Wieder nicht in der Startelf, dann der Schnitzer vor dem 1:2 von Celta Vigo. Atakan Karazor erlebt eine schwierige Zeit. Wird er Sonntag beim 1. FC Köln dennoch von Beginn an spielen?
Eigentlich hatte der Trainer Sebastian Hoeneß in der 70. Spielminute beim Europa-League-Aufgalopp gegen Celta Vigo (2:1) ja vorgehabt, aktive Aufbauarbeit zu leisten und seinem Kapitän vor großer Kulisse demonstrativ den Rücken zu stärken. Doch der Schuss ging komplett nach hinten los. Als der erfahrene Atakan Karazor für den jungen Chema in die Partie kam, war die Fußballwelt des VfB bei einer souveränen 2:0-Führung gegen die eigentlich schon bezwungenen Defensivkünstler aus Galizien noch eine komplett rosarote.
Bei Schlusspfiff des Schiedsrichters Nick Walch stellte sich die Lage dann in Teilen anders dar. Die Stuttgarter stellten zwar als Kollektiv noch immer ein Siegerteam – doch der einstige Anführer Katazor, er war der einzige Verlierer unter ihnen. Ein Sorgenkind. Schließlich hatte das Selbstvertrauen des 28-jährigen Spielführers, der gegen Vigo bereits zum zweiten Mal in Folge nicht in der Startelf gestanden war, nach seiner Einwechslung einen weiteren herben Knacks erlitten.
Schuld daran war vor allem die Szene in der 86. Spielminute, als der unaufmerksame Karazor sich den Ball von dem in seinem Rücken lauernden Ilaix Moribas in der eigenen Hälfte abluchsen ließ. Weil sich der VfB in der Vorwärtsbewegung befand und hinter dem Kapitän keine Absicherung mehr vorhanden war, hatten die Gäste leichtes Spiel: Moribas passte quer auf Borja Iglesias, der letztlich keine Mühe hatte, zum 1:2-Anschlusstreffer einzuschießen.
Dank dieses Blackouts war plötzlich beim Großteil der 58 000 Fans im Stadion wieder Zittern angesagt. Eine eigentlich schon eingetütete Partie wurde für die VfB-Fußballgemeinde noch einmal spannend. Und Karazor, der leistete sich kurz darauf noch einen weiteren groben Stockfehler, der zum Glück folgenlos blieb. Was zeigte, dass sein Spiel noch stärker von der mentalen Komponente gesteuert wird, als das bei vielen Kollegen der Fall ist. Das gilt im Positiven, weil der Ata ein großer Motivator in der Kabine wie auf dem Platz sein kann, wie im Negativen, weil der gebürtige Essener schon das Zeug zum großen Zauderer besitzt.
„Es ist eine Situation zustande gekommen, die so nicht hätte sein sollen“, analysierte der VfB-Sportvorstand Fabian Wohlgemuth den entscheidenden Ballverlust vor dem 1:2: „Das ist aber ein Fehler, der jedem passieren kann. Natürlich sitzt keiner als Kapitän und Stammspieler gerne auf der Bank. Ich sehe da jetzt aber keinen Zusammenhang zwischen Atas aktueller Lage und dem Ballverlust.“
Am Ende war dann ja für das Team noch mal alles gut gegangen. Das betraf vor allem das Resultat, denn der VfB ist mit dem 2:1-Sieg in der ersten von acht Partien gut in die Gruppenphase der Europa League gestartet. Mit Blick auf Karazor liegen die Dinge da anders: Schließlich ergoss sich im Internet schon bald kübelweise die Häme über den defensiven Mittelfeldspieler, der in der Vorsaison in 46 Pflichtspielen auf dem Platz stand – und den VfB unter anderem zum DFB-Pokalsieg geführt hatte.
Auch der Trainer Hoeneß hat die Verdienste des seit 2019 in Stuttgart spielenden Karazor anders als so manch verirrter Hetzer im Netz nicht vergessen. „Ata ist für mich, seit ich hier bin, ein sehr wichtiger Spieler und Ansprechpartner. Das war er schon, als er noch nicht Kapitän war“, sagte der Trainer Hoeneß: „Er hat sich selbst am meisten über seinen Fehler vor dem Anschlusstor von Vigo geärgert. Das wird ihn aber nicht umwerfen, im Gegenteil: Er kann damit umgehen.“
Wird der Chefcoach nun mit Blick auf die Bundesliga-Partie beim 1. FC Köln an diesem Sonntag (Anpfiff ist um 17.30 Uhr) in der heiklen Personalie all-in gehen, indem er Karazor trotz seiner Aussetzer gegen Vigo und der Möglichkeit weiterer Fehler wieder zurück in die Startelf beordert? Personell ließe sich das gut begründen. Schließlich könnte Senkrechtstarter Chema, 20, der zuletzt zweimal begann, aus Gründen der Belastungssteuerung in zwei englischen Wochen am Stück mal eine Pause vertragen.
Zudem könnte sich das Karazor-Problem auf der Bank auch mental weiter auswachsen. Denn frisches Selbstvertrauen, das holt sich auch ein erfahrener Profi mit rund 200 Bundesliga-Einsätzen in der ersten und zweiten Liga nur durch neue Herausforderungen auf dem Platz.