Direkt neben dem Kraftwerk Münster ist ein neues Umspannwerk mit großen Transformatoren entstanden. Foto: Lichtgut/Christoph Schmidt

Bis ins Jahr 2028 verdoppelt die Stuttgart Netze GmbH die jährlichen Kosten für die Modernisierung auf bis zu 120 Millionen Euro. Wo liegen die Herausforderungen in dem 5600 Kilometer langen Leitungsnetz?

Die Stadt Stuttgart hat sich zum Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2035 klimaneutral zu werden. Doch das „kann nur funktionieren, wenn die nötige Infrastruktur vorhanden ist“, weiß Moritz Oehl, der Pressesprecher der Stuttgart Netze. Entsprechend groß sind die Anforderungen an das städtischen Tochterunternehmen, das Stromnetz auf die damit verbundenen gestiegenen Ansprüche für die Energiewende vorzubereiten. „Wir werden die Bautätigkeit in den kommenden fünf Jahren verdoppeln.“ Das geht nicht ohne Beeinträchtigungen.

 

Bautätigkeit wird in den kommenden Jahren deutlich steigen

Insgesamt 5600 Kilometer lang ist das Stromnetz in Stuttgart. Dieses umfasst 200 Kilometer Hoch-, 1500 Kilometer Mittel- und 3900 Kilometer Niederspannungsleitungen, die beim Endverbraucher ankommen. Bis 2035 sollen alle Leitungen nun für die Zukunft vorbereitet werden. Ein ehrgeiziges Ziel, nicht nur personell, sondern auch finanziell. „Die jährlichen Investitionskosten werden daher bis ins Jahr 2028 nahezu verdoppelt“, betont Oehl, von derzeit rund 70 auf 120 Millionen Euro. Die nötigen Mittel stammen aus Rücklagen sowie von den Anteilseignern. Als Vergleich: Zu den Anfangszeiten der Stuttgart Netze lagen diese noch bei 20 bis 30 Millionen Euro. Bereits jetzt werden rund 160 Kilometer neue Leitungen pro Jahr verlegt. „Das reicht von wenigen Metern bis hin zu kilometerlangen neuen Leitungen“, so der Pressesprecher. Das gehe nicht ohne Auswirkungen auf den Verkehr. „Das lässt sich leider nicht vermeiden“, sagt Oehl.

Gestiegener Strombedarf durch klimaneutrale Wärmeversorgung

Die umfangreichen Veränderungen sind vor allem dem gestiegenen Energiebedarf in den Bereichen Strom und Wärme, aber auch Verkehr geschuldet. Vor allem die klimaneutrale Wärmeversorgung spielt eine große Rolle. Fernwärme, aber auch Wärmepumpen oder Photovoltaikanlagen haben einen höheren Strombedarf. Für einen höheren Verbrauch trägt auch die zunehmende Elektrifizierung des Verkehrs bei. Nicht nur größere Verkehrsbetriebe, sondern auch die gestiegene Zahl der Privathaushalte mit E-Fahrzeugen müssen versorgt werden.

Vor allem die Modernisierung an den insgesamt 26 Umspannwerken in Stuttgart gestaltet „sich oftmals schwierig“, erklärt Paul Schwan, der für die Hochspannungsleitungen zuständige Teamleiter. Zumal diese immer unter laufendem Betrieb erfolgen muss. Nicht weniger als 75 Prozent der Anlagen müssen zumindest in Teilen saniert, manche sogar komplett neu gebaut werden. So wie direkt neben dem Kraftwerk in Münster. Über mehrere Jahre hat der Neubau gedauert, der auch noch einmal dem geplanten Switch des Kraftwerks von fossilen Brennstoffen auf Gas angepasst werden musste.

Umspannwerk gleicht „überdimensionaler Mehrfachsteckdose“

In dem mehrstöckigen Neubau wird die Stromstärke von 110 000 Volt aus den Hochspannungsleitungen auf 10 000 Volt umgewandelt. Die bis zu 15 Zentimeter dicken Kabel werden dafür durch eine rund 25 Meter lange Anlage bestehend aus zahlreichen aneinandergereihten sogenannte Hochspannungsfelder geführt. Die gusseiserne Anlage mutet dabei wie eine überdimensionale Mehrfachsteckdose an – „nur eben mit sehr viel mehr Leistung“, scherzt Schwan. Hingegen einem großen Rechenzentrum mit zahlreichen Schaltschränken ähnelt die Verteileranlage für die 10 000-Volt-Spannung. Penibel sind die einzelnen Ziele aufgelistet: In Münster sind so unter anderem konkrete Ziele wie das „Menschaffenhaus der Wilhelma“, das „Hauptklärwerk Münster“ oder einfach nur ein Firmenname als Stellvertreter für eine Gewerbegebiet wie der „Preisfux“ zu lesen. Denn von dort wird der Strom an die rund 1000 Trafohäuschen weitergeleitet, die über das gesamte Stadtgebiet verteilt sind. Dort findet der letzte Schritt der Umwandlung von Starkstrom auf 400 Volt statt, die dann an die einzelnen Haushalte fließen.

Das Stuttgarter Leitungsnetz gleiche einem „großen Spinnennetz. Wenn man auf der einen Seite etwas zieht, muss man auf der anderen Seite nacharbeiten“, zieht Schwan einen bildhaften Vergleich – bis zum Jahr 2035 muss somit noch viel geknüpft werden.

Stuttgart Netze

Historie
Im Jahr 2014 gegründet, übernimmt die Stuttgart Netze GmbH im Jahr 2016 den Betrieb des Stromnetzes in der Landeshauptstadt. Ab 2019 ändern sich dann auch die Mehrheitsanteile. Seitdem sind 75 Prozent des Netzes in der Hand des Tochterunternehmens der Stuttgarter Stadtwerke, 25 Prozent weiter im Besitz des Vorgängers, der Netze BW, also des Landes.

Aufgaben
Die Stuttgart Netze ist für den Betrieb und Modernisierung des 5600 Kilometer langen Strom- sowie des 2100 Kilometer langen Gasnetzes verantwortlich, zudem für die Wartung der öffentlichen Straßenbeleuchtung mit immerhin 74 000 Leuchten an Straßen und Gehwegen.

Standort
2024 wurde der neue Hauptsitz in der Kesselstraße 23 im Stadtteil Wangen für die rund 600 Mitarbeiter bezogen. Im integrierten Energie-Campus können Interessierte erfahren, was in den Bereichen Nachhaltigkeit, Digitalisierung und Energiewende möglich ist.