Bis vor fünf Jahren gab es im Alfred-Kercher-Sportbad in Kornwestheim (Kreis Ludwigsburg) Schwimmzeiten nur für Frauen. Eine Petition soll nun ein Comeback erreichen. Wie die Erfolgschancen stehen.
Vor 50 Jahren wurde das Alfred-Kercher-Sportbad in Kornwestheim eröffnet. Zum Jubiläum gibt es das ganze Jahr über viel Programm. Viele Frauen wünschen sich vom Bad und seinem Betreiber, den Stadtwerken Ludwigsburg-Kornwestheim, etwas, das es früher schon einmal gab: das Frauenschwimmen. Vor rund 40 Jahren ist die Schwimmzeit nur für Frauen eingeführt, 2020 dann aber wieder abgeschafft worden.
„Vor der Pandemie gab es pro Woche einen bestimmten Zeitraum, in dem nur Frauen schwimmen durften“, erzählt Münevver Cakici. Sie ist eine der Frauen, die sich nun dafür einsetzen, dass es die zwischenzeitlich abgeschaffte Frauenschwimmzeit wieder gibt.
Online gibt es schon eine Petition, die um Unterstützung für das Ansinnen wirbt. Fast 500 Unterschriften gibt es schon, mehr als 200 aus Kornwestheim. Die Gründe dafür sind vielfältig, wie Canan Balaban verrät. Die Grünen-Stadträtin hat sich alle Kommentare online angeschaut und mit einer Künstlichen Intelligenz auswerten lassen. Neben religiösen Gründen spielt das Körpergefühl einiger Frauen eine Rolle. Die Angst vor sexuellen Übergriffen wird auch genannt.
„Ich trage ein Kopftuch und kann daher schlecht in öffentlichen Schwimmbäder schwimmen gehen. Und aus gesundheitlichen Gründen ist es wichtig, dass ich schwimmen gehe“, schreibt eine Frau anonym zu der Petition. Eine andere schreibt „Wenn ich Schwimmen gehe, bin ich oft gaffenden Männern ausgesetzt.“ Wieder eine andere schreibt, ebenfalls anonym: „Frauen, insbesondere Muslima und Frauen mit Gewalterfahrung durch Männer, benötigen Schutzräume, in denen sie am Leben mit einem sicheren Gefühl teilhaben können und/oder Räume im öffentlichen Leben, wo sie sich unbeschwert zeigen dürfen.“
Wunsch nach mehr Freiheit
Julia Graf engagiert sich auch für ein paar männerfreie Stunde im Kornwestheimer Sportbad. Auch für Frauen, die nicht muslimischen Glaubens seien, gebe es genügend Gründe, so ein Angebot zu nutzen. Dass es dies in anderen Städten wie Ditzingen oder Stuttgart bereits gibt, begrüßen die Frauen. „Aber mir geht es darum, Kornwestheim noch besser zu machen. Warum muss ich in eine andere Stadt fahren, wenn wir doch vor Ort ein tolles Schwimmbad haben“, sagt Cakici.
Den Frauen ist vor allem wichtig, gehört zu werden. Sie haben mitbekommen, dass es wohl schwer ist, weibliche Bademeister für das Frauenschwimmen zu bekommen. „Das wäre unser Wunsch, aber wir verstehen, wenn es nicht geht“, sagt Balaban. Auch mit einer männlichen Aufsichtsperson könne man sich arrangieren. Im Bad müssten die Muslima ohnehin bedeckt schwimmen, weil das Schwimmbad von außen sehr gut einsehbar ist.
Frauenschwimmen auch für Nicht-Muslima wichtig
Für Fatma Korkmaz würden mit dem Frauenschwimmen in Kornwestheim Erinnerungen an früher wieder wach. „Ich ging früher nach Ludwigsburg zum Frauenschwimmen, aber dann hatte ich keine Zeit mehr. Jetzt sind meine Kinder größer und ich würde so gerne wieder schwimmen“, sagt die Kornwestheimerin. Wichtig für sie wäre, dass die Schwimmzeiten auch für Berufstätige machbar seien.
Aus Balabans Sicht hätte eine wöchentliche Frauenschwimmzeit integrativen Charakter. Frauen verschiedenster kultureller Hintergründe könnten ungestört zusammenkommen. Dass das Thema nicht nur Muslime betrifft, habe auch die Unterschriftenaktion beim interreligiösen Frauentreff gezeigt. Auch eine Reihe älterer Frauen habe sich begeistert von dem Vorhaben gezeigt. Die Initiatorinnen der Petition rechnen mit rund 50 Teilnehmerinnen, sollte das Frauenschwimmen wieder angeboten werden.
Stadtwerke lehnen Frauenschwimmen ab: Gründe und Folgen
Ob das Engagement auch erfolgreich sein wird, ist aber mehr als fraglich. Ein Sprecher der Stadtwerke Ludwigsburg-Kornwestheim (SWLB) erklärt auf Anfrage dieser Zeitung, dass das Anliegen der Wiedereinführung bekannt sei und „bereits umfassend geprüft und bearbeitet“ wurde. Das Ergebnis wird den engagierten Frauen nicht schmecken: Die SWLB lehnt einen Zeitslot allein für Frauen ab. Es würde zu zu großen Einschränkungen anderer Nutzergruppen führen, wenn das Bad nur für Frauen geöffnet würde.
Die Abschaffung seinerzeit sei eine gezielte Anpassung der Öffnungszeiten an die Bedürfnisse der sportlich orientierten Zielgruppen sowie die Weiterentwicklung des bisherigen Angebots gewesen. Das habe neue Zeiträume für Schulen, Vereine und den Kursbetrieb geschaffen. „Exklusive Angebote für einzelne Gruppen“ schränkten die Willkommenskultur der SWLB-Bäder ein, so der Sprecher weiter. Den „kulturellen Bedürfnissen von Frauen“ werde Rechnung getragen, „indem das Tragen von Burkinis“ seit Jahren gestattet sei.
Anderenorts tun sich Badbetreiber leichter mit dem Frauenschwimmen. In Ditzingen gibt es ein solches Angebot alle zwei Wochen an einem Sonntag und das seit 2013. In Leonberg wird nun auf Initiative zweier junger Frauen hin ab Mai eine Testphase für ein Frauenschwimmen gestartet.
Wo Frauenschwimmen angeboten wird
Leonberg
Im Leonberger Hallenbad wird am Samstag, 3. Mai, von 18 bis 20 Uhr Frauenschwimmen angeboten. Einlass ist in der Zeit nur Frauen sowie Kindern unter zehn Jahren möglich.
Ditzingen
Im Stadtbad gibt es an ausgewählten Terminen Frauenschwimmen jeweils sonntags von 19.15 bis 22 Uhr. Termine sind am 27. April, 4. und 18. Mai.
Stuttgart
Der Schwimmverein muslimischer Frauen Stuttgart bietet in verschiedenen Bädern der Stadt Schwimmkurse nur für Frauen an, egal welcher Religion oder Herkunft.