Architekt Cyrus Ghanai kümmert sich um Design und Räume – und eben auch um Festzelte. Foto: Hochburg.Design

Selfiewand und genderneutrale Toiletten, die Bühne in der Mitte und graue, verstärkte Bierbänke – was man beim Design eines Festzeltes beachten muss.

Auf den ersten Blick mag ein Festzelt so reduziert wirken wie die einfache Zeichnung eines Hauses: ein paar Striche, ein Dach – fertig. Doch welche Bedeutung kommt der Innenarchitektur in diesem temporären Raum zu, insbesondere auf dem Cannstatter Wasen?

 

Cyrus Ghanai, Stuttgarter Innenarchitekt mit Schwerpunkt Gastronomie, erläutert, wie aus schlichten Wänden eine Atmosphäre entsteht, die weit mehr bietet als nur ein „Zelt mit Bänken“.

Vor Ort im Zelt „Beim Benz“ auf dem Cannstatter Wasen

Die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren. Während der Regen auf das Festzeltdach prasselt und sich draußen knöcheltiefe Pfützen bilden, führt Cyrus Ghanai (61) durch sein jüngstes Werk: das Festzelt „Beim Benz“. Es wurde von ihm neugestaltet, in einen sanften Lindgrünton getaucht, mit kaminroten Akzenten versehen und erhielt so ein eleganteres Erscheinungsbild. „Raus aus dem Honig“, wie Ghanai es formuliert, meint den Holzton, der die Atmosphäre viele Jahre lang prägte.

Eine Loge im Zelt „Beim Benz“: immer wichtig, die Deko in unerreichbarer Höhe anbringen. Foto: Hochburg.Design

Als sich Hans-Peter Grandl nach einem Vierteljahrhundert vom Cannstatter Wasen, also vom Volks- und Frühlingsfest, verabschiedete, war für den Newcomer Marcel Benz klar, dass er auch zeigen wollte, dass er zwar der Tradition und dem Erschaffenen Tribut zollt, aber auch neue Wege gehen möchte. Ghanai ist ein Freund von ihm, hat sich aber bereits mit vielen Gastronomieprojekten und dem Umbau der Göckelesmaier-Zelte einen Namen gemacht. Der Spezialist weiß: Ein Festzelt folgt eigenen Regeln.

Mit dem Zelt vom Göckelesmaier ging es los. Foto: Daniel Mühlebach

Die Bühne steht „Beim Benz“ auf dem Volksfest im Zentrum

Natürlich war für Benz und Ghanai ein Besuch der Wiesn in München Pflicht. Danach war klar: Die Bühne kommt in die Mitte. Im Inneren des Quaders befindet sich die Garderobe für die sieben Bands, die hier in den nächsten 17 Tagen auftreten werden. Auch die Menschen in den Logen sind nun näher dran. Nun also kommt der Sound für die 5500 Gäste von der Bühne in der Mitte, darüber Screens. „Wenn der Sound nicht stimmt, dann ist die Stimmung durchwachsen“, sagt Marcel Benz. Vor der Bühne sind Stehtische, die an Samstagen auch reserviert sind. Ansonsten könnte man dort noch eher einen Platz bekommen. Dass sich die Wirte auf dem Cannstatter Wasen so viel Mühe mit dem Design geben, kommt nicht von ungefähr: „Wir müssen uns hier mehr Mühe geben, dass die Leute zu uns kommen. Das Oktoberfest ist ein Selbstläufer.“

Die Logen befinden sich im Festzelt „Beim Benz“ am Rand

In der Hausloge „Beim Benz“ gibt es eine einzige Bank, die gepolstert ist: Hier sitzt Marcel Benz mit gutem Blick auf die Bühne. Alle anderen Bänke sind mit einem leicht zu reinigenden, robusten Stoff versehen. Jeder weiß: spätestens nach einer halben Maß steht die Menge auf der Bank. Doch der Architekt weiß: „Je gepflegter die Stimmung ist, desto weniger wird randaliert.“

In der Loge mit Ornamenten an der Wand gibt es eine extra Bar und genderneutrale Toiletten im Brauereizelt von Hofbräu. Jede Loge ist etwas anders: Besonders ist die Kessler-Loge mit einer Außenstelle des Kult-Imbisses Zum Brunnenwirt, wo man für den späten Hunger noch Currywurst und Schweinebauch bekommt.

„Raus aus dem Honig“ – neue Farben prägen das Erscheinungsbild. Foto: Hochburg.Design

Die Besonderheiten im Zelt „Beim Benz“ auf dem Cannstatter Volksfest

Auch das Festzelt geht mit der Zeit: Vor einer Selfiewand ist alles für den virtuellen Auftritt vorbereitet. Viel wichtiger: Die Materialien müssen feuerresistent sein.

Im Festzelt kommt es eher zu Vandalismus als sonst wo. Deshalb sind die Lampen eher preiswert, falls sich jemand daran zu schaffen machen sollte. Jeden Morgen entfernen Reinigungskräfte die zahlreichen Aufkleber im Zelt. Sogar Teleskopstangen haben die Feiernden dabei, um sich mit Bäbbern zu verewigen.

Die Biertischgarnituren sind keine, die man zuhause im Hobbykeller stehen hat. „Das sind extra verstärkte Festzelt-Bierbänke“, erklärt Benz. Gemeinsam mit Ghanai hat man entschieden, dass sie in einer Sonderfarbe, einem sanften Grauton, gestrichen werden.

Weil man bekanntermaßen selten über Geld spricht, werden genaue Angaben über die Investitionen nicht gemacht. Man bewege sich aber im höheren sechsstelligen Bereich. Ja, so ein Festzelt ist irgendwie doch mehr als ein paar Striche plus Dach.