Schauspieler Karl Kranzkowski Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Sein Gesicht kennen die meisten, seinen Namen eher wenige. Karl Kranzkowski, einst nahe Schwerin geboren, ist derzeit in gleich zwei TV-Serien aus Stuttgart zu sehen. Im StN-Gespräch berichtet der 61-Jährige, der mittlerweile in Göppingen lebt, von seinem Verhältnis zu den Schwaben.

Sein Gesicht kennen fast alle Fernsehzuschauer. Sein Name dürfte aber den wenigsten geläufig sein. Karl Kranzkowski ist derzeit gleich in zwei bundesweit beliebten TV-Serien aus Stuttgart zu sehen. Mittlerweile lebt er in Göppingen. -
Stuttgart - Herr Kranzkowski, ein Schweriner verkörpert derzeit das Gesicht Stuttgarts im deutschen Fernsehen. Stimmt doch, oder?
Wie kommen sie denn darauf? Ich kann doch nicht das Gesicht einer ganzen Region sein, und ich fühle mich auch nicht als Repräsentant einer Großstadt wie Stuttgart.
So abwegig ist das aber nicht, immerhin spielen Sie Hauptrollen als Kripo-Chef der Sonderkommission Stuttgart und als Vater der kleinwüchsigen Kinderärztin „Dr. Klein“. Wie viel Zeit eines Jahres verbringen Sie deshalb in Stuttgart?
Na, ich lebe sogar hier, auch wenn wir noch einen weiteren Wohnsitz in Schwerin haben. 2009 mit dem Start der „SOKO Stuttgart“ sind wir hergezogen. Anfangs haben wir in einer Wohnung in einem großbürgerlichen Haus in der König-Karl-Straße in Bad Cannstatt gewohnt, direkt am Kurpark. Da meine Frau und die Kinder durch das Leben auf dem Land vorher jedoch an ein Haus mit Garten gewohnt waren, verging nicht viel Zeit und es musste etwas Ähnliches her. In Göppingen haben wir schließlich ein bezahlbares, schönes Haus zur Miete gefunden.
Und wie gefällt’s Ihnen dort?
Also, eigentlich hatte ich mir ja nie vorstellen können, mal in einer Kleinstadt zu leben. Aber in Göppingen gibt es nichts, was es nicht gibt, und alles ist zu Fuß erreichbar. Mittlerweile bin ich froh, nicht in einer Metropole zu wohnen. Dort lässt es sich gut leben, wir sind glücklich.
Und so fahren sie täglich zu den Dreharbeiten ins Römerkastell oder zu den Außenaufnahmen in Stuttgart?
Ja, ich bin gerne Autofahrer. Bis Stuttgart läuft es ganz gut, aber ab da steht man im Stau, egal was man macht – selbst wenn man denkt, einen tollen Schleichweg gefunden zu haben, ist der auch dicht. Es geht sehr hektisch zu auf den Straßen in und um Stuttgart. Die jeweils vier festinstallierten Blitzer auf der Strecke Göppingen – Stuttgart machen es leider nur noch schlimmer. Da die meisten Leute zu schnell unterwegs sind, wird kurz vor dem Kontrollpunkt kräftig gebremst, und das ist manchmal sogar gefährlich. Es ist schon ein anstrengendes Leben im Ballungsgebiet, man kommt nicht wirklich zur Ruhe. Selbst wenn sie in einem tollen Haus in guter Hanglage leben – auch dort wabert die Hektik nach oben, verbreitet sich – die Stadt kommt das ganze Jahr nicht zur Ruhe.
Schön finde ich ja die Außendrehs bei der Soko, dass man als Einheimischer auch was von Stuttgart sieht.
Finden Sie? Ich denke manchmal, dass es eher zu wenig ist, was von der Stadt gezeigt wird. Und ich wundere mich, woran erkennt man überhaupt, dass es in Stuttgart spielt? Die Drehs in Stuttgarter Wohngebieten sind aber auch nicht unkompliziert. Viele fühlen sich gestört, wenn in ihrer Wohlfühlgegend alles voller Filmleute und Autos steht, die Abgase verbreiten, und der Generator dröhnt neben der Terrasse, weil unsere Team-Küche Strom braucht. Also, einerseits kann ich verstehen, dass man die Filmcrew am liebsten wieder von hinten sehen möchte. Andererseits könnte man ja auch stolz sein, dass Stuttgart in einer TV-Serie so ausgiebig vorkommt.
Ihre bisherige Bandbreite mit der Beteiligung an diversen Filmen ist durch die beiden Hauptrollen deutlich eingeschränkt.
Aber es gab bisher kaum etwas, was ich deshalb ausfallen lassen musste. Ich habe dieses Jahr „Helen Dorn“ gedreht, dann in „Dengler“, einer neuen Krimireihe des ZDF, mitgespielt. Und jetzt geht’s nach Prag zu Dreharbeiten für „Marthes Geheimnis“, einem Zweiteiler für das Erste.
Dabei reiht sich, wenn man Ihre Filmografie anschaut, ein Krimi an den anderen: häufig Tatort, Polizeiruf, Filme wie „Mörderspiele“, „Mörderisches Wespennest“, „Für immer ein Mörder“ – ganz schön brutal.
Der „Spiegel“ hat gerade die Daten ausgewertet und die fleißigsten Episodendarsteller aufgelistet. Da ist im „Tatort“ Anke Sevenich mit 15 Auftritten vorn. Aber bei den Männern liege ich, zusammen mit zwei Kollegen, mit 14 Auftritten an der Spitze. Es gibt nur wenige „Tatorte“ oder „Polizeirufe“, in denen ich noch nicht zu sehen war.
Die „SOKO Stuttgart“ gibt zumindest finanzielle Sicherheit.
Richtig, denn das war nicht immer so. Auch bei mir gibt’s die Unsicherheit des Daseins, wenn der Januar, der Februar und der März vergeht, und man hat noch keinen einzigen Drehtag gehabt. Ich vergleiche die Situation des Schauspielerdaseins in Deutschland gerne mit dem Bild einer großen ägyptischen Pyramide. Die winzige, vielleicht daumenbreite Spitze, das sind die richtigen Stars. Drunter kommt zwei Finger breit der Speckgürtel, dazu zähle ich mich, die können gut von dem Beruf leben. Und dann folgt der übrige Rest, die schlagen sich so durch oder müssen kellnern. Das ist schon traurig.
Sie sind ja durchaus ein Spätstarter, was Film und Fernsehen angeht: Da ging’s erst mit 36 Jahren los.
Das hängt damit zusammen, dass man in der DDR fast nur genommen wurde, wenn man in Berlin greifbar war – und ich war eben an Bühnen außerhalb der Hauptstadt engagiert. Erst als ich am Deutschen Theater 1989 angefangen habe, ging es los mit dem DEFA-Film „Verbotene Liebe“. Damals haben die Filmregisseure auch noch im Theater geguckt, was dort für Schauspieler auftreten – das gibt’s heute eher selten.
Und kaum waren Sie in Berlin, fiel die Mauer.
Ja, aber das hatte ja nichts mit mir direkt zu tun. Wobei wir vom Deutschen Theater in Berlin waren damals schon die Mitinitiatoren der Großdemonstration am 4. November 1989 waren. Ich denke dabei an die Redner Heiner Müller, Ulrich Mühe oder Jan Josef Liefers. Wenige Tage später, am 9. November, sitze ich vor meinem riesigen russischen Farbfernseher, das war eher ein Heizgerät, hatte schon einen Gothaer Wermut intus und höre gerade den Schabowski sagen: „Nach meiner Kenntnis gilt das sofort, unverzüglich.“ Was hat der gesagt? Kurze Zeit später steige ich in der U-Bahn, fahre zum Bahnhof Friedrichstraße, die Massen schieben und drängeln, vorne zwei hilflose Polizisten mit einer Kette geben auf und machen den Weg frei zum Tränenpalast. Die Ausweise werden angestempelt, Klapptüren öffnen sich und Sekunden später stehe ich auf dem Bahnsteig der S-Bahn nach West-Berlin. Die angespannte Atmosphäre löst sich erst, nachdem die Bahn die DDR verlassen hat. Jubel kommt auf, es wird gefeiert, unbekannte Leute stecken mir D-Mark-Scheine zu, am Kudamm drängen sich die Massen in den Kabinen der Peepshows. Das war eine rauschende „Ballnacht“. . .
Und jetzt leben Sie im Raum Stuttgart. Wie kommen Sie mit dem schwäbischen Dialekt zurecht?
Verstehen konnte ich anfangs fast gar nichts. Da hieß es immer „dahanna“: Was sollte denn das bedeuten? Mittlerweile weiß ich, es heißt hier oder dort, je nach Bedeutung. Eine Nachbarin hat mir ein Buch „Schwäbisch für Anfänger“ geschenkt, da blättere ich manchmal drin.
Und was ist mit dem Schwäbischen Essen, etwa Linsen mit Spätzle?
Na, schon in Ordnung, aber mein Lieblingsgericht ist es nicht.
Ond Mauldascha?
Na klar, Herrgottbscheißerle. Maultaschen, die kenne ich natürlich, da können Sie mich nicht aufs Glatteis führen.