Betondecken für den Holzbau? Genau das ist beim IBA-Projekt auf der Hangweide in Kernen Teil des hybriden Konzepts. Foto: Gottfried Stoppel

Für Baufirmen wie Züblin wird Holz als Baumaterial immer attraktiver. Fertigteile kann man mit dem Material flexibel herstellen – und der Baustoff macht Bauen im Vergleich zu Beton und Stein schneller und oft wirtschaftlicher.

Holz ist das Thema auf der Hangweide bei Kernen im Rems-Murr-Kreis. Damit hat es das Wohnbauprojekt auf die Projektliste der Internationalen Bauausstellung IBA’ 27 in der Region Stuttgart geschafft. Doch warum hievt der Autokran vor dem ersten im Bau befindlichen Gebäude schwere Betonelemente auf das Dach?

 

„Das sind Deckenteile“, sagt Simon Pfeffer, der als Bereichsleiter der Firma Züblin für den Baustoff Holz zuständig ist. Die zur Gewichtsersparnis von Metallröhren durchzogenen, fünf bis sechs Meter langen Betonelemente erlaubten größere Spannweiten als Holz. „Wir setzen jeden Baustoff da ein, wo er seine Vorteile hat.“

Ohne Beton geht auch beim Holzbau nichts

Holz-Hybridbauweise heißt die Baumethode bei den drei- bis vierstöckigen Mehrfamilienhäusern. Vor zehn Jahren wurde sie von Züblin zunächst für gewerbliche Bauten entwickelt. Sie heißt so, weil hier auch Beton wichtig bleibt. Seit zwei Jahren errichtet man so auch Wohngebäude.

Dass bei dem schnörkellosen Gebäude Holz verwendet wird, liegt daran, dass er wirtschaftlich wettbewerbsfähig ist. „Der Bebauungsplan macht keine konkreten Vorgaben bezüglich Baustoffen oder Klimabilanz“, sagt ein Sprecher der Gemeinde Kernen: „Holzbau wird begrüßt, sofern er wirtschaftlich darstellbar ist und bezahlbarer Wohnraum realisiert werden kann.“

Altbestand wurde abgerissen

Züblin baut aktuell 34 Wohnungen mit einem bis zu fünf Zimmern und 33 bis 90 Quadratmeter Wohnfläche. Knapp ein Fünftel der Wohnungen sind als Sozialwohnungen vorgesehen.

Die perfekte CO2-Gesamt-Ökobilanz gibt es an der Hangweide nicht – auch wenn später mit Wärmepumpe und Solarstrom geheizt wird. Die bestehenden, aus den Fünfzigerjahren stammenden Gebäude einer Behinderteneinrichtung auf dem Gelände mussten abgerissen werden. „Die Bausubstanz war prekär und sehr auf die ursprüngliche Heimnutzung ausgerichtet“, sagt IBA-Intendant Andreas Hofer. Im Rahmen eines Pilotprojekt zur Kreislaufwirtschaft habe man festgestellt, dass es für die Weiterverwendung kein Potenzial gab. Im Baumaterial seien zudem Schadstoffe gewesen, heißt es bei der Gemeinde Kernen.

Mit Holz kann man schneller bauen

Holz findet sich prominent an den Außenwänden, wo Bretter aus Fichten- und Tannenholz dominieren. Sie sind mit einem grauen Anstrich versehen, der vor Verwitterung schützt und gleichzeitig die Altersspuren weniger auffällig macht. Eine Holzkonstruktion erlaubt im Vergleich zum Massivbau dünnere und leichtere Wände, die dennoch die gleiche Isolierwirkung haben.

Das Holz stammt aus nachhaltig bewirtschafteten Wäldern vor allem aus der Region, teilweise auch aus dem übrigen Deutschland. Auch wenn man den Holzbau deutlich ausweite, müsse man keine Angst um den Nachschub haben, sagt IBA-Intendant Andreas Hofer. „Wir haben genügend Holz – vor allem wenn wir darauf verzichten, es als Brennstoff zu benutzen.“

Sehr flexible Vorfertigung möglich

Als Baustoff hat Holz einen weiteren Vorteil: Es macht im Vergleich zu Betonteilen eine sehr flexible Vorfertigung möglich. Das Werk von Züblin steht in Aichach bei Augsburg. Dort produzieren 300 Mitarbeiter Holz-Bauelemente für die unterschiedlichsten Bauprojekte. Holz wird deshalb in den kommenden Jahren eine Schlüsselrolle bei der Modernisierung der Bauindustrie spielen – mindestens so sehr wie Hightech-Projekte rund um den Beton, etwa die Herstellung von Gebäuden aus dem 3-D-Drucker, wie dies Züblin jüngst in Stuttgart-Vaihingen bei einem Lagergebäude demonstriert hat. „Holz als einfach zu verarbeitender Werkstoff könnte die Brücke zum industriellen Bauen sein – aktuell recht einfach in der Fassade“, sagt IBA-Intendant Hofer. Der technologische Fortschritt sei hier rasant: „Hier kumulieren verschiedenste Entwicklungen, von der Digitalisierung bis hin zu computergesteuerten Fräsmaschinen.“

Bauvorschriften haben noch Stein und Beton im Blick

Es ist dabei weniger der Baustoff, der Grenzen setzt. Der aktuell etwa dreimal höhere Materialpreis von Holz im Vergleich zum Beton gleicht sich durch rationelleres, und schnelleres Bauen schon heute oft aus. Das Problem sind vielmehr Bauvorschriften, die immer noch Stein und Beton im Blick hatten. „Ohne zusätzliche Dämmung können sie mit Holz nicht die Normen für den Schallschutz erfüllen“, sagt Pfeffer. Wenn die Vorschriften nur ein wenig angepasst würden, wäre Holz auch an anderen Stellen wirtschaftlich. „Es dürfen nur 25 Prozent der Grundfläche des Raumes an der Wand als Holzfläche sichtbar sein“, sagt der Züblin-Holzexperte. Das sei doch absurd, meint IBA-Intendant Hofer: „Warum es im einen Teil des Zimmers brennen darf und nicht im anderen, erschließt sich mir nicht.“ Pfeffer und Hofer würden sich mehr Mut seitens der Behörden wünschen und weniger einschränkende Baubestimmungen

Holz als Leitmotiv der IBA

Die Hangweide ist eines aus einer ganzen Reihe von IBA-Projekten, wo Holz zum Zug kommt. Sogar ein ganz aus Holz errichtetes Parkhaus in Wendlingen ist dabei. Wie groß die Spielräume sind, wenn nicht Investoren das Sagen haben, zeigt das Bürogebäude „Zero“ in Stuttgart-Möhringen. Hier werden die Projektsteuerer der Sindelfinger CPM GmbH und die Stuttgarter Architekten von Riehle Koeth mit weiteren Mietern selber einziehen. Sie haben ausgereizt, was im Holzbau aktuell möglich ist – und zäh um die nötigen Genehmigungen gekämpft.

Schneller Aufbau – fast wie bei Lego

Fichten- und Tannenholz im grauen Farbton des Schutzanstriches prägt hier wie auf der Hangweide die Fassade. Doch auch drinnen ist alles außer dem Fluchttreppenhaus aus Holz – inklusive Decken. Die 286 Fassadenelemente brauchten von der Anlieferung bis zum Verbauen im Durchschnitt fünfzehn Minuten. „Wie Lego“, sagte Architekt Hannes Riehle bei einer aktuellen Führung für Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und Bauministerin Nicole Razavi (CDU). Der Hochbau aus Holz war in drei Monaten durchgezogen – der Betonbau inklusive Tiefgarage brauchte hingegen ein halbes Jahr.

Beide Landespolitiker versprachen, solche Prototypen zur Norm zu machen. „Wir haben in der neuen Landesbauordnung genau solche Typgenehmigungen vorgesehen“, sagte Razavi. Auch beim Brandschutz etwa habe man die besonderen Bedingungen des Holzbaus nun besser im Blick. Kretschmann sprach von einem nötigen Mentalitätswandel, um Holz eine Chance zu geben: „Wir müssen weg von einer Kultur, in der Risikovermeidung das oberste Gebot ist.“

Was spricht für Holzbau?

Klimabilanz
 Aktuelle Holzbauten sparen nach Angaben der IBA’27 etwa in Fünftel der der CO2-Emissionen im Vergleich zu Massivbauten ein. Dabei ist berücksichtigt, dass immer auch noch Gebäudeteile aus anderen Baustoffen nötig bleiben. Zudem wird im Holz selbst CO2 gebunden.

Flexibilität
 Dank neuer Verarbeitungstechnologien eignet sich Holz gut für Fertigbaukomponenten, die zudem einen hohen Gestaltungsspielraum haben.