2022 gründete Rebecca Schenk mit zwei Freundinnen in Böblingen ein Unternehmen– zuvor mussten sie sich gegen so manche bürokratische Hürde behaupten.
Wenn sie sich an die Gründungszeit ihres Unternehmens erinnert, kommen Rebecca Schenk so einige Erinnerungen in den Kopf – und nicht alle davon sind positiv. „Ich habe zum Teil gefühlt 25 Mal dieselben Dokumente bei den Ämtern einreichen müssen“, blickt die 44-Jährige mit einem leichten Kopfschütteln auf jene Zeit zurück.
Denn die bürokratischen Hürden auf dem Weg zur Selbstständigkeit sind mitunter hoch – etwas, das Schenk am eigenen Leib erfahren hat.
Drei Frauen entdecken eine Lücke
Am 17. Mai 2022 rief sie mit Beatrix Aufmuth und Ellen Löber in Böblingen Best of Women ins Leben, eine Unternehmensberatung, die Frauen auf dem Weg in Führungspositionen begleitet. „Wir sind jetzt schon seit drei Jahren auf dem Markt“, sagt Schenk nicht ohne Stolz. Die Idee entstand aus der Beobachtung der drei Gründerinnen, dass es im Mittelstand kaum Angebote zur persönlichen Weiterentwicklung für Frauen gibt.
„Frauenförderung ist dort meiner Meinung nach noch nicht richtig angekommen“, so Schenk. Der Wunsch nach Selbstständigkeit brachte sie dazu, ihre Idee zu verwirklichen: „Wir sind drei Frauen, wir können doch auch noch was anderes, außer unsere täglichen Jobs, die uns kaputt machen“, erinnert sie sich. „Da war eine Sinnsuche da – ich glaube, die kommt bei jedem im Leben mal.“
Die Gründung war ein großer Lernprozess
Schenk und Löber verbindet eine lange gemeinsame Geschichte: „Wir haben uns an Tag zwei im Studium kennengelernt und waren danach unzertrennlich.“ Beatrix Aufmuth gehört ebenfalls seit über 20 Jahren zum gemeinsamen Freundeskreis. „So kannten wir uns alle schon viele Jahre, bevor wir gegründet haben.“
Der Weg dorthin war ein großer Lernprozess. „Das lernt man ja nicht in der Schule.“ Dabei hätten sie es ja noch relativ einfach gehabt, sagt Schenk – immerhin verkaufen sie kein physisches Produkt. „Wenn man ein Produkt hat, wird es noch einmal schwieriger.“
Schenk verweist auf einen Fall, der kürzlich durch die Medien ging: Drei Gründer aus Waldstetten destillieren Gin – und bekommen Ärger mit dem Landratsamt, weil das „e“ in der Adresse auf dem Etikett laut EU-Vorgaben um 0,07 Millimeter zu klein war. „So etwas zeigt doch, wie absurd unser Bürokratiewahnsinn manchmal ist“, findet Schenk. „Ich glaube, das gibt es in anderen Ländern auch – aber nicht in dieser Ausprägung.“
Viel Bürokratie, wenig Digitalisierung
Auch im eigenen Gründungsprozess stießen sie immer wieder auf bürokratische Hürden und mangelnde Digitalisierung: „Wir konnten die Gewerbeanmeldung online eingeben, aber dann kam die Rückmeldung, das sie fehlerhaft ist, per Post. Warum kann das nicht alles digital gelöst werden? Ein PDF, kontrollieren, zurück – fertig. Stattdessen war alles papierbasiert, alles postalisch.“
Datenschutz sei ein weiteres Thema, das sie als Unternehmerinnen stark beschäftige. „Natürlich ist Datenschutz wichtig – aber in dieser überregulierten Form? Es kostet unglaublich viel Zeit.“ Schenk erzählt, wie sie dieselben Daten für Notar, Handelsregister, Gewerbeamt und Finanzamt immer wieder neu eingeben mussten. „Warum ist das nicht vernetzt? Warum kann das Handelsregister die Informationen nicht gleich verteilen?“
Formulare und enorme Kosten
Es gibt viele Förderprogramme für Start-ups, doch die drei Gründerinnen entschieden sich damals, das Geld selbst zu investieren. Schenk sagt rückblickend: „Die Kosten, die anfallen, bevor man überhaupt ins Geschäft kommt, sind enorm. Vielleicht würden wir uns heute anders entscheiden.“ Doch das ist nicht einfach: „Die Anträge sind komplex. Wir alle haben studiert und sind sicher nicht dumm, aber wenn man vor diesen Formularen sitzt, wird man schnell abgeschreckt. Unser Verwaltungsstaat hat zwar seine Vorteile, aber in solchen Momenten bremst er eher aus.“
Enttäuscht vom Arbeitsamt
Auch eine andere Erfahrung haben Schenk und ihre Mit-Gründerinnen machen müssen. In der Übergangszeit waren sie arbeitslos gemeldet – eine Phase, in der sie intensiv an ihrer Geschäftsidee arbeiteten. Doch Unterstützung durch das Arbeitsamt? Fehlanzeige. „In dem Moment, wo man sagt, dass man sich selbstständig machen will, ist man raus“, so Schenk. „Da bekommt man keine Weiterbildungen mehr. Und das, obwohl man in dieser Phase genau solche Unterstützung brauchen würde.“
Außerdem kritisiert sie das Stigma: „Man wird ein wenig wie ein Verbrecher behandelt – obwohl man sich gerade eine neue Existenz aufbaut.“
Schenk kritisiert zudem die, wie sie findet, tief verwurzelte kulturelle Angst vor dem Scheitern in Deutschland. „In den USA wird Unternehmertum ganz anders gelebt: Man probiert etwas, und wenn es nicht klappt, ist das kein Drama. Hierzulande gilt Scheitern als Schwäche – das hemmt.“
Selbstständigkeit als riesige Freiheit
Dennoch: Trotz aller Hürden und Herausforderungen würden Schenk und ihre Mitgründerinnen den Weg jederzeit wieder gehen. „Für uns drei ist die Selbstständigkeit eine riesige Freiheit“, sagt sie. Mit schulpflichtigen Kindern sei ein klassischer Job mit Stechuhr schwer zu vereinbaren. Jetzt könne sie ihren Tag selbst strukturieren. „Wenn ich fertig bin, mache ich Feierabend – unabhängig davon, ob ich acht Stunden gearbeitet habe oder nicht.“
Bürokratie im Kreis
Serie
In unserer Reihe über Bürokratie im Kreis porträtieren wir Ämter, Betriebe und Personen, die von überbordender Bürokratie beeinträchtigt werden.
Gründung
Ein Unternehmen zu gründen bringt viele Herausforderungen mit sich – nicht zuletzt bürokratische. Im Landkreis Böblingen gibt es für Gründer praktische Unterstützung: Die „Senioren der Wirtschaft“ beraten ehrenamtlich zu Themen wie Geschäftsmodelle oder Finanzierungsmöglichkeiten und im „AI xpress“ in Böblingen – einem Innovationszentrum mit Werkstätten, Co-Working-Spaces und KI-Schwerpunkt – können Start-ups Räume nutzen und sich mit anderen vernetzen. Ergänzt wird das Angebot im Kreis durch kostenfreie Onlineseminare und den Gründungswettbewerb „Elevator Pitch“, der jungen Unternehmen Sichtbarkeit verschaffen soll.