Prozesse, sittenwidrige Verträge, Suizid: rund um das verseuchte Öl-Epple Areal in Bad Cannstatt spielte sich ein Umweltkrimi ab. Die Zukunft des Grundstücks ist ungewiss.
Nur ein Steinwurf entfernt vom Wizemann-Areal im ehemaligen Industriegebiet Pragstraße in Bad Cannstatt, in dem sich nach dem Umbau Künstler, Start-Up-Unternehmen und Kreative angesiedelt haben, liegt eine unscheinbare Brachfläche. Ein Wohnungsbau-Unternehmen wollte hier schon investieren und auch die Abfallwirtschaft Stuttgart zeigte Interesse.
Doch nachdem ein Großprojekt des Besitzers, seit 2017 gehört das Grundstück der Firma Mahle, aus wirtschaftlichen Gründen wieder gestoppt wurde, dient das Grundstück in Teilen nur noch als Parkplatz. Was vor allem junge Stuttgarterinnen und Stuttgarter nicht wissen: Das Areal, das einst unter dem Name „Schmotz-Epple“ bekannt wurde, sorgte vor allem in den 90er-Jahren für negative Schlagzeilen und gilt bis heute als Stuttgarts größter Umweltskandal.
Firmengründer war Gottlob Epple 1873
Wie in vielen Altlastenfällen fing es auf dem gut 8000 Quadratmeter großen Grundstück Quellenstraße 22-26 Ecke Lämmleshalde harmlos an. Der Schmiedemeister Gottlob Epple begann 1873 in einem seiner dort stehenden Fabrikgebäude Schmierstoffe herzustellen. 1889 erweiterte sein Sohn August den Betrieb mit Anlagen, um Pech zu destillieren.
Nach dem Anschluss an die Reichsbahn wurde das gesamte Gelände mit ober- und unterirdischen Tankanlagen überzogen, in denen Alt- und Teeröle , aufbereitete Heizöle, Schmieröle, Fette, Benzin und Reststoffe wie Säureteere gelagert wurden.
17 Millionen Liter Altöl verarbeitet
Bei einem Luftangriff erlitt die Firma Epple am 21. Februar 1944 schwere Bombentreffer. Die dabei ausgetretenen Mengen an Benzin, Ölen und Altölen wurden auf fast 325 000 Liter beziffert. Wie damals mit der Umweltkatastrophe umgegangen wurde, ist nichts bekannt. Doch die Firma konnte bald nach dem Krieg ihre Arbeit wieder aufnehmen.
1950 kamen die Produktion von Pflanzenschutzmitteln und die Destillation von Lösemitteln hinzu. 1955 wurde auf dem Gelände zudem eine öffentliche Tankstelle eingerichtet, an der die Destillationsprodukte verkauft wurden.Drei Jahre später kaufte die Montan Union GmbH Hamburg den Betrieb auf und führte ihn unter dem Namen „Mineralölwerk Epple GmbH“ weiter.
Konkursverfahren begann 1986
Unter anderem bis zu 17 Millionen Liter Altöl wurden pro Jahr verarbeitet. Doch dass man es in Quellenstraße mit den gefährlichen Stoffen nicht immer sorgfältig umging, wurde 1971 ruchbar, als die Firma Eckardt auf einem Nachbargrundstück im Gewerbegebiet oberhalb der Pragstraße bauen wollte. Binnen kurzer Zeit lief die Baugrube mit Öl voll.
Mit einer Drainage und einem Ölabscheider ließ die Umweltverwaltung mehr als 45 000 Liter Altöl abfangen. Doch Öl-Epple, zeitweise Süddeutschlands größter Betrieb für die Aufbereitung von Altöl, arbeitete weiter und behandelte pro Tag etwa 30 Tonnen Altöl. Erst 1986 wurde der Betrieb komplett zurückgefahren und das Konkursverfahren eröffnet.
Stadt Stuttgart verliert Prozess
Das Grundstück wurde im Jahr 1988 von der Beteiligungs- und Verwaltungsgesellschaft mbH (BVG) ersteigert. Nicht zum Vorteil der Stadt, denn von Anfang an lag sie mit der BVG im Clinch über die Sanierungskosten. Man verlor diesbezüglich sogar einen Prozess vor dem Verwaltungsgerichtshof Mannheim. Und die Bodenuntersuchungen? Der damalige Umweltbürgermeister Jürgen Beck stellte ziemlich ratlos fest: „Es gibt kein Eckchen, das nicht verseucht ist.“
Sittenwidrige Verträge der BVG mit einem anderen Unternehmen, Suizid des BVG-Bevollmächtigten, wirre Besitzverhältnisse – der Skandal zog damals immer weitere Kreise. 1992 wurde endlich eine Verfügung der Stadt rechtskräftig, die der neuen Besitzerin des Geländes die Einholung eines Umweltgutachtens auferlegte. Doch die Besitzverhältnisse und Zuständigkeiten blieben schwierig.
Stuttgarter Quellen waren in Gefahr
Anfang 1997 wurden schließlich rund 200 Tanks entleert, von denen manche oberirdisch auf dem Gelände aufgestellt oder im Hang vergraben, teilweise auch verrottet waren. Doch wie viel Altöl bereits in die Erde geflossen war und wie viel von den in den 50er Jahren produzierten Unkrautvernichtungsmitteln und Umweltgiften versickert waren, blieb weiter unbekannt.
Im gleichen Jahr offenbarte sich das wahre Ausmaß der Umweltverschmutzung. Ein Horrorszenario, denn die rund einen Kilometer entfernt liegende Mombachquelle und die Maurischen Mineralquelle waren in Gefahr. Die Bürgerinitiative Neckarvorstadt wandt sich in ihrer Verzweiflung an die damalige Bundesumweltministerin und spätere Bundeskanzlerin Angela Merkel. Ohne Erfolg: Altlastensanierung sei eine Aufgabe der Länder.
Sanierung des Epple-Areals startete 1998
1998 begann dann endlich eine gigantische Sanierung, während für den Mineralwasserschatz in Cannstatt weiter eine Zeitbombe tickte. Fünf Meter tief wurde die Erde abgetragen. Rund 63 000 Tonnen Aushub mit weit über 2200 Lastwagenfahrten wurden abtransportiert und gereinigt. Dadurch gelang es, das weitere Versickern von Schadstoffen ins Grundwasser zu vereiteln – doch die Reinigung des Grundwassers ging erst richtig los.
Die Experten konnten nicht ausschließen, dass die Schadstofffahne sich mit dem Grundwasser weiter ausdehnt, in neue Schichten vorstößt und doch noch die Mineralquellen verunreinigt – bis das Umweltamt vier Jahre später endlich Entwarnung geben konnte. „Sie hat keine Tendenz mehr zur Ausweitung“, sagte damals Stuttgarts Umweltexperte Werner Flad.
Und was in den 90er-Jahren eigentlich für unmöglich erachtet worden war: seit 2010 machte man sich bei der Stadtverwaltung ernsthafte Gedanken, wie denn das rund 8000 Quadratmeter große Grundstück, das einst den unrühmliche Name Schmotz-Epple erhalten hatte, wieder bebaut und genutzt werden könnte.
Wohnungsbau auf dem Epple-Areal möglich
Und siehe da, Interessenten und potenzielle Investoren standen beim städtischen Liegenschaftsamt zwar nicht Schlange – aber es gab welche. Zunächst war das Areal als Standort für die Zentralküche des städtischen Klinikums im Gespräch. Dann folgte sogar ein Wohnbauunternehmen, das 26 Eigentumswohnungen bauen wollte.
Als nächstes war ein Handwerkerhof im Gespräch, ehe im Jahr bei der Stadtverwaltung die Idee entstand, das Grundstück der Abfallwirtschaft Stuttgart zur Verfügung zu stellen. Doch dass sämtliche Projekte scheiterten, lag nicht an der katastrophalen Vorgeschichte des Epple-Areals, sondern an der ziemlich versteckten Lage und schlechten verkehrlichen Anbindung.
Epple-Areal bis auf weiteres ein Parkplatz
Auch nachdem die Firma Mahle vor einigen Jahre das Grundstück erworben hatte, gab es kein Happy End für „Schmotz-Epple“, dessen Sanierung die Stadt rund 10 Millionen Euro gekostet haben soll. Die Mahle-Pläne für einen modernen Verwaltungsbau für rund 1600 Mitarbeiter zerschlugen sich 2020. Teile des Grundstücks dienen jetzt als Firmenparkplatz.
Den Bewohnern der benachbarten Lämmleshalde ist der aktuelle Zustand vermutlich nicht unrecht. Jahrzehntelang blickt sie auf marode Gebäude und alte Tanks und hatten dabei permanent den Gestank von Benzin und Altöl in der Nase. Da ist der Anblick von parkenden Autos fast schon eine Wohltat. Und das wird sich auch in absehbarer Zeit auch nicht ändern. Laut einer Firmensprecherin behält Mahle die Flächen „für künftige Erweiterungsmöglichkeiten am Standort Stuttgart vor“.