Brauereichef Christian Dinkelacker (links) und Marketing-Leiter Felix Durchdenwald bei der Eröffnung von „Shop & Schanke“ im früheren Pförtnerhäusle der Brauerei. Foto: Andreas/Engelhard

Am Samstag startet das Stuttgarter Frühlingsfest – während die Bier-Branche in der Krise steckt. Christian Dinkelacker klagt bei einer Feier seiner Brauerei über drastische Umsatzverluste im Land. Woran liegt es?

Zum Wohl! Ohne Alkohol! Vor allem junge Menschen scheinen keinen Spaß an Saufgelagen zu finden. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung teilte nach einer Erhebung mit, dass der Alkoholkonsum bei 16- bis 25-Jährigen in Deutschland einen historischen Tiefstand erreicht habe. The Next Generation übt sich im Verzicht. Der Renner bei Jungen sei neuerdings alkoholfreier Aperol Spritz, hört man beim Brauerei-Event.

 

 Christian Dinkelacker, 61, sticht bei der Feier seines Brauereiausschankes, der als „Shop & Schanke“ im ehemaligen Pförtnerhäusle der Produktionsstätte an der Tübinger Straße eröffnet wird, ein Fass an, in dem noch alkoholhaltiges Bier drin ist. Nur zwei Schläge braucht der Urenkel des Gründers, dann fließt das Helle in die Gläser.

Die alkoholfreie Sorte heißt „Freibier“

Am Samstag startet das Frühlingsfest, das ein Bierfest ist und Brauereien zumindest für drei Wochen glücklich machen dürfte. Kurz bevor es auf dem Wasen losgeht, hat der Chef von Dinkelacker/Schwabenbräu (seit 1996 sind die beiden Marken fusioniert) Freunde des Hauses an den Hauptsitz des traditionsreichen Familienunternehmens geladen. Es gibt Frischgezapftes und Maultaschen. Auf einigen Flaschen steht „Freibier“, so heißt die alkoholfreie Sorte. In die zufriedenen Gesichter seiner Gäste hinein sagt der 61-Jährige, was ihn aus Firmensicht bedrückt.

Die Absatzkrise halte an, klagt Dinkelacker. Im Februar habe das Minus bei allen Brauereien in Baden-Württemberg bei 15,6 Prozent gelegen. Der Exportanteil ist hierbei mitgerechnet, der wegen des fehlenden Exports nach Russland deutlich eingebrochen ist. Der Verlust im Inland betrug 7,4 Prozent im Vergleich zum Februar des Vorjahrs. So gehe das seit Jahren. Auch wenn sich sein Haus besser geschlagen habe als der Markt, sagt der Chef, sei die Lage angesichts der negativen Entwicklung ernst.

Einige Gäste überlegen prompt, ob sie solidarisch saufen sollten, um Verluste des Familienbetriebs auszugleichen – und besprechen, woran die wachsende Bier-Enthaltsamkeit liegt. Einerseits steigen die Kosten für Rohstoffe, Energie, Personal und Logistik, so ist zu hören, stark an, auf der anderen Seite bekommen die Brauereien das wachsende Sparbestreben der verunsicherten Verbraucher zu spüren. Die schlechte wirtschaftliche Lage bremst den Umsatz.

Die beiden Betreiber von „Shop & Schanke“ an der Tübinger Straße /ENGELHARDPHOTOGRAPHY

Die Leute sparen – auch am Bier. „Man überlegt sich, wenn man in der Kneipe, im Biergarten oder auf dem Wasen ist, ob man wirklich noch ein zweites Bier trinken sollte, oder ob nicht eines reicht“, beobachtet Felix Durchdenwald, der Marketingchef von Dinkelacker/Schwabenbräu.

Der Ausschank befindet sich im früheren Pförtnerhäusle

Marketing ist dazu da, bei Kaufzurückhaltung gegenzusteuern und sich etwas einfallen zu lassen, damit die Umsätze wieder steigen. Die Marke soll in Stuttgart „sichtbarer“ werden – dies ist eine der Überlegungen. Deshalb hat die Brauerei den viermal in der Woche geöffneten Shop samt Merchandising („Wir wollen Wulle“ steht auf Hoodies) und samt Ausschank genau dort an der Straße eröffnet, wo einst der Pförtner saß. Am 26. April steigt obendrein ein großer Rave auf dem Brauereigelände: „Beer meets Eletronicmusic meets Art“ heißt es dann.

Auf dem Stuttgarter Frühlingsfest ist Dinkelacker/Schwabenbräu im Hintertreffen. Nur das Festwirtpaar Daniela und Karl Maier (auch sie feiern bei „Shop & Schanke“ mit) schenkt im Göckelesmaier-Zelt Bier aus der Tübinger Straße aus. Die Konkurrenz von Stuttgart Hofbräu beliefert die restlichen drei Bierzelte. Ist diese regionale Brauerei (sie gehört der Radeberger Gruppe) ebenfalls vom drastischen Umsatzverlust betroffen?

„Die Sonne ist der beste Umsatzbringer“

Hofbräu-Chef und VfB-Sponsor Martin Alber ist nicht beim Schankfest der Kollegen dabei, wir rufen ihn daher an. Verkaufszahlen will er nicht nennen, betont aber: „Auch wir haben Verkaufsrückgänge, aber die liegen unter der Prozentzahl, die Christian Dinkelacker genannt hat.“ Alber will Optimismus verbreiten – und appelliert an Petrus: „Die Sonne ist unser bester Umsatzbringer!“ Denn je heißer, desto größer der Bierdurst.

Beim Schankfest im und ums frühere Pförtnerhäusle ist der Stuttgarter Nachtmanager Nils Runge dabei. Der Alkoholverzicht junger Menschen, sagt er, treffe auch die Clubs der Stadt hart, die zunehmend kämpfen müssten. Über manche Clubgäste wundert sich Runge: „Sie wollen Wasser, aber nehmen Drugs, die viel schneller wirken.“

Was Studio-Amore-Gründer Janusch Munkwitz plant

Carsten Weller, der als Nachfolger von Werner und Dieter Klauss das Dinkelacker-Zelt im Herbst 2026 beim Volksfest übernimmt, berichtet von einem gemeinsamen Gastro-Projekt mit der Brauerei an der Calwer Straße. Und Janusch Munkwitz, der Gründer des Studios Amore, freut sich, dass sein Jules Café, das er nach Erfolgen in Berlin nach Stuttgart gebracht hat, so gut angenommen wird. „Die Chance, an einem so hochfrequentiertem Ort wie dem Hauptbahnhof einen wirklich guten Kaffee anzubieten, ist in Deutschland einmalig“, sagt er.

Mit dem Studio Amore dagegen sei in diesem Sommer endgültig Schluss, so Munkwitz, auch wenn die LBBW Immobilien-Gruppe kürzlich mitgeteilt hat, der Baustart für die Sanierung des Schlossgartenhotels verzögere sich aufgrund eines Baumes erneut. Die Baumschutzsatzung der Stadt mache diese Verschiebung notwendig.

Munkwitz will mit seinem Team noch mal richtig Gas geben vor dem Auszug aus dem Hotel – und überlegt, wie er die Marken Studio Amore und Studio Gaga bewahren kann. Womöglich an einem neuen Pop-up-Standort? Gibt’s da alkoholfreien Aperol Spritz?