Im Prozess um die bis heute aus einem Geldtransporter in Ludwigsburg verschwundenen 3,8 Millionen Euro sind die Plädoyers gehalten worden. Die Staatsanwaltschaft glaubt den beiden Mitarbeitern der Transportfirma die Geschichte vom bewaffneten Überfall nicht.
Es war eine vermeintliche Tat, die nicht nur im Kreis Ludwigsburg Aufsehen erregt hat, und die seit vier Monaten vor der 7. Großen Strafkammer des Landgerichts Stuttgart verhandelt wird: Am Abend des 4. Januar vergangenen Jahres musste ein Geldtransporter auf einem Feldweg zwischen Pattonville und dem Ludwigsburger Stadtteil Oßweil vor einer sternförmigen Kreuzung stoppen, da ein anderes Auto den Weg versperrte. Neben diesem stand ein älterer Mann mit Gehstock, dessen Wagen offensichtlich eine Panne hatte.
Als der Beifahrer des Werttransporters ausstieg, um mit dem Mann zu sprechen, zückte dieser eine Pistole. Ein weiterer Bewaffneter kam hinzu und zwang den Beifahrer, sich auf den Boden zu legen. Fast zeitgleich trat ein dritter Mann mit Panzerfaust an die Fahrerseite des Mercedes Sprinter und zwang den Fahrer, den Transporter zu verlassen. Auch dieser musste sich auf den Boden legen, die Täter luden die Beute in zwei Fahrzeuge um und flohen.
Vor Gericht dann die Wende – die vermeintlichen Opfer wurden zu Tätern. Die Staatsanwaltschaft hat die beiden Mitarbeiter der Werttransportfirma wegen Diebstahls mit Waffen und Vortäuschens einer Straftat angeklagt. Nach Auffassung der Staatsanwaltschaft haben sie den Überfall inszeniert und mit unbekannten Komplizen gemeinsame Sache gemacht.
Bis heute fehlt von der Beute in Höhe von knapp 3,8 Millionen Euro jede Spur. Auch deshalb forderte Staatsanwalt Christian Wanjelik jetzt in seinem ungewöhnlichen Schlussplädoyer Haftstrafen von acht Jahren für die 43 und 25 Jahre alten Angeklagten.
Beweise widersprechen Schilderungen
„Die Geschichte der beiden Männer passt nicht zu den Beweisen, die wir in diesem Prozess erhoben haben“, erklärte der Staatsanwalt. So hätten die Angeklagten das Pannenfahrzeug auf der flachen Strecke viel früher als geschildert erkennen und gegebenenfalls reagieren müssen. „So eine Situation schreit geradezu nach einer Straßensperre, sie hätten niemals aussteigen dürfen“, führte der Anklagevertreter weiter aus. Bei einer Situation wenige Wochen zuvor hätten sie das auch nicht gemacht, obwohl am Ende vier Polizeifahrzeuge mit Blaulicht ihren Transporter umringt hätten.
Zudem ergebe sich aus den Logdaten des Werttransporters, dass der angebliche alte Mann 1:40 Minute im Scheinwerferlicht des Transporters gestanden haben müsse. „Und da wollen sie nicht gesehen haben, dass der Unbekannte eine Maske trägt und gar kein alter Mann ist“, sagte Wanjelik, der zur Veranschaulichung während seines Plädoyers eine MInuten und 40 Sekunden auf einer Stoppuhr ablaufen ließ.
Es liege vielmehr nahe, dass die Angeklagten sich in dieser Zeit mit ihren Mittätern abgesprochen hätten. Dafür spreche, dass sie an diesem Abend verdächtig langsam auf dem Feldweg unterwegs gewesen seien – mit einem Schnitt von 7,5 Stundenkilometern. Zudem hätten sie bei einer anderen Tour knapp zwei Wochen zuvor für die rund 1100 Meter lange Strecke sechs Minuten gebraucht. „Da drängt sich der Verdacht auf, dass sie ihren Tatplan an diesem Tag schon einmal geprobt haben“, sagte der Staatsanwalt.
Erstaunlich sei auch, dass der Fahrer laut den Logdaten noch 34 Sekunden im Transporter gesessen sein soll, obwohl er angeblich in das Rohr einer Panzerfaust geblickt habe. Zudem habe er nicht den stillen Alarm ausgelöst, den jeder Werttransporter habe. Nur so sei es erklärbar, dass sich die Täter zehn Minuten Zeit lassen konnten mit dem Umladen der Beute. „Sie wussten, dass es keinen Alarm gab, weil sie Komplizen waren“, schloss Wanjelik. Zudem habe es Widersprüche in den Aussagen der Angeklagten in zentralen Punkten des Ablaufs gegeben. Einer habe von einem hellen, einer von einem dunklen Transporter gesprochen. Einer habe eine geöffnete Heckklappe gesehen, der andere nicht. Ein Zeuge, der zufällig vorbeigekommen war, habe von einer glimmenden Zigarette berichtet – dies sei in keiner Aussage der Angeklagten aufgetaucht. Auch seien am Tatort nur Fußspuren der Angeklagten gesichert worden – keine von weiteren Tätern. „Wir haben es hier mit einem klassischen Fall des Indizienrings zu tun“, bilanzierte Wanjelik. So viele Ungereimtheiten seien vergleichbar mit einem Blitz, der zehnmal an derselben Stelle einschlage.
Urteil wird am Freitag verkündet
Gegen die Angeklagten spreche ihre hohe kriminelle Energie, die hohe Beute und der extrem gründliche Planungshorizont. Für sie sei ins Feld zu führen, dass sie keine Vorstrafen aufwiesen und die laschen Sicherungsvorkehrungen der Firma die Tat begünstigt hätten. Die beiden Verteidiger Boris Müller und Andreas Baier sahen die Schuld ihrer Mandanten als nicht erwiesen an und beantragten jeweils Freispruch. Das Urteil soll am kommenden Freitag verkündet werden.