Ausgezeichnete Trainerin: Yulia Raskina (re.) mit Sportgymnastin Margarita Kolosov. Foto: Baumann

Sie trainiert die Sportgymnastinnen aus Fellbach-Schmiden, die bei der WM 2022 herausragende Leistungen gezeigt haben. Nun erhielt Yulia Raskina eine außergewöhnliche Auszeichnung – und trotzdem bleiben die Ziele hoch.

Im Rampenlicht standen bei der Wahl der Sportler des Jahres im Kurhaus in Baden-Baden Sprinterin Gina Lückenkemper und Zehnkämpfer Niklas Kaul – aber nicht nur. Der Fokus richtete sich neben den beiden Leichtathletik-Stars auch auf Yulia Raskina. Die Stützpunkttrainerin der Rhythmischen Sportgymnastinnen in Fellbach-Schmiden wurde, nach der besten WM seit mehr als 30 Jahren, als Deutschlands Trainerin des Jahres ausgezeichnet.

Raskina (40), die aus Weißrussland stammt, gewann in ihrer aktiven Karriere Olympia-Silber und fünf WM-Medaillen – und ist nun auch als Trainerin erfolgreich. Bei der WM 2022 holte die deutsche Mannschaft fünf Medaillen, darunter einmal Gold. Es ist noch nicht lange her, da schien das völlig unmöglich zu sein.

Frau Raskina, was bedeutet die Ehrung als Deutschlands Trainerin des Jahres für Sie?

Diese Saison war für uns sehr erfolgreich, ich bin deshalb schon länger ziemlich glücklich. Ich freue mich, dass die Rhythmische Sportgymnastik endlich die Anerkennung bekommt, die sie verdient. Ich bin mit meinem ganzen Team hier in Baden-Baden – diese Auszeichnung bedeutet viel für unsere Sportart. Obwohl ich, als ich davon gehört habe, erst mal unsicher war.

Warum?

Ich arbeite seit acht Jahren in Schmiden und war noch nie auf so einer Veranstaltung. Ich wusste nicht, was mich erwartet. Und ich habe nie von so einer großen Bühne geträumt. Meine Träume waren kleiner.

Wie sahen diese aus?

Ich wollte, dass meine Mädels gute Leistungen bringen – überall, wo sie turnen, sollten sie zeigen, was sie können. Das haben sie geschafft. Jetzt bei so einer Gala zu sein, macht mich glücklich. Ich bin sehr stolz auf unser Team.

Es war allerdings eine persönliche Auszeichnung für Sie.

Das stimmt. Aber diese Erfolge habe ich natürlich nicht alleine erreicht.

Wie groß war Ihr Anteil?

Schon groß. Und trotzdem bleibt es immer eine Teamleistung. Wir sind in Schmiden eine ganz, ganz tolle Gemeinschaft. Sehr viele Leute arbeiten für diesen Erfolg und unterstützen mich.

Was zeichnet Sie als Trainerin aus?

Das ist schwer zu sagen, wirklich. Ich war eine gute Gymnastin, doch als Trainerin musste ich mir alles von Anfang an erarbeiten. Die Mädels waren noch Juniorinnen, und wir haben in Schmiden Schritt für Schritt etwas aufgebaut – in acht Jahren harter Arbeit, in denen wir jeden Tag alles gegeben haben, um den nächsten kleinen Schritt nach vorne zu machen. Das ist am Ende wohl meine Stärke: eine kontinuierliche Arbeiterin zu sein. Egal, was wir erreicht haben, am nächsten Tag geht es wieder von vorne los.

Wie viel Zeit ist dafür pro Woche nötig?

Ich bin Vollzeittrainerin – aber nicht nur für 40 Stunden (lacht). Ich will für alle da sein.

Die Rhythmische Sportgymnastik hat ja den Ruf, dass es nur mit knallharten Einheiten nach vorne geht. Sind Sie eine strenge Trainerin?

Ich bin streng, aber ich bin sehr fair. Ich habe in unserer Halle eine Atmosphäre aufgebaut, in der die Mädels verstehen, was sie wollen. Wir sitzen in einem Boot, und ich kann ihnen nur dabei helfen, das zu erreichen, was sie wollen. Pushen? Das tue ich nicht. Die Turnerinnen machen es für sich selbst. Wer nicht will, der muss nicht. Ich bin sehr glücklich, nun die Bestätigung bekommen zu haben, dass wir wenig falsch machen. Von mir sind alle Musiken, alle Choreografien – und alles, was ich mir für meine vier Mädels vorgestellt habe, hat funktioniert. Das ist wunderbar und macht mich glücklich.

Sie hatten im September in Sofia eine sehr erfolgreiche WM. Welche Rolle hat es gespielt, dass russische und belarussische Athletinnen dort nicht starten durften?

Meine Einstellung ist immer, bei Meisterschaften nicht an Punkte und Medaillen zu denken. Sondern daran, die beste Leistung zu bringen. Wenn meine Mädels zeigen, was wir trainiert haben und was sie können, bin ich zufrieden. Ich war in Sofia schon glücklich, bevor feststand, was am Ende dabei herauskommt – denn bei dieser WM hat alles geklappt. Natürlich sind Russland und Weißrussland sehr starke Nationen. Aber sie waren nicht da. Dafür sind wir bereit gewesen, viel zu erreichen.

Was sind die Ziele für die Zukunft?

Wir haben große Ziele. Einen Quotenplatz für die Olympischen Spiele 2024 in Paris haben wir bereits gewonnen. Jetzt geht es darum, bei der WM 2023 in Valencia ein weiteres Ticket zu lösen. Darauf bereiten wir uns vor. Und es wird jetzt natürlich auch darum gehen, unser hohes Niveau zu bestätigen und noch besser zu werden. Das wird nicht einfach.