Keiner weiß bisher, wie ein „Kulturquartier“ im Pfleghof aussehen würde. Foto: Roberto Bulgrin

Die Entscheidung über einen Umzug der Stadtbücherei ins Kögel-Gebäude rückt näher. Unser Redakteur Alexander Maier wundert sich über viel zu viele Unwägbarkeiten.

Die Diskussion über den künftigen Standort der Esslinger Stadtbücherei geht in die heiße Phase, und manche finden, der Worte seien nun genug gewechselt. Die jüngste Sitzung von Verwaltungs- und Kulturausschuss hat jedoch den Eindruck hinterlassen, dass noch längst nicht alle Aspekte der Entscheidung auf dem Tisch liegen, weil alles mit allem zusammenhängt und eine Einzelentscheidung noch nicht die ganze Wahrheit ist.

 

Den Befürwortern einer Modernisierung und Erweiterung der bestehenden Bibliothek im Pfleghof will die Stadt einen Umzug ins Modehaus Kögel mit der Aussicht schmackhaft machen, dass im Pfleghof ein neues Kulturquartier entstehen könnte. Wie das genau aussehen soll, ob es jemals realisiert wird und wenn ja, wann das der Fall sein könnte, bleibt nebulös. Dabei wurde in der drei Jahrzehnte währenden Bücherei-Debatte schon viel zu viel versprochen und viel zu wenig gehalten.

Soll das Schwörhaus weiterhin Ausstellungsfläche bleiben? Foto: Roberto Bulgrin

Wohin mit dem Esslinger Stadtmuseum?

Wer mit Befürwortern eines Kulturquartiers spricht, bekommt ganz unterschiedliche Visionen zu hören. Die einen träumen von einer Zusammenführung von Stadtmuseum, Schreiber-Museum und Schwörhaus unter einem Dach, andere sehen die Chance, dass das Stadtmuseum zusätzlich zum Gelben Haus den ganzen Pfleghof bekommt, wieder andere stellen sich „irgendetwas für Familien“ vor, auch von einem Experimentierfeld für innovative Kulturprojekte war schon die Rede. Das klingt ein bisschen nach Supermarkt der Möglichkeiten, nur dass am Ende nicht alles im Einkaufswagen liegen wird. Gut möglich, dass der „Einkauf“ ärmlicher ausfallen wird, als es die Hochglanzwerbung der Stadtverwaltung suggeriert …

Auf welch wackligen Beinen die Kulturquartier-Pläne stehen, hat sich nun gezeigt. Da wurde zwar treuherzig versichert, dass man den Pfleghof in städtischem Besitz behalten wolle. Wenn es jedoch mehr als einmal heißt, dass Politik ein schnelllebiges Geschäft sei, dass ständig neue Aspekte zu berücksichtigen seien und dass der nächste Gemeinderat an frühere Zusagen sowieso nicht gebunden sei, beginnt man zu ahnen, was die wohlfeilen Pfleghof-Versprechungen wirklich wert sind. Garantien gibt es nicht, und was von fest versprochenen finanziellen Rücklagen „als Zeichen der Ernsthaftigkeit“ zu halten ist, mussten die Esslinger auch schon schmerzlich erfahren.

Ein Verkauf des Gelben Hauses wird bei einem Auszug des Stadtmuseums nicht ausgeschlossen. Foto: Roberto Bulgrin

Noch lange nicht entscheidungsreif

Eine wichtige Erkenntnis hat die jüngste Beratungsrunde gebracht: Ein Verkauf des Nachbarhauses Heugasse 11 scheint gedanklich in den Bücherei-Plänen längst eingepreist zu sein. Und für Freie-Wähler-Fraktionschefin Annette Silberhorn-Hemminger ist auch ein Verkauf des Gelben Hauses, in dem das Stadtmuseum bisher untergebracht ist, ein durchaus realistisches Szenario. Gut, dass auch darüber endlich gesprochen wurde, denn auch das gehört zur Wahrheit in der Esslinger Bücherei-Debatte. Wenn man all das bedenkt, wirkt es höchst fragwürdig, eine Grundsatzentscheidung über Kögel zu treffen, solange die meisten anderen Aspekte noch nicht einmal in Ansätzen geschweige denn entscheidungsreif durchdacht sind.