Die einstige Buslinie transportiert Schüler – hier an der Realschule in Geradstetten – nur noch innerhalb von Remshalden. Foto: Gottfried Stoppel

Die Schulbus-Kürzungen im Remstal lösen Unmut aus. Jetzt rudert der Landkreis zurück – wenn auch nicht komplett. Doch der Ärger ist damit wohl noch nicht ausgestanden.

Der Sitzungssaal im Landratsamt in Waiblingen (Rems-Murr-Kreis) ist voll wie selten: Eltern drängen sich auf den Zuschauerplätzen, Kinder sitzen auf den Schößen ihrer Mütter. Thema Nummer eins auf der Tagesordnung: „Aktuelle Themen zur Haushaltskonsolidierung“. Was trocken klingt, trifft viele Familien ins Mark.

 

Denn mit dem Sparpaket fiel die Schulbuslinie 217A weg – eine Direktverbindung für rund 240 Schüler zur Schorndorfer Grauhalde und zur Waldorfschule am Engelberg. Für die Verwaltung ein Sparposten – für die Familien ein handfester Einschnitt.

Protest zeigt Wirkung: Teilweise Rückkehr der Buslinie 217A

Die Reaktion darauf: vehement. Rund 1000 Unterschriften in einer Online-Petition, Proteste, Briefe, Medienrummel. Jetzt rudert der Rems-Murr-Kreis teilweise zurück. Wie der Landrat Richard Sigel in der Sitzung verkündet, macht die Verwaltung nun den Vorschlag, die Direktverbindung Geradstetten–Grauhalde ab Herbst 2025 für ein Jahr zu reaktivieren – „als Kompromiss“, wie er betont. Die Finanzierung: je zur Hälfte vom Kreis und von den Gemeinden Remshalden und Winterbach, deren Bürgermeister sich ebenfalls dafür stark gemacht hatten. Für die zweite Verbindung, jene in Richtung Engelberg, bleibt es hingegen bei der Streichung.

Buslinie 217A: Von „Privileg“ zur notwendigen Korrektur

Dass es überhaupt zu dieser Korrektur kommt, war alles andere als selbstverständlich. Noch bis vor kurzem war der Ton ein anderer: Die Linie 217A sei ein freiwilliges Angebot, hieß es in einem Bericht zur Haushaltskonsolidierung. Die Buslinie habe den Rahmen der Schülerbeförderung überschritten – ein „Privileg“, das aus Spargründen nicht länger haltbar sei. Dass betroffene Schüler nun auf S-Bahn und Umstiege verwiesen werden, wurde in Kauf genommen – trotz einer gemeldeten Fahrgastzahl von bis zu 120 pro Fahrt und erheblichem Protest aus den Kommunen.

Verpasste Kommunikation, verlorenes Vertrauen

ÖPNV-Amtsleiter Daniel Wiedmann räumt Versäumnisse ein. Foto: Eva Schäfer

Der ÖPNV-Amtsleiter Daniel Wiedmann räumte in der Sitzung des zuständigen Kreistagsausschusses selbstkritisch ein: Die Kommunikation mit den Eltern sei nicht gut gelaufen. Zwar habe man bereits im vergangenen Herbst mit der Gemeinde Remshalden gesprochen. Doch der eigentliche Informationsfluss war offenbar zäh und bürokratisch. Erst nach den Pfingstferien – also nur wenige Wochen vor der Umstellung – erfuhren viele Familien von den konkreten Änderungen. Da war die Empörung bereits programmiert.

„Wir müssen künftig früher kommunizieren, nachhaken und sicherstellen, dass die Schulen die Infos weitergeben“, so Wiedmann. Dass ausgerechnet die am stärksten frequentierte Schülerlinie als erste gestrichen wurde, kann auch er rückblickend nur schwer vermitteln. Als Begründung nennt er Synergieeffekte: Durch die Umstrukturierung spare man nicht nur einen Gelenkbus samt Fahrer, sondern auch zwei Solobusse, die anderweitig kombiniert werden konnten.

Verkehrschaos nach Betreiberwechsel

Doch es kam noch schlimmer. Mit dem Stichtag 1. Juli wechselte auch der Betreiber für das neu sortierte Linienbündel im Remstal: Das Friedrich-Müller-Omnibusunternehmen (FMO), Tochter der Deutschen Bahn, löste die bisherige Firma Dannemann ab. Was folgte, war ein kleines Fiasko. Fahrer orientierten sich mit Zetteln, Liniennummern fehlten, Busse kamen mit bis zu 40 Minuten Verspätung – oder gar nicht. „Ein Wahnsinnsstress“, beschreibt eine Mutter die ersten Tage gegenüber der Lokalzeitung.

Peinliche Pannen: Bus-Chaos im Rems-Murr-Kreis

Das Landratsamt räumt „peinliche“ Zustände ein. Fünf Fahrer seien zum Dienstbeginn gar nicht erschienen, so der Bericht von Amtsleiter Wiedmann. Die Technik spielte ebenfalls nicht mit: Lichtsignalbeeinflussung und Echtzeitdatenübertragung funktionierten nicht. Das ÖPNV-Amt musste vor Ort eingreifen, versprach aber Besserung „binnen weniger Wochen“. Landrat Sigel ist guter Dinge, dass die Anfangsschwierigkeiten nun überwunden sind. Das Vertrauen der Kunden in den ÖPNV dürfte indes beschädigt sein.

ÖPNV-Kostenexplosion auch im Rems-Murr-Kreis

Der Hintergrund der Einsparungen ist klar: Der Rems-Murr-Kreis muss sparen. Seit 2019 sind die Kosten im ÖPNV um 25,7 Prozent gestiegen – Spielräume gibt es so gut wie keine mehr, so Daniel Wiedmann. Das Ziel: jährlich eine Million Euro im Busverkehr einsparen. Die Streichung der Linie 217A bringe 100 000 Euro – eine Maßnahme, die aus Sicht der Verwaltung tragbar sei, insbesondere da Alternativverbindungen mit der S-Bahn vorhanden seien.

S-Bahn ist aktuell keine wirkliche Alternative

Die Züge der S2 sind zurzeit zu unzuverlässig, um eine echte Alternative für Schüler zu sein. Foto: Eva Schäfer

Doch diese Alternativen sind alles andere als zuverlässig. Auch Landrat Sigel musste einräumen: „Die S-Bahn ist momentan keine echte Option.“ Und mit der anstehenden S21-Inbetriebnahme dürfte sich die Lage weiter verschlechtern. Deshalb betonte Sigel auch: Der Kompromiss sei nicht bloß eine Reaktion auf den Gegenwind, sondern eine Antwort auf die bei genauerer Betrachtung unhaltbare Lage im Schülerverkehr.

Ein Provisorium mit Ablaufdatum

Der Bus fährt zum neuen Schuljahr wieder – aber nur auf Zeit. Nach dem 31. Juli 2026 sind Remshalden und Winterbach selbst am Zug. Wenn sie den Bus wollen, müssen sie ihn selbst zahlen. Der Kreis zieht sich zurück, endgültig. Schon heute sind die Kosten beziffert: 40 000 bis 50 000 Euro pro Jahr.

Die Kreisräte im Ausschuss stimmten dem Kompromiss zu, auch wenn es Anmerkungen gab, dass es Regionen im Kreis gebe, die deutlich unkomfortabler angebunden seien. Der Alfdorfer Bürgermeister Ronald Krötz (CDU) verwies darauf, dass einige Schüler seiner Kommune schon standardmäßig 20 bis 40 Minuten Wartezeit einplanen müssten.

Elternkritik: Umweg für Schüler bleibt unzumutbar

Ob alle Eltern nun zufrieden sind, bleibt fraglich. Nach der Entscheidung meldete sich eine Elternvertreterin zu Wort – mit deutlicher Kritik. Der Kompromiss beschränke sich allein auf die Verbindung zur Grauhalde. Die Direktlinie zum Engelberg sei „unter den Tisch gefallen“. Seit dem 1. Juli müssten Schüler aus dem Raum Waiblingen und Korb an einer gefährlichen Stelle in Großheppach umsteigen – ein Umweg, der „gerade für Erstklässler nicht zumutbar“ sei.

Besonders hart treffe es aber die Schülerinnen und Schüler der Magdalenen-Schule, eines sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentrums in Winterbach. Unter Inklusionsgesichtspunkten sei der Umstieg nicht nur „kontraproduktiv“, sondern auch kostenintensiv. Denn anstelle eines sicheren Busverkehrs seien viele Kinder nun wieder auf Taxifahrten angewiesen – mit allen organisatorischen, sozialen und finanziellen Folgen.