Kritik gibt es an offenbar unmenschlichen Haftbedingungen und unerlaubten Pushbacks. Athen weist die Vorwürfe zurück.
Kakerlaken, Bettwanzen, Tuberkulose-Infektionen. Der Europarat rügt in ungewöhnlich scharfer Weise Griechenland wegen der offensichtlich unhaltbaren Zustände in den Flüchtlingslagern im Land. Zudem wirft das Gremium der Regierung vor, weiter sogenannte Pushbacks durchzuführen, das sind illegale Zurückweisung von Schutzsuchenden an den Außengrenzen. Auch unbegleitete Kinder würden etwa an der Grenze zur Türkei zurückgeschickt.
Das Anti-Folter-Komitee des Europarates war Ende November zu einem unangemeldeten Besuch in Griechenland eingetroffen. In ihrem Bericht kritisieren die Teilnehmer nun die oft unmenschlichen Zustände bei der Behandlung von Migranten. Die Misshandlungen würden bereits auf See beginnen. „Die Anschuldigungen betrafen hauptsächlich Schläge mit Schlagstöcken und Gewehrkolben, Tritte, Faustschläge und Ohrfeigen sowie verbale Beschimpfungen und rassistische Beleidigungen“, heißt es in dem Bericht.
Mangelnde Hygiene in den Aufnahmelagern
Die unhaltbaren Zustände würden sich in den Aufnahmelagern nahtlos fortsetzen. Das Anti-Folter-Komitee berichtet immer wieder von mangelnder Hygiene. „Aufgrund der katastrophalen Gesundheitssituation in diesem Zentrum hatte sich eine offene Tuberkulose-Infektion unter großen Teilen der inhaftierten Bevölkerung ausgebreitet“, heißt es in dem Bericht des Europarates. „Mehrere Container oder Zeltunterkünfte waren für Menschen nicht bewohnbar und hatten keine funktionierenden Sanitäranlagen, keinen Strom und keine Heizung. Viele Ausländer hatten nicht einmal Winterkleidung und Schuhe.“
Auch die von der EU finanzierten Registrierungscamps auf den ägäischen Inseln sind laut dem Bericht teilweise „unmenschlich und entwürdigend“. In manchen seien bis zu acht Menschen auf zehn Quadratmetern untergebracht. Zudem kritisiert das Anti-Folter-Komitee die „übertriebenen Sicherheitsvorkehrungen und unnötigen Stacheldrahtzäune“ um diese Zentren, die besonders für Kinder und bedürftige Menschen ungeeignet seien.
Athen ist sich keiner Schuld bewusst
In einer Stellungnahme erklärten die griechischen Behörden, die Bedingungen in den Zentren entsprächen „internationalen Standards“. Es seien umfangreiche Renovierungsarbeiten geplant. Auch sollen die Aufnahmekapazitäten erhöht und die medizinische Versorgung in den Zentren mit kontrolliertem Zugang ausgebaut werden. Vorwürfe über illegale Pushbacks bestritten die Behörden - alle Beamten handelten in voller Übereinstimmung mit ihren internationalen Verpflichtungen, „insbesondere dem Grundsatz der Nichtzurückweisung und dem Schutz des menschlichen Lebens und der Menschenwürde“.
Es ist nicht das erste Mal, dass Griechenland im Fokus des Europarates gerät. Bereits 2020 wurden die Haftbedingungen für Migranten kritisiert. Zuletzt wurde gerieten der griechische Grenzschutz in die Schlagzeilen, weil Beamte vorgeworfen wurde, Flüchtlinge von Land wieder auf See gebracht und dort ins Meer geworfen zu haben. Nach einer Recherche des britischen Nachrichtensenders BBC sollen dabei über 40 Menschen ums Leben gekommen sein. Das griechische Ministerium für Schifffahrt und Inselpolitik wies die Vorwürfe weit von sich. Der Weg über die Türkei nach Griechenland ist eine der Hauptrouten, über die Menschen in die EU einwandern. Entsprechender Druck lastet auf den griechischen Grenzbehörden.
Viele Vorwürfe von Menschenrechtsorganisationen
Auch Menschenrechtsorganisationen berichten immer wieder von zahlreichen Verstößen gegen das internationale Flüchtlingsrecht - sowohl in der Ägäis, dem Meer zwischen Griechenland und der Türkei, als auch an der Landgrenze der beiden Staaten. Für größtes Aufsehen sorgte im Sommer 2023 der Fall eines gekenterten Fischerbootes mit mehr als 700 Migranten an Bord vor der griechischen Stadt Pylos. Asyl- und Menschenrechtsorganisationen werfen der griechischen Küstenwache vor, sie habe gewusst, dass das Schiff in Seenot war und habe es dennoch in italienische Gewässer schleppen wollen. Nur 104 Passagiere überlebten das Unglück.