Sensationelle Sprünge der chinesischen Artisten im Weltweihnachtscircus. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Der Große Chinesische Staatscircus beeindruckt im Weltweihnachtscircus auf dem Cannstatter Wasen mit Artistik rund ums Fahrrad. Chef, Trainer und Artisten sprechen über Präzision, Gefahren und darüber, wie die scheinbare Leichtigkeit gelingt.

Es ist ein quirliges und höchst fesselndes Abenteuer, das die Artisten der China National Acrobatic Troupe auf Fahrrädern im Weltweihnachtscircus dem begeisterten Publikum präsentieren. Was steckt hinter dieser Nummer mit den sensationellen Sprüngen, Salti in hohem Tempo, die 20 chinesische Artisten in Stuttgart erstmals als internationale Weltpremiere präsentieren? Kaum zu glauben, welche Leistungen sie rund ums Zweirad bringen: so fahren sie beispielsweise hintereinander, während ein Artist in entgegengesetzter Richtung über die Köpfe der Radfahrer hinweg springt.

 

Wang Kun konzentriert sich nur auf den Sprung

Der springende Artist heißt Wang Kun. Er lächelt über die Frage nach seinen Gedanken, während er springt: „Ich denke gar nichts. Ich richte meinen Fokus auf die Sprünge und konzentriere mich dabei“, sagt er auf Chinesisch, das Lee Yiyi ins Englische übersetzt. Wang Kun ist mit seinen 22 Jahren der jüngste der Artistengruppe. Er begann mit sieben oder acht Jahren mit dem Radfahren und startete als 13-Jähriger die Artistenausbildung, die er mit 19 abschloss. Mit zehn Jahren lernte er bereits Gymnastik, bevor er zur Artistik wechselte.

Scheinbar mühelos und leicht sieht die Vorführung aus, die jedoch gefährlich ist. „Am Anfang fallen sie runter“, erklärt der Leiter der Truppe, Liu Qun. Doch es gebe viele Sicherheitsvorkehrungen, und am Ende klappt alles wie am Schnürchen. „Wir haben es mehr als 35 000 Mal trainiert“, sagt Trainer Wu Yong.

Zweifellos steckt da unendlich viel Training in der Vorführung. An anderer Stelle bilden die Artisten bei der Aufführung Pyramiden, etwa zu Neunt auf einem Rad. Und ganz oben steht da Artist Zheng Jiangiang.

Zheng Jiangiang: Mit 15 Jahren schon fertiger Artist

Auch er strahlt Ruhe und Gelassenheit aus im Gespräch und freut sich über das Staunen der Zuschauer. Der 24-Jährige liebt Performance und Sport, er habe sich als Kind im Fernsehen für den Zirkus begeistert und dann im Alter von acht Jahren mit der Artistenausbildung auf einer Akrobatikschule begonnen. Mit 15 sei er fertiger Artist gewesen, begonnen habe er mit Handstandakrobatik, zum Fahrradfahren kam er erst im Alter von elf oder zwölf Jahren. Im Zirkus zeigen die Chinesen eine fahrende Rad-Pyramide, schlagen Salti über die fahrenden Kollegen oder stehen einhändig auf ihnen. Zwei Radfahrer formieren sich wie eine Ungarische Post zu  Pferde  auf  ihren Zweirädern und balancieren einen Spagat-Mann über sich als besonderen Balanceakt. Die Formationen verblüffen und beeindrucken. Das Publikum ist restlos begeistert.

„Der Applaus des Publikums motiviert uns“

Woher nehmen sie diese Disziplin, gepaart mit Kraft und Präzision, um derlei Höchstleistungen zu bringen, die sie im Januar beim Internationalen Circusfestival von Monte Carlo zeigen werden? „Der Applaus des Publikums motiviert uns hier in Stuttgart“, sagen die Artisten. „Die ganze Nummer üben wir seit dem Jahr 2020“, erklärt Trainer Wu Yong. Ausgedacht hat sie sich der Direktor der China National Acrobatic Troupe namens Sun Lili. Die Fahrräder mit Trittbrettern, auf denen die Artisten stehen und ihre Pyramiden bauen können, sind bei Chefingenieur Wang Jiunmin entstanden. „Er hat die Räder gebaut“, weiß Lee Yiyi.

Die Artisten, die im kommenden Jahr den 75. Geburtstag ihres Zirkus in China feiern, freuen sich über das große Echo. Die Einladung zum Internationalen Circusfestival nach Monte Carlo ist etwas Besonderes für sie. „Es ist ein großes Fest des Weltzirkus“ sagt Liu Qun und betont: „Wir werden es genießen.“ Auch die Hoffnungen auf eine besondere Auszeichnung sind groß. Natürlich träumen sie davon, einen goldenen Clown zu bekommen. Ein Lächeln huscht über die Gesichter, während Lee übersetzt.

Große Vorfreude auf Monte Carlo

Dafür arbeiten und trainieren sie täglich vor den Aufführungen zwei bis drei Stunden, damit das Ergebnis tadellos ist und bleibt. „Wir möchten das Publikum in Europa begeistern“, sagen sie. Diese Nummer wurde bislang nur in Asien gezeigt, Anfang des Jahres in Japan. Im kommenden Jahr reisen die Artisten zurück in ihre Heimat, erleben am 29. Januar das Neujahrsfest dort, welches dann im Zeichen der Schlange steht. Dann geht es nach Monte Carlo mit der Nummer, die sämtliche chinesischen Traditionen bricht, weil sie erstmals nur von Männern aufgeführt wird und nicht von Frauen. „Der Chef der Gruppe, Liu Qun ist im Jahr der Schlange geboren“, sagt Lee Yiyi, während Liu Qun strahlt voller Glück und Vorfreude. Die Artisten, die überwiegend aus dem Norden Chinas kommen, tun jedenfalls alles für ihre ersehnte Auszeichnung – mit Balance, Disziplin und Freude.

Der Weltweihnachtscircus gastiert noch bis zum 6. Januar 2025 auf dem Cannstatter Wasen. Karten gibt es für 28 bis 72 Euro plus Vorverkaufsgebühr (Kinder und Senioren um fünf Euro ermäßigt) unter Telefon 0711 / 255 55 55.