Die italienische Ministerpräsidentin ist seit fast drei Jahren im Amt. Wie schafft es die Römerin nach noch immer so stabil in der Gunst der Wähler zu liegen?
In wenigen Tagen wird Giorgia Meloni auf drei Jahre als Ministerpräsidentin von Italien zurückblicken können. Die 1000-Tage-Grenze haben außer ihr bislang nicht viele in diesem Amt überschritten. Den Sozialdemokraten Matteo Renzi, der 2016 nach 1024 Tagen zurückgetreten war, hat sie auf Platz vier der längsten Regierungen schon abgelöst. Vor ihr liegen nun noch Bettino Craxi und zwei Mal Silvio Berlusconi. Hält Meloni die Legislatur bis Herbst 2027 durch, wäre sie die unangefochtene Nummer eins. Sie ist auf einem guten Weg dahin. Berlusconi war zwar vom 11. Juni 2001 bis 17. Mai 2006 im Amt – aber nicht durchgehend, es waren seine zweite und dritte Amtszeit.
Seit der Wahl im September 2022 sind die Umfragewerte ihrer Fratelli d’Italia sogar gestiegen. Mit 26 Prozent wurden die rechtsnationalen Fratelli stärkste Kraft im Parlament, aktuelle Umfragen sehen sie bei 30,8. Melonis Koalitionspartner bleiben ebenfalls konstant, abgeschlagen von der Regierungschefin: Matteo Salvinis Lega kommt aktuell auf 8,8 Prozent, die Forza Italia von Außenminister Antonio Tajani auf 8. Die Wähler scheinen an Meloni vor allem genau das zu schätzen: Die Stabilität, die sie ausstrahlt.
Melonis Ukraine-Politik unterscheidet sich kaum von jener Draghis
Der Erfolg der Fratelli ist dabei allein Meloni zuzuschreiben. Seit Regierungsbeginn konnte sich keiner aus der Reihe der indirekten Nachfolgepartei des neofaschistischen MSI (Movimento Sociale Italiano) ernsthaft in der öffentlichen Wahrnehmung etablieren. Vor allem außenpolitisch hat sich Meloni – die in jungen Jahren offen den faschistischen Diktator Benito Mussolini verehrt hat – Geltung verschafft. Zu Beginn Ihrer Amtszeit wurde sie von vielen ihrer europäischen Partner skeptisch beäugt – heute gilt die 48-Jährige als verlässliche Partnerin. Vor allem ihre Ukraine-Politik unterscheidet sich kaum von jener ihres Vorgängers Mario Draghi.
Weniger Arbeitslose in Italien
Als die große Brückenbauerin zwischen der EU und US-Präsident Donald Trump konnte sie sich allerdings nicht wie gewünscht in Position bringen. Im Gegenteil, das Thema Trump könnte ihre Reputation im Ausland gefährden, sagt Andrea De Petris, Wissenschaftlicher Direktor am Centre for European Policy Network in Rom: „Ich habe immer noch Schwierigkeit zu verstehen, auf welcher Seite Meloni nun eigentlich steht.“ Eine eindeutige Positionierung hin zur EU oder hin zu Trump blieb bislang aus. Wirkliches Kapital schlagen konnte Meloni aus den Sympathiebekundungen, die ihr aus dem Trump-Lager entgegengebracht werden, auch noch nicht.
Wirtschaftlich hört man derweil wenig Besorgniserregendes aus Melonis Italien. Auch weil Frankreich das Land in der Rolle des Sorgenkindes abgelöst zu haben scheint. Und tatsächlich: Die italienische Wirtschaft wächst und die Arbeitslosenquote ist mit sechs Prozent so niedrig wie seit 18 Jahren nicht mehr.
Der positive Trend hatte zwar schon unter Vorgänger Draghi begonnen. Doch Melonis Regierung hat diesen zumindest nicht gebrochen. Drängende Probleme wurden in den vergangenen drei Jahren allerdings auch nicht angepackt. Die Produktivität im Land ist noch immer erschreckend gering, die Löhne – in Italien gibt es noch immer keinen Mindestlohn – so niedrig, dass gut ausgebildete junge Arbeitskräfte das Land weiter in großer Zahl verlassen.
Eingriffe in die Meinungsfreiheit?
Eine kürzlich veröffentlichte Studie zeigte, dass 43 Prozent der Italiener keine Einkommenssteuer zahlen, weil sie unter 10 000 Euro brutto im Jahr deklarieren. Dass hinter diesen Daten noch weitere Probleme als niedrige Löhne schlummern, bringt Alberto Brambilla, Präsident des Forschungszentrums Itinerari Previdenziali in der Zeitung „Corriere della Sera“ auf den Punkt. „Ist es wirklich glaubwürdig, dass fast die Hälfte der Italiener mit etwa 10 000 Euro brutto im Jahr auskommt?”, fragt er – das Wort Schwarzarbeit schwingt in seinen Worten mit.
Nun stehen in Italien die Debatten über den Haushalt 2026 an. Schon im vergangenen Jahr hatte es immer wieder Proteste gegen den Sparkurs der Regierung gegeben. Meloni war angetreten, bis 2026 die Drei-Prozent-Marke bei der Neuverschuldung endlich zu unterschreiten. Große Investitionen, in das Gesundheitssystem oder die Bildung, sind auch jetzt nicht zu erwarten. Immer wieder legen daher Generalstreiks das Land lahm. Dafür hat Melonis Regierung in den vergangenen drei Jahren öffentlichkeitswirksam innenpolitische Pflöcke eingeschlagen. Mit dem Sicherheitsdekret wurden neue Straftatbestände eingeführt, die Härte suggerieren sollen, aber von vielen Kritikern als Einschränkung bürgerlicher Rechte und der Meinungsfreiheit gescholten werden. Hausbesetzungen oder Straßenblockaden – auch im Rahmen von Demonstrationen – gelten nun als Straftatbestand und können mit einer Gefängnisstrafe geahndet werden.
Einfluss auf die Justiz
Auch der Streit zwischen der Regierung und der Justiz hat teils bedenkliche Formen angenommen. So werden Richter von Regierungsmitgliedern namentlich über die sozialen Medien verunglimpft, wenn deren rechtliche Bewertung politischer Maßnahmen nicht zu Gunsten der Regierungsmannschaft ausfällt. So geschehen beispielsweise bei den Entscheidungen über die Asylzentren in Albanien. „Das ist eine gefährliche Entwicklung, ich sehe Parallelen zum Vorgehen von Donald Trump“, sagt De Petris dazu. Richter würden dadurch als Gegner des Volkes dargestellt.
Fragen entzieht sich Meloni
Die Reform des Justizapparates ist auch so gut wie beschlossen. Dennoch strebt die Regierung eine Volksabstimmung darüber an. Ein Vorgang, der theoretisch nicht nötig und ein Zeichen dafür ist, dass der Wahlkampf bald beginnt. Turnusgemäß wird im Herbst 2027 gewählt Auch ein solches Referendum sieht der Jurist De Petris als eine Politisierung eines Themas an, das eigentlich auf der Rechtsebene bleiben sollte und nicht als Wahlkampfthema populistisch ausgeschlachtet gehört.
Ein weiteres Großprojekt von Giorgia Meloni allerdings könnte – so skurril es klingen mag – an ihrer eigenen Popularität scheitern. Mit der Reform der Verfassung wollte sie die Direktwahl des Regierungschefs einführen. Derzeit werden die Abgeordneten des Parlaments gewählt, der Ministerpräsident aufgrund der Mehrheitsverhältnisse dann vom Staatspräsidenten ernannt und durch die Wahl der beiden Parlamentskammern bestätigt. Abgesehen von verfassungsrechtlichen Bedenken würde die Direktwahl des Premiers „zu einer weiteren Personalisierung der Politik führen“, sagt De Petris. Ob das im Sinne der aktuellen Koalitionspartner Lega und Forza Italia wäre, die dadurch noch mehr an Relevanz verlören, bezweifelt er. Eine Verfassungsreform müsste vom Volk in einem Referendum abgesegnet werden. Ob diese in den kommenden zwei Jahren ein so drängendes Thema ist, um damit die Wähler bei Laune zu halten, scheint auch Meloni selbst zu bezweifeln. Auch medial ist es um das Thema Verfassungsreform erstaunlich ruhig geworden. Da sich Meloni ohnehin offenen Befragungen durch Journalisten die meiste Zeit entzieht, wird oft nur das berichtet, was von ihr als Thema in Statements gesetzt wird.