So hat alles angefangen: Damian Lewis und Claire Danes sind die Hauptprotagonisten der ersten drei Staffeln der US-Serie „Homeland“. Foto: dpa

Seit Jahren hält die US-Serie „Homeland“ ihre Fans in Atem. Doch das Finale der jüngsten Staffel zeigt: Das geht nicht mehr lange gut. Drei Gründe, warum „Homeland“ den Zenit überschritten hat (Achtung: Spoiler!).

Stuttgart - Immer wieder wird sie als zurzeit beste TV-Serie der Welt bezeichnet. Angesichts des Qualitätssprungs,den das amerikanische Serienfernsehenin den vergangenen Jahren hingelegt hat, ist dies eine Diskussion um des Kaisers Bart. Fest steht: „Homeland“ spielt ganz oben mit an der Spitze der Seriengiganten. Daran haben nicht nur die Schauspieler mit ihren Leistungen ihren Anteil; auch der eher ruhige Erzählduktus zählt dazu. Vor allem aber bewegt sich der Handlung von „Homeland“ immer ganz nah an realen Geschehnissen, widmet sich aktuellen Themen und Trends, die die Menschen umtreiben und die die Grenzen zwischen Fiktion und realer Nachrichtenlage immer mal wieder verwischen.

Achtung! Wer die sechste Staffel noch nicht gesehen hat, sollte hier nicht weiter lesen:

Die sechste Staffel, die in New York spielte, lässt den Zuschauer nach ihrem Finale unbefriedigt zurück. Der Nachbar als Terrorist, rechte Hetzer, die Fake News verbreiten, der eigene Geheimdienst als Todfeind: Die Mischung war gewohnt explosiv und hochaktuell, doch verlor sie sich zum Ende in einem schwer durchschaubaren Durcheinander. Die Krönung: die gewählte Präsidentin Elizabeth Keane, die bis dahin als Garantin demokratischer Grundrechte gilt, für die sich Carrie Mathison ins Zeug wirft, entpuppt sich beim Amtsantritt als autokratische Hexenjägerin, die eine systematische Verhaftungswelle los tritt, der unter anderem auch Carries Vertrauter Saul Berenson zum Opfer fällt.

All dies wird in der letzten Staffelfolge mehr oder weniger hektisch und szenenhaft aneinandergereiht. Offenbar, so wird im Netz kolportiert, sind Showrunner Alex Gansa und sein Team vom Wahlsieg Donald Trumps überrascht worden und haben versucht, den Plot der sechsten Staffel an die tatsächlichen Ereignisse anzupassen – mit wenig überzeugendem Erfolg.

Auch sonst macht die bisher schlechteste Staffel der Erfolgsserie ratlos und weckt die Befürchtung, dass die Geschichte von Carrie Mathison bald auserzählt sein könnte. Dafür sprechen drei Gründe:

Peter Quinn ist tot!

1. Peter Quinn ist tot, oder: Der Reset einer Serie durch den Tod eines Hauptprotagonisten. Nach allem, was man im Netz liest, hat Carries Schutzengel seine neun Leben nun doch verwirkt. Auch wenn das „letzte Augenschließen“ und die Beisetzung im Bild fehlten (das Begräbnis wird nur erwähnt), muss man davon ausgehen, dass die Macher eine zentrale Figur aus der Handlung genommen haben. Verzweifelte Quinn-Fans (und das sind fast alle Homeland-Zuschauer) mögen sich an die Hoffnung klammern, dass Quinn doch noch einmal überlebt und durch eine vorgetäuschte Beisetzung als geheimer Killerjoker in der Hinterhand des Geheimdienstes gehalten wird. Aber ein solcher Twist ließe die Serie wohl endgültig auf das Unwahrscheinlichkeitsniveau etwa der Action-Serie „24“ herabsinken, die ja soeben ein Revival erlebt.

Mit der Hinrichtung des Nicholas Brody am Ende der dritten Staffel hatte Homeland bereits einen ähnlichen Einschnitt erlebt. Das funktioniert einmal und vielleicht zweimal, aber von Mal zu Mal immer schlechter. Es können neue Figuren eingeführt werden, doch das führt letztlich nur zu einem Wiederkäuen des Gleichen. Auf Nicholas Brody als gebrochener Charakter folgte Peter Quinn. Ein dritter solcher Charakter lässt sich momentan nur als weiterer Aufguss vorstellen. Das mag der Serie kurz neues Leben einhauchen, aber dauerhaft wird die Geschichte lau werden.

Huch, schon wieder Terroristen!

2. Huch, schon wieder Terroristen, oder: Die Dramaturgie einer Fernsehserie. Eine Geschichte ist früher oder später auserzählt. Bestenfalls wird das rechtzeitig erkannt und die Serie endet an ihrem Höhepunkt, wie zum Beispiel „Breaking Bad“ oder „Lost“, wobei letztere wohl schon eine Staffel zu lang gewesen ist. Schlechtestenfalls, und das passiert bei fast allen Sitcoms wie etwa „How I met your mother“ oder aktuell bei „The Big Bang Theory“, läuft die Serie mit den ewig gleichen Gags so lange weiter, bis es wirklich niemand mehr aushält. Ein Tiefpunkt in der jüngeren TV-Geschichte stellt „Two and a half Men“ dar, die nach dem Rausschmiss von Charlie Sheen mit Ashton Kutcher als Nachfolger weitergedreht wurde und in dieser Zeit ihren Charme größtenteils verlor.

Für „Homeland“ gilt: So vielseitig das Thema Terrorismus, Geheimdienste und internationale Politik sein mag, es sind jetzt bereits sechs Staffeln. Carrie und ihre Mitstreiter haben im Orient am anderen Ende der Welt rauschebärtige IS-Kämpfer ausgeschaltet, den sinistren Attentäter im Call Shop um die Ecke aus dem Verkehr gezogen und jetzt auch den Feind in den eigenen Reihen besiegt. Nun lassen sich sicher noch jede Menge neue Plots und Twists finden, doch mittelfristig läuft es auf eine Variation des Altbekannten hinaus.

Carrie, Du nervst!

3. Carrie, Du nervst, oder: Wenn Charaktere alles erlebt haben. Keine Frage, Carrie Mathieson ist ein faszinierender, komplexer Charakter, aber auch sie hat inzwischen einiges erlebt in sechs Staffeln „Homeland“. Die Zuschauer haben gelernt: Für die Mission geht Carrie auch über die Leichen ihrer Verbündeten, sie ist Psychotikerin, die ihren Wahn nur mit Tabletten in Schach hält, und sie hat regelmäßig Schwierigkeiten, ihr Umfeld von den Ahnungen komplexer Verschwörungen, die sie gerade wieder umtreiben, zu überzeugen. Das haben wir uns sechs Staffeln angeschaut und allmählich wird ihr vor Weinen oder Entsetzen verzerrtes Gesicht zur nervigen Marotte.

Saul Berenson möchte man zwar immer noch zusehen, doch auch für ihn gilt: Er dürfte so ziemlich jede verräterische Wendung auf jeglicher Seite mitgemacht haben. Die Twists, mit denen Alex Gansa und sein Team uns in Atem gehalten haben, nutzen sich zunehmend ab. So ist es bereits „24“ ergangen und so wird es auch „Homeland“ ergehen. Das ist nicht wirklich schlimm, aber es geht darum, dass die Macher rechtzeitig den Absprung schaffen und Carrie einen Abgang in Würde ermöglichen.

Wann das sein wird, ist im Moment unklar. Zwei weitere Staffeln sind gesetzt, und beim Zuschauer keimt die Hoffnung auf, dass der US-Kabelsender Showtime es dabei belässt. Eine Staffel, um die offenbar demokratiegefährdende Präsidentin Keane wegzubekommen, und eine weitere, um einen rühmlichen Abschluss zu schaffen für eine der zu recht meistgefeierten TV-Serien der vergangenen Jahrzehnte.

„Homeland“ ist auf iTunes abrufbar. Im Fernsehen wird sie erst in einigen Monaten zu sehen sein.