Silvia Panzer führte seit 25 Jahren den gleichnamigen Feinkostladen an der Ecke Arndt-/Bebelstraße. Foto: Georg Friedel

Der Stuttgarter Westen ist bald um eine kleine Einkaufsattraktion ärmer: Feinkost Panzer an der Arndtstraße schließt Mitte des Jahres. Die Stammkunden werden die Delikatessen vermissen – aber auch die Betreiberin Silvia Panzer.

Es klingt vielleicht ein wenig vermessen: Aber im Grunde ist und war der Feinkostladen von Silvia Panzer auch wie eine Art Wohnzimmer für ihre Kunden. Wer zu ihr auf einen Kaffee reinschaute, fühlte sich sofort heimisch. Ein netter Schwatz mit der Betreiberin oder ein freundliches Wort ihrer Beschäftigten begleitete meist den Einkauf der Kunden.

 

Auch die Einrichtung des Ladens passte perfekt zu dieser familiären Atmosphäre: „Sie werden es nicht glauben, aber die meisten Sachen hier drin habe ich vor dem Sperrmüll gerettet“, sagt sie.

Der Mietvertrag für den Laden im Erdgeschoss des sandsteinfarbigen Wohnhauses an der Ecke Arndt-/Bebelstraße endet nun Mitte des Jahres. Ein halbes Jahr Fristverlängerung hat sie für ihr Geschäft noch bekommen, Ende Juni muss sie raus. Ist ihr angesichts des absehbaren Endes nach insgesamt 45 Jahren Feinkost Panzer nicht zum Heulen zumute? „Oh ja, ohne Worte“, entgegnet sie. Und schon schießen ihr Tränen in die Augen. Offenbar habe es keine gemeinsame Basis mehr mit dem Vermieterpaar gegeben. Panzer gibt aber auch offen zu, dass sie wegen Außenständen bei ihren Mietzahlungen auch mal in Rückstand geriet.

Umzingelt von Lebensmittelketten

Lange hat sie mit ihrem Lebensmittelangebot der stärker werdenden Konkurrenz durch die Discounter getrotzt. Aber nun sei sie auch erleichtert, dass sie ihr Geschäft bald los sei, berichtet Panzer. Denn bei aller Ambivalenz der Gefühle muss die Einzelhändlerin auch knallhart konstatieren: Die großen Lebensmittelketten um sie herum hätten ihr schon „einen spürbaren Anteil vom Umsatz abgegraben“.

Sei’s drum, die Feinkostexpertin hat jetzt keine Lust mehr, über vergossene Milch zu reden. Stattdessen will sie gemeinsam mit ihrem Team noch mal in die Hände spucken und der Öffentlichkeit zeigen, was da im Westen für eine Perle verloren geht.

Gegen 4.30 Uhr geht es auf den Großmarkt

Heute Morgen habe sie etwas verschlafen, beichtet die 63-jährige Powerfrau an einem Dienstagvormittag, während sie im Nebenraum frisches Gemüse sortiert. Normalerweise steht sie um vier Uhr auf. Anschließend geht es stracks zum Wangener Großmarkt. Nach anderthalb bis zwei Stunden hat sie dort die Auswahl ihrer frischen Waren abgeschlossen: „Im Sommer darfst du die ganzen Beeren und frischen Sachen probieren“, schwärmt sie. „Danach bist du pappsatt.“ Danach geht es zurück in den Westen, wo sie ihre Waren auslädt und einige Kisten mit Obst und Gemüse draußen auf dem breiten Trottoir aufbaut.

„Wir machen ja schon um 6.30 Uhr auf“, erklärt sie. Da ist morgendliche Eile geboten. Abends gegen 18.30 Uhr schließt sie die Ladentür wieder zu, manchmal kommt am Abend noch ein Gin- oder Whiskey-Tasting mit ausgewählten Gästen dazu. Ein 15-stündiger Arbeitstag mit Mittagspause kommt so schnell zusammen. Oder mehr. Und das seit Jahrzehnten.

Angefangen hat die Ära Feinkost Panzer im Jahr 1980. Damals übernahm Mutter Theresia in der Breitscheidstraße 88 einen Lebensmittelladen, den sie zuvor kurze Zeit als Filialleiterin geführt hatte. „Ich habe meiner Mutter von Beginn an unter die Arme gegriffen“, erzählt Silvia Panzer, die eigentlich Bürokauffrau gelernt hat. Im Dezember 1991 zogen Mutter und Tochter dann mit ihrem Geschäft an die Arndtstraße 38. Seit Juli 2000 führt Silvia Panzer den dortigen Feinkostladen. In den Regalen und Auslagen liegen Köstlichkeiten, die man sonst kaum in Stuttgart bekommt. Zum Beispiel edle Picknicksoßen, die bei einer Firma in Appenweier hergestellt werden. Oder leckere Tunken aus der Pfalz. Eingemachtes der „Staud’s“ aus Wien oder Produkte vom „Soßenkönig“ aus Mühltal stehen bei ihr im Regal. Auf süße Schleckermäuler warten um die 40 verschiedene Trüffelpralinen aus Lettland und Österreich. „Zudem haben wir 150 Gin-Sorten“, sagt Panzer. Auch ihre Whiskey-Auswahl wird geschätzt.

Thomas Hitzlsperger kaufte gern hier ein

Aber nicht nur die Delikatessen werden geschätzt, auch die gute Stimmung, die im Laden herrscht: „Wir waren schon immer ein sozialer Treffpunkt“, sagt Panzer. Doch bei aller Geselligkeit achtete die Chefin auch auf die notwendige Diskretion. So kam zum Beispiel auch Nationalspieler und VfB-Ikone Thomas Hitzlsperger regelmäßig zum Einkaufen hierher, als er noch um die Ecke wohnte. „Viele Kunden fragten mich damals: Können wir ein Autogramm bekommen oder ein Foto mit ihm machen?“, erinnert sie sich. Doch sie winkte stets ab und erwiderte: „Nein, das gibt es nicht in meinem Laden, jeder soll in Ruhe bei mir einkaufen können.“ Und was macht „Frau Feinkost“ nun ab Juli? Konkrete Pläne hat Silvia Panzer noch nicht, aber wie sagte einst der Fußballkaiser Franz Beckenbauer: „Schau’ mer mal.“