Der marktführer Thalia steigt beim Traditionshaus Wittwer ein. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Herbe Verluste setzten das Familienunternehmen Wittwer wohl unter Druck – und bewogen zum Zusammenschluss mit Thalia. Der Marktführer steht für Effizienz und Optimierung.

Stuttgart - Die Nachricht schlug am Dienstag ein wie der Blitz: Aus dem Stuttgarter Traditionshaus Wittwer wird Wittwer-Thalia. Viele Kunden zeigen sich geradezu entsetzt darüber, dass die alteingesessene Buchhandlung nun vom deutschsprachigen Marktführer im Sortimentsbuchhandel Thalia fortgeführt wird.

Erstaunt hingegen sind die wenigstens: Der Blitz kam nicht aus heiterem Himmel. Die Entwicklung auf dem Buchmarkt ist seit Jahren im Abwärtstrend, besonders das Internet setzt dem stationären Buchhandel zu. Das bekam wohl in den vergangenen Jahren auch die Buchhandlung Wittwer zu spüren: Auch wenn der Geschäftsführer Konrad Martin Wittwer aus der Inhaberfamilie sich über die konkrete Geschäftsentwicklung nicht äußern will, so lässt sich aus den Zahlen der Jahresabschlüsse der vergangenen Jahre noch einiges herauslesen.

Von 2010 an schrieb Wittwer nur noch rote Zahlen

Die Zahl, die am eindrücklichsten zeigt, in welch einem Zugzwang die Geschäftsführung wohl stand, ist die des Verlustes, den Wittwer in den Jahren 2010 bis 2016 zu verkraften hatte: über drei Millionen Euro (3 063 371,3 Euro).

Während im Jahr 2008 noch ein Plus von 498 999 Euro verzeichnet werden konnte, kam der Einbruch im Jahr 2009, in dem nur noch ein Plus von 6679 Euro erzielt wurde. In den Jahren danach schrieb man nur noch rote Zahlen – der absolute Tiefpunkt war im Jahr 2014 mit einem Minus von 989 309 Euro erreicht, danach verbesserten sich die Zahlen wieder auf einen Jahresfehlbetrag von 359 960 im Jahr 2016 (die Zahlen von 2017 liegen noch nicht vor).

Mitbewerber verringern die Umsätze deutlich

Die Geschäftsführer Konrad Martin Wittwer und Rainer Bartle nannten im Jahresabschluss 2016 die Schließung der Buchhandlung Hugendubel auf der Königstraße 2015 als Grund für die positive Entwicklung: Danach „entspannte sich die Umsatzsituation und es gelang, die Kundenfrequenz und die Umsatzerlöse deutlich zu erhöhen.“

Geholfen hat das letztlich nicht. Lag es an der neuen Konkurrenz? Im selben Jahresabschluss wiesen die beiden Geschäftsführer bereits darauf hin, dass „in 2017 mit Hugendubel im Dorotheenquartier ein weiterer Mitbewerber auftritt und Osiander im Laufe des Frühjahres in das ehemalige Haufler-Gebäude am Marktplatz umziehen wird“. Unverändert, so fügen sie an, bliebe die weiterhin wachsende Bedeutung des Internet- und Versandhandels.

Serienbriefe von Thalia: Eröffnung einer Filiale oder Übernahme

Nun wird künftig neben Osiander und Hugendubel also noch Thalia die Stuttgarter Buchhandlungslandschaft bestimmen. Thalia ist an rund 300 Standorten in Deutschland, Österreich und der Schweiz vertreten − in den letzten zweieinhalb Jahren gab es 18 Neueröffnungen und Übernahmen. In Baden-Württemberg gibt es derzeit 15 Filialen.

2017 ging an etliche Buchhändler im süddeutschen Raum ein Serienbrief von Thalia raus. Darin wurde über die geplante Eröffnung einer Thalia-Filiale vor Ort informiert. Als Alternative wurde eine Übernahme in Aussicht gestellt. Ob auch Wittwer solch einen Brief erhielt, dazu – wie auch zu weiteren Fragen – will sich Thalia „aufgrund des noch laufenden Genehmigungsverfahrens des Bundeskartellamts“ nicht äußern.

Thalia schließt „weitere Aktivitäten im Großraum Stuttgart nicht aus“

Man gehe „ aber von einem positiven Ausgang des Verfahrens aus“. Thalia sei „grundsätzlich in der Region auf Wachstum eingestellt“ und man „schließe weitere Aktivitäten im Großraum Stuttgart nicht aus“, so die Pressesprecherin von Thalia, Sarah Malke. Generell spielen bei Thalia Optimierungs- und Effizienzthemen eine wichtige Rolle. Buchhändler in elf Testfilialen etwa sind mit einem Tablet ausgerüstet, und GiSelA, eine App, hilft beim Verkaufen. In Stuttgart zittern derweil die 150 Mitarbeiter von Wittwer, denn bei Wittwer-Thalia sollen wohl nur 100 Mitarbeiter beschäftigt werden.