergleichbare Diskussion?
Kenia gewährt wie Deutschland Flüchtlingen aus Ländern in der erweiterten Nachbarschaft, die von Kriegen erschüttert sind, Zuflucht. Kenia macht das schon sehr lange. Ganz besonders in den großen Flüchtlingslagern. Selbstverständlich gibt es auch in Kenia Debatten. Die kreisen vor allem um Herausforderungen, die sich aus der Anwesenheit einer hohen Anzahl von Flüchtlingen in der Bevölkerung ergeben. Da geht es um Ressourcen, gesellschaftliche Stabilität, Sicherheit und Integration. In Deutschland nehme ich eine Debatte vor allem um die Belastung der Sozialsysteme und wirtschaftliche Auswirkungen wahr.
Vor welcher Herausforderung steht Kenia?
Das sind eindeutig die wirtschaftlichen Lasten. Vor allem aus Somalia, Äthiopien, Sudan und Südsudan kommen Flüchtlinge nach Kenia. Das haben unsere Länder gemeinsam, dass durch den Schutz, den wir gewähren, wirtschaftlicher Druck entsteht. Ein Unterschied ist vielleicht: In Kenia ist die Debatte nicht so hitzig.
Gibt es in diesem Zusammenhang etwas, das die Deutschen von den Kenianern lernen können?
Möglicherweise ist das Unterstützungsniveau, das die deutsche Regierung Flüchtlingen gewährt, so ein Punkt. Ich muss aber erst das deutsche Sozialsystem erst noch deutlich besser verstehen, um beurteilen zu können, warum die Debatte hierzulande so aufgeladen ist. In Kenia sind die Flüchtlinge auch viel konzentrierter an einzelnen Orten wie Dadaab oder Kakuma. Bei uns ändert sich die Politik gerade in zwei Richtungen: mehr Flüchtlinge integrieren und mehr Flüchtlinge in Drittländern ansiedeln. Vielleicht ist das etwas, das sich auch Deutschland anschauen kann, die Ansiedlung eines Teils der Flüchtlinge in Drittländern.
Ist die Flüchtlingsstadt Dadaab noch eine der größten Gemeinden Kenias?
Ja, das ist sie – mit mehr als 300 000 Einwohnern und starker demografischer Entwicklung. Da helfen uns viele internationale Organisationen und Hilfswerke dabei, den Flüchtlingen ein Leben in Würde mit ausreichend Ernährung und Schulen und medizinischer Versorgung zu ermöglichen.
Am 22. Mai waren Sie Hauptrednerin zum Afrika-Tag im Oberkommando der US-Streitkräfte für Afrika, dem Africom, in Stuttgart. Wie wichtig ist die Zusammenarbeit mit Africom für die Sicherheit Kenias?
Kenia und die USA haben eine gemeinsame Geschichte enger Zusammenarbeit seit unserer Unabhängigkeit 1963. Manda Bay ist eine wichtige Basis für die Aktivitäten des US-Africom in Ostafrika. Sicherheit ist eine staatenübergreifende Angelegenheit, und das weltweit. Kenia schaut, was seine Sicherheit angeht, sehr auf die Rahmenbedingungen in ganz Afrika. Die Aktivitäten von Africom in Ostafrika sind uns sehr willkommen, weil sie unsere eigenen Sicherheitsstrukturen gut ergänzen.
Gibt es da auch Grenzen?
Solange die Zusammenarbeit in den von uns mit den Amerikanern vereinbarten Parametern läuft, ist sie sehr gut, und ich kann sie nur loben.
Wie nehmen Sie die Gewichtung in der militärischen Zusammenarbeit wahr?
Kenia ist ein souveräner Staat, Amerika ist einer unserer traditionellen Freunde. Das beruht auf Gegenseitigkeit. Wir schauen auf Amerika als Partner, nicht als Patron.
Was nehmen Sie von Ihrem Besuch in Stuttgart mit?
Es unterstreicht die enge, tiefe, historische und warmherzige Beziehung zwischen unseren Staaten, dass ich ausgerechnet zu diesem Tag auf die US-Militärbasis nach Stuttgart eingeladen wurde – parallel übrigens zum Besuch unseres Präsidenten William Ruto bei Präsident Joe Biden in Washington.
Vor 30 Jahren während der deutschen Beteiligung am UN-Militäreinsatz in Ihrem Nachbarland Somalia gab es sicherheitspolitisch eine enge kenianisch-deutsche Zusammenarbeit. Was ist davon geblieben?
Fangen wir an mit Kenias Beteiligung am UN-Stabilisierungseinsatz in Haiti. Für dieses Engagement ist die deutsche Regierung eine der größten Geldgeberinnen. Auf nationaler Ebene unterstützt Deutschland die Ausstattung unserer Kriminalermittlungsbehörden mit moderner Technologie, mit forensischen Laboren, mit dem Aufbau neuer Ermittlungskompetenzen. Es gibt einen bilateralen Austausch in der Generalstabsausbildung des Militärs.
China ist einer der großen Handelspartner Kenias. Wie verfolgen die Chinesen ihre Interessen in Kenia?
Chinas Engagement hat viele Facetten. Kenia arbeitet mit China im Rahmen der Süd-Süd-Kooperation eng zusammen. Wir importieren Fertigprodukte aus China und verkaufen Rohstoffe nach China. Ebenso gibt es Kooperationen im kulturellen und im Bildungsbereich. Unsere U-Bahnen, auch die Bahnverbindung von Nairobi nach Mombasa, wurden von China gebaut.
Gibt es auch eine Zusammenarbeit im Sicherheitsbereich?
Ja, auch da arbeiten wir zusammen, vor allem im Ausbildungs- und Übungsbereich des Militärs.
Die Botschafterin Stella Mokaya Orina
Zur Person
Stella Orina vertritt Kenia in Deutschland seit dem 20. März 2024. Außerdem ist sie die Botschafterin in Polen und Tschechien. Ihr Dienstsitz ist Berlin. Die Juristin hat in Kenias Außenministerium ein starkes Profil im Rechtsbereich entwickelt. Ihre erste politische Position hatte sie als Vize-Botschafterin in Österreich. Danach war sie stellvertretende Abteilungsleiterin an der Foreign Service Academy in Nairobi.
Ihre Themen
In der Zusammenarbeit setzt Orina vor allem zwei Themen: die Chancen für deutsche Investoren in ihrem Land und Kenias Interesse an Schulbildung und Wissenschaft in Deutschland.