Der Moscheeverband Ditib ist am Tübinger Islamzentrum auf dem Vormarsch. Ditib gilt Politikern als verlängerter Arm des türkischen Staatschefs Recep Tayyip Erdogan. Islamismus-Expertin Susanne Schröter warnt ebenfalls und fordert einen Neustart.
Das Ziel, einen grundgesetzkonformen Islam in Deutschland zu fördern, sei „nicht geglückt“, bilanziert die Ethnologie-Professorin Susanne Schröter. Die Ditib-Connection am Tübinger Zentrum für Islamische Theologie zeige: Universität und Land sind überfordert.
Frau Schröter, haben Sie die Recherchen unserer Zeitung zum wachsenden Einfluss von Ditib am Islamzentrum in Tübingen überrascht?
Nein. Die Zentren für Islamische Theologie stehen häufig unter dem Einfluss der Verbände. Das liegt an der Beiratsstruktur, wo sie sich in Kontrollfunktion wiederfinden, aber auch daran, dass die Zentren aktiv um die Kooperation mit den Verbänden werben. Damit bedienen sie eine Erwartung der Politik, auf die muslimischen Communitys zuzugehen. Und mit der Kirchenbrille betrachtet sind muslimische Communitys immer die islamischen Verbände. Ungeachtet der Tatsache, dass die Mehrheit der Muslime in Deutschland gar nicht in diesen Verbänden organisiert sind.
Was müsste die Universität tun, um den Einfluss von Ditib zurückzudrängen?
Sie müsste zunächst den Willen dazu aufbringen. Manche zeigen sich immer wieder erschreckt über den Einfluss nicht nur von Ditib. Vor Jahren ging es in Tübingen um ein Geflecht der Muslimbrüderschaft, über die Sie berichtet haben.
Die Uni räumt ein, sie habe die 2019 versprochenen Leitlinien zum Umgang mit dem radikalen Spektrum nie umgesetzt. Fehlt es da am Problembewusstsein?
Ja. Universitätsleitungen sind konfliktscheu. Sie legen sich mit einzelnen Institutionen nicht gerne an, sitzen die Dinge lieber aus. Zudem wissen die Uni-Leitungen gar nicht, was verfassungsfeindlich, extremistisch oder unbedenklich ist.
Und warum zeigt sich die grüne Wissenschaftsministerin so sorglos?
Auch sie müsste Fehler eingestehen und sich grundsätzlich Gedanken machen, wie es mit der islamischen Theologie weitergeht. Diese soll ja vor allem Lehrpersonal für den islamischen Religionsunterricht ausbilden. Und da hat das Land Baden-Württemberg durch die Schaffung des sunnitischen Schulrates ohnehin schon ein Problem. Der Skandal vor ein paar Jahren: Der Schulrat hat verdienten Theologen wie dem Freiburger Abdel-Hakim Ourghi die Lehrerlaubnis nicht erteilt.
Was müsste die Landesregierung tun?
Das eigentliche Ziel war ja ein sehr gutes: Einen Islam zu fördern in Deutschland, der grundgesetzkonform und in keiner Weise radikal ist, der den wissenschaftlichen Kriterien genügt, die wir auch bei den christlichen Theologien anlegen. Das ist nicht geglückt. Wenn wir das wollen, müssen wir auch für die Bedingungen dafür sorgen. Aber man tut lieber so, als ob alles in bester Ordnung sei.
Ditib sorgt immer wieder für Negativschlagzeilen – mit spitzelnden Imamen oder kriegspielenden Kindern. Warum greift die Politik nicht durch?
Aus reinem Opportunismus. Man möchte es sich mit der Türkei nicht verscherzen. Ditib ist der größte Verband und nichts anderes als die Auslandsvertretung des türkischen Religionsministeriums. Und wenn man nicht mehr mit Ditib zusammenarbeitet, mit wem möchte man dann noch zusammenarbeiten? Mit der noch radikaleren Milli Görüs oder dem Zentralrat der Muslime mit Einzelorganisationen, von denen etliche im Visier des Verfassungsschutzes sind? Das ist das Problem: Als Ansprechpartner für Politik, Universitäten und Bildungsministerien haben wir ein großes Übergewicht an Organisationen, die vom Ausland abhängig sind.
Ist die bisherige Politik richtig?
Die deutsche Islampolitik – die Theologie an den Unis, der Religionsunterricht – muss grundlegend reformiert werden. Es sollte robuste Gespräche mit den bisherigen Praxispartnern wie Ditib geben. Die hiesigen Ditib-Organisationen müssten sich radikal von der Türkei verabschieden. Darauf wird sich Ditib wohl nicht einlassen. Wenn man dann nicht genug Organisationen zur Zusammenarbeit findet, würde ich anstelle eines am christlichen Vorbild orientierten Islamunterrichts einen staatlich organisierten Religionsunterricht einführen, einen vergleichenden.
Und was passiert, wenn die Politik am eingeschlagenen Weg festhält?
Dann sorgt man dafür, dass Islamisten ihre Strukturen auch mit staatlichen Geldern und in staatlichen Einrichtungen weiter ausbauen. Wir beklagen uns darüber, dass hier und da Islamisten entdeckt werden, die in staatlichen Einrichtungen ausgebildet wurden oder gelehrt haben. Das liegt an den bisherigen Kooperationen. So verankern sich Islamisten immer weiter in Deutschland, bis man irgendwann keine Mittel mehr dagegen in der Hand hat.
Hass auf Juden und Israel gehört bei den Verbänden nicht selten dazu. Wieso toleriert die Politik das trotz aller Bekenntnisse gegen den Antisemitismus?
Dass Antisemitismus keinen Platz hat, ist ein rein symbolisches Bekenntnis. Er hat längst Platz in Deutschland. Daraus folgt nie irgendetwas. An vielen Universitäten sind jüdische Studenten nicht mehr sicher und trauen sich zum Teil nicht mehr auf den Campus, während Israelhasser Camps durchführen können, zu denen sie Islamisten einladen, die etwas über antimuslimischen Rassismus erzählen. Es kann auch nicht sein, dass bei Demonstrationen die Vernichtung des jüdischen Staats oder Waffen für die Hamas gefordert werden. Darüber kann man sich nur entsetzen. Die Politik reagiert offenkundig nicht adäquat.
Und warum setzt die Politik nicht viel mehr auf liberale Muslime?
Weil der liberale Islam nicht organisiert ist. Wenn jemand Religion nicht an erste Stelle setzt, geht er auch nicht zu einer religiösen Organisation, sondern zur Gewerkschaft oder zum Elternverein. Nur diejenigen, denen Religion wichtig ist, finden sich in den islamischen Vereinigungen. Aber die Mehrheit dieser Organisationen vertritt keinen liberalen Islam, sondern bestenfalls einen fundamentalistischen, oft ohne klare Abgrenzung zum Islamismus.
Susanne Schröter
Die Ethnologin
Susanne Schröter leitet das von ihr gegründete Frankfurter Forschungszentrum Globaler Islam. Sie hat von der Goethe-Universität eine Forschungsprofessur inne und wirkt am Aufbau des Transfer- und Kompetenzzentrums Islam der Uni Frankfurt mit.
Die Expertise
Sie hat Bücher über die Gefahr des politischen Islam geschrieben. Ihr jüngstes Buch handelt von den Gefahren der woken Linken für Wissenschaftsfreiheit, Kultur und Gesellschaft. Bei Veranstaltungen muss sie inzwischen Polizeischutz beantragen, weil ein radikales studentisches Milieu ihr Islamhass und Rassismus vorwirft.