Torschützen des Tages: der Büsnauer Nahuel Cascia Rica und der Musberger Manuel Rath (von links). Foto: Archiv/Günter Bergmann

Außerdem vom zehnten Spieltag: Nachspielzeit-Frust bei Croatia Stuttgart und ASV Botnang, ein Bonlandener Unglücksrabe und eine Mannschaft mit Feldspieler im Tor.

Wie hatte es Deutschlands erster Weltmeister-Trainer Sepp Herberger einst formuliert? „Der Ball ist rund, und ein Spiel dauert 90 Minuten.“ Zwei Weisheiten aus dem Plattitüden-Baukasten, von denen immerhin eine auch heute noch gilt – mit der zweiten wird es dünner. Wäre an diesem Sonntag tatsächlich nach 90 Spielminuten Schluss gewesen, hätte die Fußball-Bezirksliga Stuttgart/Böblingen einen vergleichsweise unaufgeregten zehnten Spieltag erlebt. So aber? Höchstwerte auf den Blutdruck-Messgeräten. Während der Überraschungszweite TSV Jahn Büsnau und der TSV Musberg Auf-den-letzten-Drücker-Torschützen feierten, die beide quasi aus dem Krankenbett auf den Rasen stürmten, mussten der ASV Botnang und Croatia Stuttgart späte Wirkungstreffer hinnehmen. Die Kroaten kostete dies den bereits greifbar nahen Heimcoup gegen den Tabellenführer.

 

Croatia Stuttgart – TV Darmsheim

Ach, hätte der gute, alte Herberger, Gott hab’ ihn selig, doch überhaupt immer noch recht. Zumindest Niki Oroz, der Trainer von Croatia Stuttgart, mag so gedacht haben. Am Ende hatten er und die Seinen jedenfalls nur noch einen Wunsch. Lauter und lauter wurden die Forderungen in Richtung Schiedsrichter: abpfeifen! War dessen Uhr stehen geblieben? Dann, in der bereits achten Minute der Nachspielzeit, passierte das Befürchtete doch noch: letzte Spielszene der Begegnung, Strafraumgetümmel, und plötzlich lag der Ball im Tor. Nur 1:1 also statt 1:0. Ein Achtungserfolg auch so, keine Frage – aber eben nicht der lange vor Augen gehabte große Favoritensturz.

„Hätte mir vor dem Spiel jemand gesagt, dass wir gegen den Spitzenreiter einen Punkt holen, hätte ich das sofort unterschrieben“, sagt Oroz, „jetzt aber fühlt es sich wie eine Niederlage an.“ Wenn auch wie eine der ermutigenden Art. Allemal mitnehmen können die Kroaten aus dem Kräftemessen mit dem TV Darmsheim, dass die eigene Formkurve weiter nach oben geht. Unter Oroz bleibt die Mannschaft auch nach nun drei Auftritten unbesiegt. Der Plan, es dem Gegner mit einer kompakten Verteidigung schwer zu machen, ging auf. Der Gäste-Torjäger Simon Lindner, klar Führender der Liga-Schützenliste, hatte bei allen seinen bisherigen acht Saisoneinsätzen getroffen – nun zum ersten Mal nicht. Auch, weil der Croatia-Keeper Mirko Perkovic einen Toptag erwischte. Und auch, weil Mihael Stajduhar in der Abwehrzentrale nach seiner Knieoperation ein gutes Comeback feierte.

Vorne nährte zudem Gabrijel Kolar mit seinem Führungstor die Erfolgshoffnungen. „Dann jedoch“, sagt Oroz, „haben wir leider den Sack nicht zugemacht.“ Und dann folgte bei der Heimpremiere auf dem neuen Kunstrasen am Frauenkopf die letztlich ernüchternde Gewissheit, dass ein Spiel statt 90 halt auch mal 98 Minuten dauern kann.

TSV Jahn Büsnau – ASV Botnang

Doch befanden sich Oroz und die Seinen damit in guter Gesellschaft. Auch den ASV Botnang ereilte der Nachspielzeit-Frust. Oder, andersherum betrachtet: Der TSV Jahn Büsnau schwelgte im Nachspielzeit-Hurra. Im Aufsteigerduell waren die Beteiligten bereits fünf Minuten drüber, als ein eigentlicher Patient zum Mann des Tages avancierte. Angeschlagen hatte Büsnaus Nahuel Cascia Rica diesmal nur auf der Bank Platz genommen, ehe ihn sein Trainer doch noch auf den Rasen schickte. Der Youngster aus Argentinien kam, sah und traf. Ein Volleyschuss, flach links unten schlug die Kugel ein – womit der erstaunliche Erfolgslauf der Kicker vom Adolf-Engster-Weg weitergeht. Endstand: 3:2. In der Tabelle grüßt der Außenseiter vom zweiten Platz.

„Wir wissen mittlerweile, dass wir uns in der Liga vor niemand verstecken müssen“, sagt der Kapitän Sebastian Lenhardt, erteilt aber forscheren Tönen nach wie vor eine Absage. Die Grundhaltung bleibe gleich: „Demütig sein, Bodenhaftung wahren, Hausaufgaben erledigen.“ Lenhardt selbst hatte zuvor mit einen an ihm verursachten und von ihm verwandelten Strafstoß den Büsnauer Schlussspurt eingeläutet. Einer, der aus Sicht des Botnanger Trainers Alexander Schweizer auch deshalb Erfolg hatte, „weil uns demgegenüber die Luft ausgegangen ist“. 2:1 hatte seine Elf nach einem Toredoppelschlag geführt. Ein von Ari Ilhan erzwungenes Eigentor sowie ebenfalls ein Elfmeter. Zuletzt aber machte sich bemerkbar, dass den Gästen gleich sieben Stammspieler fehlten. Alle verletzt oder im Urlaub. „Statt am Ende den Ball über den Fangzaun zu dreschen, haben wir es mit Klein-klein versucht“, moniert Schweizer. Während der Gegner in einer zunehmend hitzigen Atmosphäre Freudentänze aufführte, spricht der Coach von der „bisher größten Enttäuschung der Saison“. Fazit: Diese Niederlage tut wegen der Umstände sehr weh.“

TSV Musberg – VfL Herrenberg

Büsnaus Matchwinner Cascia Rica erhielt indes einen Nachahmer. Ähnliche Geschichte beim TSV Musberg: Auch dort kam der final Umjubelte aus dem Krankenstand. Auch dort hatte ihn sein Trainer deshalb zunächst pausieren lassen. Und auch dort machte er ihn schließlich zum Joker, der kurz vor Ultimo stach. Der Name im Musberger Fall: Manuel Rath. Obgleich nach einem fiebrigen Infekt noch auf etwas wackligen Beinen unterwegs, stellte dieser unter Beweis, dass der Torriecher nicht gelitten hat. Am Turnerweg Minute 93: Rath knipste in bester Rath-Manier nach Vorarbeit von Ruben Pinheiro Martins immerhin noch zum 2:2 gegen den VfL Herrenberg. Nach zuvor vier Niederlagen in Serie hat der Filderclub seinen Abwärtstrend somit gestoppt.

Entsprechend milde fällt diesmal das Urteil von Christopher Eisenhardt aus. „Die ersten 20 und die letzten 15 Minuten machen wieder Hoffnung und Lust auf mehr. Am Ende waren Leben und Glauben drin“, sagt der Trainer, der seinem Team vor Wochenfrist noch eine blutleere Auftrittsweise bescheinigt hatte. Die Phase zwischendurch, in der die eigene Elf dann auch diesmal „komplett den Faden verlor“? Nun denn. Aktuell erwischte es nur einen mit Kritik. Nach Gelb-Rot für Franc Cagalj wegen Meckerns mussten die Musberger zuletzt in Unterzahl anrennen. „Ärgerlich. Darauf bin ich natürlich nicht gut zu sprechen“, sagt Eisenhardt.

SV Bonlanden – Spvgg Holzgerlingen

Es war dies einer von zwei Platzverweisen des Spieltags. Der andere, ebenfalls mit Ampelkarte, traf Dawid Lebkuchen – der nicht nur deshalb als Wochenend-Unglücksrabe in die Statistik eingehen darf. Scheunentorweit hatte sich für den Akteur des SV Bonlanden die Chance aufgetan, sich zu einem weiteren Last-Minute-Helden dieses Nicht-nur-90-Minuten-Tags zu küren. Als ihm der gegnerische Torhüter den Ball vor die Füße klatschte, jagte er diesen jedoch meterhoch übers Ziel. Damit nicht genug: dann wie gesagt auch noch ein zweites Mal Gelb.

Für die Bonlandener war damit die große Siegmöglichkeit dahin. Im Duell der beiden ursprünglichen Aufstiegsfavoriten mit der Spvgg Holzgerlingen lautete auch ihr Ergebnis 2:2. Freilich: alles in allem gerecht. „Hart, umkämpft, chancenreich: Es war dank beider Teams ein hochklassiges Spiel“, konstatiert der Gastgeber-Trainer Carmine Napolitano. Arbnor Krasniqi nach feinem Dribbling sowie Ricardo Pinto Lino mit einem sehenswerten Außenrist-Schlenzer machten für die Seinen zweimal einen Rückstand wett. Die Sorge: eben Krasniqi knickte später um. „Eine tennisballgroße Schwellung am Knöchel“, berichtet Napolitano und ächzt mit Blick auf seinen Youngster: „Gerade er war super drauf.“ Eine Diagnose steht noch aus.

SV Deckenpfronn – Spvgg Cannstatt

Gleiches gilt bei einem Trio der Spvgg Cannstatt. Deren Trainer Damian Nagler muss gar gleich drei weitere Neueinträge auf der Verletztenliste vermelden: Kijan Krijestorac, Robin Jordan, Benjamin Gaycken – alle drei gingen humpelnd vom Platz. In der Summe war es hiernach für Nagler vollends ein gebrauchter Nachmittag. Denn auch Leistung und Resultat seiner Elf trugen nicht zur Stimmungsaufhellung bei. Das 1:2 beim SV Deckenpfronn bedeutete für die Neckarstädter die dritte Auswärtsniederlage in Serie. Klar, auch bei jeweils schweren Aufgaben. Das aktuell vor allem Ärgerliche aber aus Naglers Sicht: „Der Gegner hat mehr in die Waagschlage geworfen als wir. Die wollten unbedingt.“ Das eine Team passte sich den Rahmenbedingungen an – es rannte, rackerte und setzte auf tiefem, nassen Boden ganz auf die Karte Kampf. Das andere haderte und zauderte und schaute zu, wie es schief ging.

Nach Jordans Führungstreffer kippten ein 25-Meter-Freistoß in den Dreiangel und ein abgefälschter Strafraumschuss das Geschehen für die Gastgeber. Naglers knapper Kommentar: „Wenn wir so auftreten, holen wir nicht mehr viele Punkte.“

TSV Dagersheim – TV Echterdingen II

In der Tabelle sind einstweilen zwei weitere Teilnehmer vorbeigezogen, zuvorderst der TV Echterdingen II. Jener ist nach vier Siegen am Stück nun Dritter. Seit der 2:8-Schlappe vom sechsten Spieltag in Büsnau haben die Gelb-Schwarzen einen Lauf. Und auch diesmal, beim 1:0 in Dagersheim, war wieder auf einen Verlass: Flon Ajvazi traf abermals. Sein Distanzschuss entschied die Begegnung. Liga- und wettbewerbsübergreifend kommt der 20-Jährige als Echterdinger Allzweckwaffe nun bereits auf 14 Pflichtspiel-Saisontore. Am Freitag erst hatte er auch für die erste Mannschaft eingenetzt.

In welchem Team die Zukunft liegt? „Wir müssen da demnächst eine Entscheidung treffen. Auf Dauer muss es eine klare Lösung geben“, sagt der Trainer Sascha Blessing, dessen Elf bis zu Ajvazis erneutem Streich mehrfach an einem Gegenspieler gescheitert war. Immer wieder stand der Keeper des Gegners im Weg. Gestatten: Tomislav Hlebec. Das Kuriose dabei: eigentlich ist der Mann Feldspieler. Nach dem verletzungsbedingten Ausfall der etatmäßigen Nummer eins Marco Malz musste er mangels Ersatztorhüter von der 50. Spielminute an zwischen den Pfosten ran.

SV Vaihingen – SV Nufringen

Die andere Mannschaft, die neben den Echteringern Plätze gut gemacht hat, ist der SV Vaihingen. Weiterhin ohne den kranken Chefcoach Tim Schumann warteten die Schwarzbachkicker beim 4:3 gegen den Aufsteiger SV Nufringen mit einer abenteuerlichen Leistungskurve auf. Eine Hälfte hui, eine Hälfte pfui. Am Ende hätte ein Vier-Tore-Pausenvorsprung beinahe nicht gereicht. Nach Slapstick-Beginn des Gegners, der gleich beim ersten Spielzug ausrutschte und somit Rüchan Pehlivan das Blitz-Führungstor ermöglichte, sowie einem Doppelschlag von Tyron Ferrari kam in Durchgang zwei der große Knick. „Wir sind in Lethargie und Passivität verfallen“, beklagt der Vaihinger Co-Trainer Marco Eichler.

Die Folge: zuletzt gar noch das große Zittern. Ein Spiel dauert 90 Minuten? Mensch, Herberger! Gegolten hat es schließlich auch in Vaihingen nicht. Dort aber zur Gastgeber-Erleichterung ohne dass noch mehr passiert wäre. Nun kann am nächsten Sonntag das Stadtbezirk-Derby gegen Büsnau kommen. Zumindest wird der Ball erneut rund sein.

Die Statistik zum 10. Spieltag

TSV Jahn Büsnau – ASV Botnang 3:2. Tore: 1:0 Aboulazm (13.), 1:1 Neils (61., Eigentor), 1:2 Daniel Schweizer (65., Foulelfmeter), 2:2 Sebastian Lenhardt (73., Foulelfmeter), 3:2 Cascia Rica (90.+5). Besonderes: –

SV Bonlanden – Spvgg Holzgerlingen 2:2. Tore: 0:1 Horn (19.), 1:1 Krasniqi (45.), 1:2 Hamm (48.), 2:2 Pinto Lino (58.). Besonderes: Gelb-Rot für Lebkuchen (Bonlanden, 90.+1)

VfL Oberjettingen – SV Rohrau 6:1. Tore: 1:0 Baitinger (12.), 2:0 Dengler (19.), 2:1 Müsel (45., Foulelfmeter), 3:1 Seeger (55.), 4:1 Wolfer (72.), 5:1 Dengler (79.), 6:1 Dengler (82.). Besonderes: –

TSV Dagersheim – TV Echterdingen II 0:1. Tore: 0:1 Ajvazi (68.). Besonderes: –

SV Deckenpfronn – Spvgg Cannstatt 2:1. Tore: 0:1 Jordan (27.), 1:1 Schwarz (45.+1), 2:1 Wunsch (84.). Besonderes: –

TSV Musberg – VfL Herrenberg 2:2. Tore: 1:0 Schellander (16.), 1:1 Abalioglu (23.), 1:2 Franguere (51.), 2:2 Rath (90.+3). Besonderes: Gelb-Rot für Franc Cagalj (Musberg, 74.)

Croatia Stuttgart – TV Darmsheim 1:1. Tore: 1:0 Kolar (23.), 1:1 Schneider (90.+8). Besonderes: –

SV Vaihingen – SV Nufringen 4:3. Tore: 1:0 Pehlivan (1.), 2:0 Ferrari (30.), 3:0 Schilling (37.), 4:0 Ferrari (45.), 4:1 Ludolph (46.), 4:2 Tropsch (67.), 4:3 Tropsch (88.). Besonderes: –