Hier gibt’s nicht nur harmlose Pausen-Snacks: der Verkaufsautomat beim Fanny-Leicht-Gymnasium Foto: Lichtgut/Julian Rettig

Vor Schulen in Stuttgart stehen plötzlich Automaten, die auch E-Zigaretten verkaufen. Beim Schickhardt-Gymnasium gibt’s sogar Artikel zum Cannabis-Konsum. Was sagt die Stadt?

Das Fanny-Leicht-Gymnasium in Vaihingen gehört zu den Stuttgarter Schulen, die großen Wert auf eine vernünftige und ausgewogene Verpflegung ihrer Schüler legen. Deshalb rieb sich nach den Pfingstferien nicht nur Schulleiterin Antje Rannert die Augen. Vor dem Wohnhaus direkt gegenüber des Haupteingangs der Schule stand plötzlich ein großer Automat, gut bestückt mit Getränken in Dosen und Tetrapacks, allerlei Süßigkeiten und Chips, sogar Utensilien fürs Rauchen von E-Zigaretten werden dort vorgehalten.

 

„Das konterkariert völlig die Philosophie unserer Schule“, betont die Schulleiterin. Es gebe am Fanny, wie das Gymnasium familiär genannt wird, „eine lange Tradition“, den Schülern „frisches und gesundes Essen anzubieten“. Erfüllt von diesem Geist engagieren sich schon seit vier Jahrzehnten auch Eltern in der Schulcafeteria Treffpunkt Fanny. Verpackungsmüll wie Dosen und Tetrapacks vermeidet man. Was nicht heißt, dass es dort gar nichts Süßes gibt, aber man achtet auf ein ausgeglichenes Angebot. Deshalb sei der Süßigkeitenautomat „im direkten Umfeld der Schule nicht sinnvoll“, sagt Antje Rannert zurückhaltend. „Ich bin darüber nicht glücklich.“

Dass der Automat gezielt an der Stelle zur Gewinnung von kaufwilligen Schülern aufgestellt wurde, ist für die Schulleiterin keine Frage. Bei dem Quartier handle es sich um ein „ruhiges Wohngebiet“, sagt die Schulleiterin. „Die meisten Vorbeigehenden sind Schüler.“ Wobei sich von den rund 750 Pennälern des Fanny zumindest in der Unterrichtszeit nur die etwas älteren angesprochen fühlen dürfen, die Jüngeren bis zu Klasse zehn dürfen das Schulgelände nicht verlassen.

Automat ist nicht genehmigungspflichtig

Was aber tun? Die Schulleiterin hat sich mit dieser Frage auch an das Schulverwaltungsamt und an den Bezirksvorsteher gewandt, das Rechtsamt wurde eingeschaltet. Das ernüchternde Ergebnis: Automaten wie diese sind nicht genehmigungspflichtig. „Es gibt keine Handhabe dagegen“, muss Antje Rannert bisher feststellen.

Ein ähnliches Problem hat das Schickhardt-Gymnasium im Süden. Nur etwa 50 Meter von der Schule entfernt wurde dort auf einem Privatgrundstück ein Automat aufgestellt. In diesem werden sogar Vapes, also E-Zigaretten, und Utensilien nicht nur für den Tabak-, sondern auch für den Cannabis-Konsum angeboten. „Das ist nicht gut“, sagt Schulleiter Ralph Nigl. Auch er hat die Stadt eingeschaltet deswegen und die Polizei. Mit dem gleichen Ergebnis wie in Vaihingen: „Da kann man nichts machen“, so der Schulleiter.

Als Innenstadtschule sei man einiges gewöhnt, macht Ralph Nigl deutlich. Am unweit des Schickhardt-Gymnasiums gelegenen Schoettle-Platz gebe es die Artikel am Kiosk auch zu kaufen. „Dort kriegen die Schüler alles.“ Im Fall des Automaten aber stört ihn „die auffällige Nähe zur Schule“. Als Reaktion darauf achten die Lehrkräfte nun darauf, dass in der großen Pause keine Schüler das Gelände verlassen, das dürfen sie in der Zeit nicht, anders als in der Mittagspause.

Die Stadt bestätigt auf Anfrage: „Wenn die Automaten auf Privatflächen stehen, gibt es keine gewerberechtliche oder straßenrechtliche Handhabe.“ Wenn allerdings „Tabakwaren oder andere nikotinhaltige Erzeugnisse angeboten werden, muss durch eine Altersprüfung sichergestellt sein, dass Kinder und Jugendliche diese nicht entnehmen können“. Das Gesundheitsamt stehe der Aufstellung solcher Automaten „äußerst kritisch gegenüber“. Man ist wie die Deutsche Gesellschaft für Ernährung der Meinung, „dass Süßigkeiten und zuckerhaltige Getränke nicht aktiv in Schulen und deren Umfeld angeboten werden sollen“. Dies gelte besonders für E-Zigarettenzubehör. Dieses sollte aus Sicht der Stadt „nicht in der Nähe von Schulen“ offeriert werden – „selbst wenn das Jugendschutzgesetz eingehalten wird“.

Elternbeirat engagiert sich gegen den Automaten

Das Fanny-Leicht-Gymnasium will die Sache damit aber nicht einfach auf sich beruhen lassen. Am Montag hat die Schulleitung mit dem Elternbeirat ein Schreiben dazu an die Eltern der Schüler verfasst. Darin heißt es, der Verkaufsautomat biete „neben Süßwaren und Softdrinks auch Energydrinks und E-Zigaretten an“. Angesichts der Nähe zur Schule sei dieses Angebot „absolut unangemessen“. Das sieht auch Ralf Athen so. „Offensichtlicher geht’s nicht“, sagt der Elternbeiratsvorsitzende über die Absicht, mit den Schülern „schnell ein paar Euro zu verdienen“. Insbesondere das Anbieten von Energydrinks und E-Zigaretten findet er „fragwürdig“.

Wie die Schulleitung ist auch der Elternbeirat der Meinung, „dass der Verkaufsautomat dort nicht stehen bleiben sollte“, wie es in dem Schreiben an die Eltern heißt. Um diese Haltung der Stadt deutlich zu machen, enthält das Schreiben die E-Mail-Adresse des städtischen Beschwerdemanagements und einen vorgefassten Text. Diesen können die Eltern, so sie die Meinung der Schule teilen, „als sogenannte ‚gelbe Karte’ bei der Stadt einreichen, um auf die Problematik hinzuweisen und eine Überprüfung zu veranlassen“.