Auf der Bühne spielt Herbie Hancock, eine lebende Legende. Im Publikum lauscht verzückt ein weiterer Weltstar: Gregory Porter. Jazz Open sind, wenn sich Musikgrößen begegnen.
Im Alten Schloss zieht bei den Jazz Open kurz vor dem Auftritt der 85-jährigen Jazz-Legende Herbie Hancock ein hoch gewachsener und kräftig gebauter Mann mit Ballonmütze die Blicke auf sich. Ja genau, er wird sofort erkannt – es ist Gregory Porter!
Der 53-Jährige hat über den normalen Eingang den Schlosshof betreten, um sich mit seiner Frau Victoria Porter ins Publikum einzureihen. Der US-Amerikaner, den seine Fans weltweit nur mit Kopfbedeckung kennen, steht erst am Sonntag auf dem Bühnenprogramm – doch er ist schon am Abend davor gekommen.
Mehr als ein Festival
Die Jazz Open in Stuttgart sind mehr als ein Festival – sie sind ein magischer Treffpunkt für die Größen der internationalen Musikszene. Weltstar trifft Weltstar. Das Festival macht es möglich. Promotor Jürgen Schlensog wird gleich Herbie Hancock auf der Bühne ansagen. Schon nimmt er Gregory Porter mit Backstage. Kurz danach steht der Mann mit der Mütze aber schon wieder als Zuhörer auf der Empore des Alten Schlosses, in großer Freude, dass er den 85-Jährigen live erleben kann.
Dass Porter beim Auftritt von Hancock im Publikum sitzt (aber nein, er steht die meiste Zeit), ist mehr als nur eine nette Anekdote – es beweist die Strahlkraft des Stuttgarter Festivals. Hier kommen Künstlerinnen und Künstler aus verschiedenen Generationen und Stilrichtungen zusammen. Das Alte Schloss und von Montag an der Schlossplatz sind Orte, an dem die großen Stimmen der Musik nicht nur auftreten, sondern sich auch persönlich treffen.
„Das Stuttgarter Publikum ist ein ganz besonderes Publikum“, sagt Gregory Porter unserer Redaktion im Alten Schloss, „man merkt, dass dieses Publikum etwas von Musik versteht.“ Mit seiner warmen, tiefgründigen Baritonstimme, die direkt ins Herz trifft, berührt der Kalifornier weit über die Jazz-Grenzen hinaus. Auftritte bei den Jazz Open zählen zu seinen Lieblingsauftritten. Das Ambiente des Alten Schlosses ist für Amerikaner, die Schlösser aus Disney World kennen, immer etwas Besonderes.
Warum Gregory Porter seine Mütze trägt
Ob ihm die Mütze im Sommer nicht zu heiß ist? „Aber nein, ich trage sie in allen Jahreszeiten“, antwortet Porter. Die Mütze ist sein Markenzeichen, hat aber auch einen persönlichen Hintergrund. Der US-Amerikaner litt in seiner Jugend unter Hautproblemen nach einer Operation. Die ballonartige Kopfbedeckung mit dem Schlauchschal um die Ohren wurde zum Schutzschild, ist nun aber fester Bestandteil seiner öffentlichen Auftritte, auch wenn er sich im Publikum befindet, nicht auf Bühne steht.
An diesem Abend aber geht es um Herbie Hancock. Der zweite Weltstar im Publikum, eben Gregory Porter, ist selbst „nur“ ein Fan. Er begegnet seinen Fans ganz ohne Starallüren. Der Mützenmann lässt sich nach Belieben fotografieren, spricht sehr freundlich mit jedem, der ihn etwas fragt.
„Herbie Hancock ist mein Jahrgang“, sagt Gisela Scharr
„Herbie Hancock ist mein Jahrgang“, sagt Gisela Scharr, die Trägerin der Bürgermedaille der Stadt Stuttgart, die im ersten Stock des Alten Schlosses sitzt. Der Jazzpianist sieht viel jünger aus als er ist – aber auch die Kulturförderin, die zum Gedanken an ihren verstorbenen Mann die Otto-F.-Scharr-Stiftung gegründet hat. Wie man so jung bleibt? „Mit Musik“, sagt die Mutter des heutigen Chefs des Energieunternehmens Scharr, „aber auch mit der richtigen Ernährung.“
Musik hält jung. Musik verbindet Menschen über alle Altersgrenzen hinweg. Bei den Jazz Open kann man diesen Jungbrunnen noch eine Woche lang erleben – bestimmt mit weiteren Überraschungen.