Das Esslinger Unternehmen Festo ist ein Global Player – und vielen Menschen im Landkreis ein Begriff, obwohl die Produkte ihnen nicht im Alltag begegnen. Nun feiert es 100-Jähriges.
Als praktisch im engeren Sinne kann der Jubiläumscoup von Festo nicht bezeichnet werden. Die „Incredible Machine“, die das Esslinger Unternehmen im Frühjahr auf der Hannover Messe vorgestellt hat, stellt kein Produkt her. Vielmehr soll sie den Beobachtern Vergnügen bereiten. Mit solchen Erfindungen macht der Automatisierungsspezialist gerne ein breites Publikum auf sich aufmerksam.
Denn im Alltag begegnet man den Produkten des Global Players mit Esslinger Wurzeln nur indirekt. „Wir machen keine Konsumentenprodukte, Sie werden uns nicht im Baumarkt finden“, sagt Festo-Vorstandsvorsitzender Thomas Böck. Doch vieles, was Konsumentinnen und Konsumenten täglich benutzen, zum Beispiel einen Kugelschreiber oder auch das Smartphone, sei mit Hilfe von Festo-Automatisierung kostengünstiger hergestellt worden. In diesem Jahr feiert Festo, einer der größten Arbeitgeber im Kreis Esslingen, 100-jähriges Bestehen.
Angefangen hat alles im April 1925 mit der Herstellung von Maschinen für die Holzbearbeitung. Mit der ZUM – der Zimmerei-Universal-Maschine, die erste Eigenkonstruktion des Unternehmens Fezer & Stoll – hatte der Betrieb dann im November 1926 sein erstes Patent. Die Maschine, die bereits unter dem Markennamen Festo – eine Wortschöpfung aus den ersten Buchstaben der Namen Fezer und Stoll – verkauft wurde, konnte durch den Einsatz unterschiedlicher Erweiterungen für zahlreiche Anwendungen genutzt werden, wie etwa zum Bohren, Fräsen, Sägen und Schleifen.
Festo steht für fliegende Roboterlibellen und Co.
Firmengründer Gottlieb Stoll habe von Beginn an die Prinzipien der Rationalisierung im Unternehmen verfolgt, um sowohl die Arbeitsabläufe im eigenen Betrieb als auch bei seinen Kunden zu optimieren, schreibt das Unternehmen in seiner Online-Chronik zum Jubiläum. Als der Platz in einer Werkstatt in der Olgastraße zu klein wurde, ließ er einen Neubau in der Ulmer Straße errichten, der 1939 bezogen wurde.
An Fahrt nahm das Wachstum mit dem Einstieg der zweiten Generation der Gründerfamilie auf. Kurt Stoll begegnete 1950 auf einer Handelsmesse in Chicago der Pneumatik und brachte seine neuen Erkenntnisse im väterlichen Unternehmen ein, das daraufhin Pneumatikzylinder herstellte und einen eigenen Geschäftsbereich gründete. In den 1950ern begann auch die Internationalisierung des Unternehmens mit ersten Dependancen im Ausland, die Kurt Stolls jüngerer Bruder Wilfried maßgeblich vorantrieb. 1962 startete der Bau des Standorts in Berkheim, wo sich bis heute die Firmenzentrale befindet.
Seit den 1990er-Jahren lernt Festo auch von der Natur und überraschte in den vergangenen Jahren auf der Industrieschau Hannover Messer immer wieder mit öffentlichkeitswirksamen Erfindungen – beispielsweise einer künstlichen Libelle, die 2013 unter anderem von der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin bestaunt wurde.
Eingang in den Markt gefunden haben der fliegende Tierroboter und andere sensationelle Maschinen aber bislang nicht. „Was uns antreibt dabei, ist das Lernen von der Natur“, sagt Festo-Chef Böck. Ziel sei nicht, eins zu eins Entwicklungen wie die Libelle zum Produkt zu machen. Es gehe vielmehr um die Frage, wie Mechanik anders dargestellt werden könne. Beispielsweise gebe es mittlerweile Greifer in der automatisierten Industrieproduktion, die der Zunge eines Geckos nachempfunden seien.
Der Einfluss der Gründerfamilie Stoll im Unternehmen Festo
Die Gründerfamilie Stoll ist mittlerweile weniger präsent im täglichen Betrieb als einst. Ende 2003 hat Wilfried Stoll den Vorstandsposten der Geschäftsführung an das erste Nichtfamilienmitglied abgegeben, Eberhard Veit. Es folgten weitere Vorsitzende, zuletzt Anfang 2024 Thomas Böck. Ein Familienunternehmen sei Festo, das eigenen Angaben zufolge 20 600 Mitarbeitende weltweit beschäftigt, dennoch. „Ziemlich am Anfang meiner Zeit hier bin ich mit Mitgliedern der Gesellschafterfamilie durch die Kantine gelaufen. Sie haben wirklich jeden begrüßt und immer in strahlende Gesichter geblickt“, erzählt Böck. Und bis heute spielen offenbar die Ansichten der Stolls eine Rolle – etwa wenn es um den Beitrag der Belegschaft zum Erfolg des Unternehmens geht. „Seit den Anfängen haben die Menschen bei Festo den entscheidenden Unterschied gemacht. ‚Festo ist das Werk vieler Hände’, dieser Satz unseres Firmengründers Gottlieb Stoll gilt bis heute“, sagt Böck in einem Interview auf der Firmenwebseite.
Bei der Belegschaft bedankte sich Festo in diesem Jahr unter anderem mit einem rauschenden Fest in Berkheim, auf dem die bekannte Band Culcha Candela auftrat und die Festo-Heißluftballons aufstiegen – auch das ein viel beachtetes Spektakel.
Die Geschichte des Unternehmens Festo
Gründer und Familie
Neben Gottlieb Stoll ist Albert Fezer einer der Väter des Unternehmens. Fezer stieg aber nach wenigen Jahren aus, wonach Stoll mit Unterstützung seiner Frau Berta Festo weiterentwickelte. Ihre Söhne stiegen in den 1950ern in den Betrieb ein. Der Ingenieur Kurt Stoll war für den technischen Bereich verantwortlich und Kaufmann Wilfried Stoll für den betriebswirtschaftlichen. Für ihr Werk wurden die Brüder mit der Wirtschaftsmedaille des Landes ausgezeichnet. Ihre jüngere Schwester Gerda Maier-Stoll wurde im Zuge einer Realteilung im Jahr 2000 Eigentümerin der Marke Festool.
Festo im Dritten Reich
Nach Unternehmensangaben war Festo auch in der Zeit des Nationalsozialismus tätig – zwar nicht als Rüstungsbetrieb im engeren Sinne, aber während des Zweiten Weltkriegs seien auch Holzbearbeitungsmaschinen für die Wehrmacht produziert worden. Im Jahr 1943 habe Festo 15 Zwangsarbeiter in Esslingen beschäftigt. „Im Rahmen unserer unternehmerischen Verantwortung werden wir die Unternehmensgeschichte weiter aufarbeiten“, teilt das Unternehmen mit.