Die Landesregierung stellt die Raucherlaubnis in den Wasenzelten auf den Prüfstand. Foto: Lichtgut//Julian Rettig

Die Landesregierung will Nichtraucher besser schützen. Trifft es nun auch die Zelte des Volksfestes? Wirte sprechen sich strikt gegen ein Rauchverbot aus – die Initiative Pro Rauchfrei indes fordert genau dies mit Nachdruck.

„Ausg’raucht is’“ – seit 14 Jahren gilt dies in den Zelten der Wiesn in München. Das Oktoberfest mag im direkten Vergleich mit dem Cannstatter Volksfest unverändert der Spitzenreiter sein, was Größe, Besucherzahlen und teure Bierpreise angeht – doch für Raucher ist der Wasen die Nummer eins. Dort zählt die Lizenz zum Smoken zu den Ausnahmen, die das Gesetz zum Schutz von Nichtrauchern in Baden-Württemberg vorsieht. Doch wie lange gilt dieses „Alleinstellungsmerkmal“ am Neckar noch?

In diesem Jahr wird man noch in den Zelten des Cannstatter Volksfestes rauchen dürfen, Foto: dpa/Christoph Schmidt

Koalitionsvertrag sieht besseren Schutz von Nichtrauchern vor

Die grün-schwarze Landesregierung will das bisherige Gesetz überarbeiten, also verschärfen. Markus Jox, der Sprecher des Sozial- und Gesundheitsministeriums, verweist auf Anfrage unserer Redaktion auf den Koalitionsvertrag, in dem die Grünen und die CDU den „Schutz von Nichtraucherinnen und Nichtrauchern“ als wichtig einstufen. Noch in dieser Legislaturperiode werde man „die geltenden Ausnahmen auf den Prüfstand stellen“. Deshalb laufe nun ein „dialogisches Bürgerbeteiligungsverfahren“, erklärt Jox. Befragt werden Verbände, Interessengruppen und Betroffene.

Festwirte und ihr Verband Dehoga bringen sich in Stellung. Sie befürchten, dass die Tage des Rauchens auf dem Wasen gezählt sind und dass die letzte Bastion der Nikotinfans in großen Zelten fällt. „Wir positionieren uns als Verband für die Beibehaltung der bestehenden Rechtslage“, erklärt Jochen Alber, der Geschäftsführer des Hotel- und Gaststättenverbands Dehoga Baden-Württemberg, „weitergehende Verbote und Einschränkungen sind nicht angezeigt.“ Für den Verband stehe die „unternehmerische Entscheidungsfreiheit der Wirtinnen und Wirte im Vordergrund“, sagt er.

„Die Politik sollte sich lieber darum kümmern, dass niemand mit einer Machete auf den Wasen kommt“

Marcel Benz, der Chef des Grandl-Hofbräuzelts, formuliert es pointiert: „Die Politik sollte sich lieber mal darum kümmern, dass niemand mit einer Machete auf den Wasen kommt – wir haben momentan wirklich größere Probleme.“ In einem Festzelt sei die Rauchentwicklung nicht so stark wie in einem geschlossenen Raum. Dank hoher Decken werde die Luft umgewälzt. „Ein totales Rauchverbot hätte einen enormen Mehraufwand zur Folge – mehr Kontrolle, Platz im Außenbereich und Kosten“, gibt er zu bedenken. „Dann wundern sich die Leute, warum wir den Maß-Preis anheben müssen“.

Festwirtin Nina Renoldi Foto: Lichtgut//Julian Rettig

Seine Kollegin Nina Renoldi, Chefin der Almhütte Royal, ist selbst Nichtraucherin, will aber an der Raucherlaubnis festhalten. „In einem Festzelt gibt es noch ganz andere Gerüche neben dem Zigarettenqualm“, sagt sie. Während Corona habe man viel Geld für eine bessere Belüftung investiert, weshalb auch der Rauch nicht mehr so stark sei. Dass in Cannstatt geraucht werden darf, anders als etwa in München oder Bremen, wo die Familie Renoldi ebenfalls vertreten ist, sei für viele auswärtige Gästen ein Grund, den Wasen zu besuchen. Bei einem Rauchverbot würden „Cliquen auseinandergerissen“, gibt sie zu bedenken, „dann müssen Raucher zu einer Seite raus und zur anderen wieder rein.“

„Es wird doch immer weniger in den Zelten geraucht“

Festwirtin Sonja Merz weist darauf hin, dass seit Jahren „immer weniger in Zelten geraucht wird“. Dank besserer Klimaanlagen sei die Luft nicht mehr so verqualmt wie früher. Allenfalls ein Kompromiss kann sie sich vorstellen: „Man könnte tagsüber, wenn Kinder dabei sind, das Rauchen verbieten, und abends das Verbot dann aufheben.“ Michael Wilhelmer von der Schwabenwelt sieht das Problem der schlechten Luft nicht mehr gegeben wie früher: „Die Belüftungssysteme sind bestens, und es rauchen immer weniger Gäste.“ München zeige, dass „eine Unruhe“ entsteht, wenn die Raucher aufstehen und zum Qualmen rausgehen.

Der Verein Pro Rauchfrei freut sich auf die angekündigte Novellierung des Nichtraucherschutzgesetzes. „Dass in Baden-Württemberg noch in Festzelten geraucht werden darf, ist ein Unding“, findet Stephan Weinberger, Vorstandsmitglied der Initiative. „Besonders absurd“ wirke es, „wenn Festwirte zu Familien- und Kindernachmittagen einladen, bei denen dann die Kinder dem Rauch ausgesetzt sind“, sagt er. Die Gäste säßen im Zelt enger und im Schnitt vermutlich länger beisammen als es in einer Raucherkneipe der Fall wäre.

„Das Beispiel Oktoberfest zeigt, dass ein Rauchverbot funktioniert“

„Unserer Ansicht nach hätten Festzelte niemals in Ausnahmeregelungen aufgenommen werden dürfen“, erklärt Weinberger, „Menschen aus vulnerablen Gruppen - Kinder, Schwangere, Asthmatiker, Allergiker, Menschen mit relevanten Vorerkrankungen – müssen deshalb solche Festzelte meiden.“ Am Beispiel Oktoberfest könne man sehen, dass Nichtraucherschutz in Festzelten funktioniere und dort auf keine Kritik mehr stoße. Nichtrauchern rät er vom Besuch verrauchter Zelte ab. Bei der Bürgeranhörung der Landesregierung habe der Verein Pro Rauchfrei seinen Standpunkt klar vertreten und hoffe nun, dass das Rauchverbot auf dem Wasen bald kommt.

In diesem Jahr wird man noch rauchen können in den Zelten des Volksfestes. Doch im nächsten Jahr könnte sich dies ändern, wogegen die Wirte Sturm laufen. Bis zum Ende des Jahres soll der Referentenentwurf zur Änderung des Nichtraucherschutzgesetzes vorliegen, damit sich der Ministerrat damit befassen kann, erklärt Markus Jox, der Sprecher von Gesundheitsminister Manfred Lucha (Grüne). Man werde alle Argumente berücksichtigen. „Auf Grund des derzeit laufenden dynamischen Verfahrens“ will er noch „keine Aussagen über mögliche Änderungen des Gesetzes“ treffen.

Was das Kiffen auf dem Wasen angeht, haben sich Wirte und Veranstalter indes klar positioniert. Marihuana ist in den Zelten und auf dem kompletten Gelände tabu.