Im ehemaligen Eisenbahnwohnheim in Kornwestheim ist eine Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge eröffnet worden. Für 7,5 Millionen Euro sind 220 Plätze entstanden. Wie es in der bislang einzigen Einrichtung dieser Art im Kreis Ludwigsburg aussieht.
Großer Bahnhof zwischen den Gleisen. Am Freitag ist die neue Erstaufnahmeeinrichtung (EA) des Landes für Geflüchtete in Kornwestheim eröffnet worden. Das ehemalige Eisenbahnerwohnheim in der Villeneuvestraße wurde für den neuen Zweck für 7,5 Millionen Euro saniert. Das Land mietet es für mindestens zehn Jahre von der Stadt Kornwestheim, um dort eine erste Anlaufstelle für Geflüchtete anzubieten, die neu ins Land gekommen sind.
Zur Eröffnung kam eigens Staatssekretär Siegfried Lorek aus dem Ministerium der Justiz und Migration in die Salamanderstadt. Gemeinsam mit anderen Rednern wie der Regierungspräsidentin Susanne Bay – das Regierungspräsidium betreibt die Unterkunft im Auftrag des Landes – und Raphaela Sonnentag von Vermögen und Bau Baden-Württemberg. Der Landesbetrieb ist für die Liegenschaften und Bauten des Landes zuständig und eben auch für die Mietobjekte.
Das Land hat für den Umbau des Gebäudes mit 3650 Quadratmetern Nutzfläche nämlich 2,9 Millionen Euro beigesteuert. Platz ist in dem erneuerten Gebäude für 220 Geflüchtete, die hier Zeit verbringen, bis sie ihre Asylanträge gestellt haben und sie dann in die vorläufige Unterbringung an die Landkreise verwiesen werden. Im optimalen Fall will das Land, dass die Flüchtlinge erst weiterziehen, wenn ihr Aufenthaltsstatus geklärt ist. Derzeit bleiben sie in einer EA im Durchschnitt drei, höchstens 18 Monate.
Um diese Zeit für alle – Geflüchtete und Nachbarn – so gut wie möglich zu gestalten, wurden einige Änderungen an dem schon zuvor als Unterkunft für Flüchtlinge genutzten Gebäude aus den 1930er-Jahren vorgenommen. „Die Sanierung war umfassend“, sagt Sven Koch, Fachbereichsleiter Hochbau- und Gebäudetechnik bei der Stadt Kornwestheim. Die Technik im gesamten Haus, die Brandmeldevorrichtung, die Statik und eine neue Fluchttreppe seien nur einige der Dinge gewesen, die den neuen Bedürfnissen angepasst werden mussten. „Und weil wir hier eine große Fläche haben, kommen dann natürlich schnell solche Kosten zustande“, sagt Koch zu den 7,5 Millionen. Ein Abriss und Neubau wäre um ein Vielfaches teurer gewesen.
Nicht jeder darf in die Unterkunft
Zur Sicherheit „für die Bewohner, nicht vor den Bewohnern“, wie die Einrichtungsleiterin des Regierungspräsidiums (RP) Kathrin Jagiella betont, wurde ein Zaun um das Gelände gezogen. Wer in das Gebäude will, muss sich ausweisen und wird an der Pforte vom Sicherheitsdienst registriert. „Wir wollen nicht, dass Leute hereinkommen, die hier nichts zu suchen haben“, sagt Jagiella und meint damit ganz konkret Menschen,die den Geflüchteten feindlich gesinnt sind. Die Bewohner selbst dürften 24 Stunden ein- und ausgehen.
Die neue EA besteht bei weitem nicht nur aus Schlafräumen. Es gibt eine Kantine, in der drei Mal täglich Essen angeboten wird. Das soll verhindern, dass die Bewohner selbst kochen – ein häufiger Grund für Feuerwehreinsätze in Flüchtlingsunterkünften. Es gibt Räume, in denen Kinder spielen können – elf der derzeit 50 Bewohner sind unter 18 Jahren. Außerdem gibt es eine Krankenstation. „Drei Mal pro Woche kommt ein Arzt und untersucht die Menschen mit Beschwerden“, sagt Jagiella. Dabei gehe es darum, die Ärzte in der Umgebung zu entlasten. Auch eine psychologische Beratung ist möglich und nötig. „Die meisten Menschen kommen mit traumatischen Fluchterfahrungen her“, so Jagiella.
Bezahlkarte für Flüchtlinge ab Februar
Auch eine Ausgabestelle für das monatliche Taschengeld in Höhe von 140 Euro gibt es derzeit noch in der Einrichtung. Das ist ein Raum mit einer Art Bankschalter und Gitter vor den Fenstern. Das Zimmer wird aber bald wohl nicht mehr benötigt, denn ab Februar wird in der Einrichtung die Bezahlkarte für Flüchtlinge eingeführt. In den Einrichtungen des Landeskreises dann ab März, wie Lorek erklärt. Aus Sicht der Praxis bringe das nur Vorteile, findet Jagiella.
Eine weitere Besonderheit gibt es beim Rundgang dann noch zu sehen. Es gibt nämlich eine Isolierstation. Dorthin kommen ansteckende Bewohner, so sei etwa bei Ukrainern die Tuberkulose ein Problem gewesen, berichtet Jagiella. Auf der Isolierstation haben die Zimmer eigene Bäder, sonst sind die Vier- und Achtbettzimmer ohne Bad ausgestattet und die Bewohner müssen in die Gemeinschaftsbäder.
Kornwestheims Oberbürgermeister Nico Lauxmann erinnert in seiner Rede zur Begrüßung an die Historie des Gebäudes, das schon immer als Wohnung auf Zeit diente. Er sieht die Bereitstellung durch die Stadt als Zeichen der Solidarität, verheimlicht aber nicht, dass durch die Unterkunft Kornwestheim keine weiteren Flüchtlinge aufnehmen muss in der Anschlussunterbringung.
EA oder LEA
Unterbringung
Erstaufnahmeeinrichtungen (EA), wie die in Kornwestheim, dienen ausschließlich der Unterbringung von Geflüchteten. Sie sind Teil des dreistufigen Aufnahmesystems und stehen dort auf erster Stufe. Ankommende Geflüchtete werden in landeseigenen Erstaufnahmeeinrichtungen untergebracht. Sie dienen vor allem der Entlastung der Landeserstaufnahmeeinrichtungen.
Zusatzleistungen
In Landeserstaufnahmeeinrichtungen (LEA) werden neben der Unterbringung auch das Aufnahme- und Asylverfahren bearbeitet. Aus diesem Grund sind in einer LEA regelmäßig das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit einer Außenstelle sowie das Gesundheitsamt des jeweiligen Stadt- oder Landkreises vor Ort tätig. Derzeit wird untersucht, ob auf dem Schanzacker auf Ludwigsburger Gemarkung eine solche Einrichtung entstehen könnte.
Weiterer Weg
Nach der Registrierung und der Gesundheitsuntersuchung durchlaufen Geflüchtete das Asylverfahren. In der zweiten Stufen werden Geflüchtete auf die Landkreise verteilt in der vorläufigen Unterbringung und schließlich in die kommunale Anschlussunterbringung bei Städten und Gemeinden.