Der ursprüngliche Titelanwärter reagiert auf seine finanziellen Probleme. Was dies für die Tabelle bedeutet, was der Vereinschef sagt und wie es für die Spieler weitergeht. Vor allem einer von ihnen gilt als heiße Transfermarkt-Aktie.
Die Anzeichen hatten sich bereits in der vergangenen Woche verdichtet, nun ist es fix: Der JC Donzdorf, Halbzeitmeister der Fußball-Landesliga-Staffel 2, zieht seine Mannschaft mit sofortiger Wirkung aus dem Spielbetrieb zurück. „Wir sind zahlungsunfähig. Dies und die daraus entstandene Perspektivlosigkeit haben uns keine andere Entscheidung mehr gelassen“, sagt der Vereinschef Serkan Kesmez. Alle bereits ausgetragenen Saisonspiele des vormaligen Titelfavoriten fallen damit aus der Wertung – mit entsprechenden Auswirkungen auf die Tabelle. In dieser ergibt sich ein neues Bild.
Während an der Spitze der seit Samstag neue Erste TSV Weilimdorf seinen vermeintlich schärfsten Rivalen um den Aufstieg kampflos los ist, werden auch im Keller des Klassements die Karten anders gemischt. Mit der automatischen Zurückstufung der Donzdorfer auf den letzten Platz ist klar, dass es einen sportlichen Absteiger weniger geben wird. Konkret: mit hoher Wahrscheinlichkeit nur noch zwei. Und da eben zwei Mannschaften, der TV Darmsheim und der SV Rohrau, bereits weit abgeschlagen sind, gilt es praktisch wohl allein noch den Relegationsteilnehmer zu ermitteln. Frohe Kunde dabei für den TSV Bernhausen: Sein Polster zum relevanten 13. Rang beträgt infolge der Verschiebungen nun bereits acht Punkte.
Zugleich Verlierer des Donzdorf-Aus sind jene fünf Teams, die in ihren Spielen gegen die Lautertalstädter gepunktet hatten. Dem SC Geislingen (5:2), dem MTV Stuttgart, der SG Bettringen, dem TSV Bad Boll (jeweils 1:1) sowie dem VfL Sindelfingen (0:0) werden diese Zähler für die bereinigte Tabelle wieder abgezogen.
Für die Donzdorfer selbst endet eine rasante Fahrt der jüngeren Vergangenheit mit Totalschaden. Vor sechs Jahren hat der türkischstämmige Club noch in der Kreisliga B gespielt, ehe auch dank finanzieller Anstrengungen der steile Aufstieg begann. Mitunter hatten Kesmez und die Seinen einen Kader beisammen, der als „Who is who“ der regionalen Kickerszene durchgehen konnte. Schnell haftete ihnen der Ruf des mit Geldscheinen wedelnden Emporkömmlings und jeweiligen Ligakrösus an.
Der jetzige Crash kam mit dem unerwarteten Wegbrechen „mehrerer Geldgeber“, wie Kesmez sagt. Schon während der Hinrunde soll der Verein mit Spielergehältern im Rückstand geblieben sein. Aktuell spitzte sich die Situation zu, unter anderem mit dem Rücktritt des Trainers Tobias Flitsch. Dessen Begründung: „Es fehlt an allen Ecken und Enden.“ Mannschaft hatte er da schon keine mehr. In der Winterpause waren sieben Spieler ausgestiegen, weitere hatten den Trainingsbetrieb eingestellt.
Ob sich der Verein komplett auflöst oder es noch irgendeine Zukunft gibt, ist laut Kesmez ungewiss. „Da kann ich noch keine Aussage machen. Es bleibt einiges zu klären“, sagt er nach einem Termin am Freitag beim Insolvenzverwalter. Nur so viel: „Es tut uns für alle leid: für die Jungs, die bei uns gekickt haben, für die Vereinsgründer, für den Verband, für die Community.“ Theoretisch könnten die Donzdorfer in der nächsten Saison dann eine Spielklasse tiefer, in der Bezirksliga Neckar/Fils, wieder mitmachen. Insider gehen jedoch nicht davon aus, dass es so kommen wird. Als wahrscheinlicher gilt auch in dieser Hinsicht ein Wandeln auf den Spuren von NAFI Stuttgart.
Die damaligen Wahl-Zuffenhausener sind der bislang letzte Verein, der in der Staffel den Laden dicht machen musste, in ihrem Fall anno 2019. Auch sie waren damals als Senkrechtstarter mit großen Ambitionen unterwegs. Auch bei ihnen war dann irgendwann Ebbe im Geldbeutel. Und auch sie gibt es seitdem überhaupt nicht mehr.
Wie geht es für die Spieler weiter?
Bleibt die Frage, was mit den bisherigen Donzdorfer Spielern passiert? Laut Verband greift für jene eine Sonderregelung: Obwohl inzwischen zeitlich außerhalb der offiziellen Wechselfrist, können sie sich neue Vereine suchen – und wären direkt spielberechtigt. Voraussetzung bei Vertragsspielern: Der JC Donzdorf und sie haben zuvor ihren bestehenden Kontrakt aufgelöst.
Darf man Kesmez glauben, wird es daran nicht scheitern. „Wir werden auf keinen Fall jemandem Steine in den Weg legen“, kündigt er an. Die Marktschau kann also beginnen. Sofern die meisten nicht eh schon potenzielle neue Anlaufstellen ausgelotet haben. Prominenteste Akteure im Kader waren zuletzt die Ex-Kickers-Profis Mijo Tunjic und Royal-Dominique Fennell. Die mit heißeste nun Transfermarkt-Aktie dürfte indes der Youngster Mert Özdemir sein. Er wurde in einer Umfrage unserer Zeitung zum zweitbesten Hinrunden-Spieler der Liga gewählt.