Nördlich von Hemmingen soll ein Windpark entstehen. Foto: dpa/Pia Bayer

In Hemmingen bläst genug Wind, um daraus Strom zu erzeugen. Ein Projektentwickler aus Ellwangen hat deshalb Großes vor. Die Pläne sind weit gediehen – und umstritten.

Vier Windräder drehen sich bald nördlich von Hemmingen im Kreis Ludwigsburg. Dass das im Regionalplan als LB-08 bezeichnete Vorranggebiet (Hemmingen, Eberdingen, Schwieberdingen und Markgröningen) von knapp 145 auf gut 100 Hektar geschrumpft ist, stört den Projektentwickler für erneuerbare Energien und künftigen Betreiber, Uhl Windkraft, nicht. Der Projektleiter Philip Gohl erläuterte dem Hemminger Gemeinderat, das betreffe vor allem Flächen in Richtung Schwieberdingen. Für ihn sei wichtig, dass mit der zweiten Offenlegung des Regionalplans zur Teilfortschreibung für Windkraftanlagen „für uns als Planer eine gewisse Sicherheit“ eingetreten ist. Das Kerngebiet bleibe vorhanden, darauf konzentriere man sich. Zumal es das chancenreichste Gebiet sei.

 

Der Windpark ist für den Anlagenbauer aus Ellwangen (Ostalbkreis) in der hiesigen Region das erste Windparkprojekt. Der Kreis Ludwigsburg hat bislang ein einziges Windrad. Die Anlage in Ingersheim, ein Bürgerwindrad, ging im Jahr 2012 in Betrieb. Mit einer Nabenhöhe von 138 Metern ist sie kleiner als die Windräder, die in Hemmingen geplant sind: Diese haben 179 Meter Nabenhöhe und sollen bei einer Leistung von zusammen 27,2 Megawatt im Jahr jeweils zwölf bis 13 Millionen Kilowattstunden Ertrag liefern, womit sich 3400 Haushalte mit Ökostrom versorgen ließen. Die Besitzer der landwirtschaftlichen Flächen haben sich laut Gohl im Rahmen eines Flächenpachtmodells zusammengeschlossen und mit Uhl Nutzungsverträge vereinbart.

Seltene Zugvögel rasten im Strohgäu

Läuft alles nach Plan, reicht das Unternehmen bis Jahresmitte den Genehmigungsantrag ein. Spätestens Mitte 2028 könnten die Windräder rotieren. Zunächst muss Uhl unter anderem den Baugrund prüfen. Das Fundament der Windräder hat einen Durchmesser von fast 30 Metern und soll 3,75 Meter tief in die Erde. Zwar unterstützen der Bürgermeister Thomas Schäfer (CDU) als auch die Gemeinderäte das Vorhaben. Der Slogan der Gemeinde lautet passend dazu: „Hemmingen hat Energie“. Der Rathauschef erwähnt gern, dass der Kommune ein halbes Windrad genüge, um energieautark zu sein. Dreiviertel des in Hemmingen verbrauchten Stroms werden im Ort produziert. Doch wo in Hemmingen genug Wind bläst, ist der Regenpfeiferacker – wo sich der seltene Goldregenpfeifer beziehungsweise Mornellregenpfeifer aufhält. Auch andere seltene Zugvögel rasten auf der landesweit besonderen Fläche zwischen dem Zeilwald und der Katharinenlinde. Daher steht der Standort auch in der Kritik. Ein Windrad grenzt direkt an den Zeilwald.

Das bislang einzige Windrad im Landkreis Ludwigsburg dreht sich in Ingersheim. Foto: Werner Kuhnle

Um den Unmut wegen der Lage wissen Philip Gohl und sein Kollege Matthias Pavel freilich. Dieser betonte, der Naturschutz sei ein großes Thema. Man habe die Tiere und ihr Rastverhalten beobachtet und Gutachten erstellt. Ute Freitag (CDU) hatte zuvor angemerkt, sie wundere sich, dass der Gemeinderat den Bericht von Uhl nur zur Kenntnisnahme bekomme. Ehe die Regionalversammlung die zweite Offenlegung beschloss, hatte Leo Buchholz (Grüne) angemahnt, den Artenschutz stärker zu berücksichtigen. Besonders kritisch sei LB-08, das als Zugvogelgebiet von überregionaler Bedeutung bekannt sei.

Die CDU-Rätin Freitag stellte zudem fest, dass die Windräder in unmittelbarer Nähe zu Gartenhäusern stehen werden. Ebenso diene die Umgebung der Naherholung. In dem Fall würden nicht die Mindestabstände von 800 Metern wie zu Wohnbebauung gelten. Laut Gohl sind die Anlagen mit 40 Dezibel so geräuschvoll „wie ein leises Gespräch“.

Das Land verlangt mehr Windräder

Im Kreis Ludwigsburg gibt es 20 Vorranggebiete für Windkraft, regionsweit sind es 87. Zur Ausweisung dieser Gebiete ist das Land gesetzlich verpflichtet: Im Klimaschutzgesetz steht, dass 1,8 Prozent der Landesfläche für den Bau von Windrädern ausgeschrieben werden muss. In Hemmingen ist noch das Gebiet LB-07 im westlichen Teil der Gemarkung definiert. Im Herbst soll der Regionalplan stehen.

Wirbel um Windkraft

Offenlegung
Anfang April hat die Regionalversammlung des Verbands Region Stuttgart (VRS) die zweite Offenlegung des Regionalplans zur Teilfortschreibung für Wind- und Freiflächen-Photovoltaikanlagen (PV) beschlossen. Bis einschließlich 7. Juli liegt der Planentwurf geändert zum zweiten Mal aus.

Widerstand
Der Entwurf hatte zuvor 91 Vorranggebiete für Windkraft und 82 Vorranggebiete für Freiflächen-PV-Anlagen vorgesehen. Bis unter anderem rund 6700 Stellungnahmen von Kommunen, Trägern öffentlicher Belange, Naturschutzverbänden und Bürgern eingegangen sind – von denen sich etwa 6500 auf die Vorhaltegebiete für Windkraftanlagen beziehen. Übrig geblieben sind nun 87 Gebiete für Windräder. Im Kreis Ludwigsburg ist die Zahl der Vorranggebiete für Windkraft von 24 auf 20 gesunken. Dagegen wurden die Gebiete für Freiflächen-PV-Anlagen regionsweit unverändert beschlossen.