Der Bio-Hofladen Trautwein geht seinen eigenen Weg. Mit nachhaltigem Anbau, direktem Kundenkontakt und schwäbischem Pragmatismus trotzt Jürgen Trautwein den Widrigkeiten des Marktes – und wird dafür belohnt.
Wenn es gut läuft, kann auf dem Biohof Trautwein in drei Wochen der erste Salat geerntet werden. Fünf Monate lang ist er, eingepackt unter einer Schicht Vlies, gewachsen. Kein „Treibsalat“, den es in Supermärkten zu kaufen gibt und bei dem ein Salatblatt in manchen Monaten so viel Nährstoffe hat wie ein Blatt Papier. „Geschmack, Aroma das kommt durch Zeit“, sagt Jürgen Trautwein.
Die Zeit, in der der Bio-Anbau belächelt, ja teilweise sogar verteufelt wurde, ist längst vorbei. Heute springen immer mehr Supermarktketten auf, „die klassische Bio-Vermarktungsschiene ist ins Abseits geraten“, sagt Jürgen Trautwein. Der gelernte Kaufmann bietet in seinem Hofladen am Rande von Kirchberg an der Murr alles für den Grundbedarf und alles, was auf dem Hof seiner Familie wächst – unter anderem Blumenkohl, Spinat, Kartoffeln sowie das eigene Getreide, das von Bäckern in der Region zu Brot verarbeitet wird.
„Beliebter Bio-Laden: Auszeichnung für Trautweins Hof“
600 Familien aus dem Marbacher Umland kaufen bei ihm ein – samstags auf dem Marbacher Wochenmarkt, dienstags und freitags im Hofladen. 95 Prozent seiner Kunden sind Stammkunden, sagt Jürgen Trautwein – und die haben ihm und seiner Familie jetzt zum 10. Mal zur Auszeichnung „Bester Bio-Laden“ verholfen. Das Magazin „Schrot&Korn“, ein Bio-Magazin das über Bioläden und -supermärkte verteilt wird, ruft jedes Jahr seine Leserinnen und Leser dazu auf, bundesweit Bioläden zu bewerten. In der Klasse „Hofläden“ erhalten die Trautweins dieses Jahr in vier Kategorien Bronze: Gesamteindruck, fachkundige Beratung, Preis-Leistungs-Verhältnis und Sortimentsvielfalt. Ein Besuch zwischen Kartoffelsortieranlage und Kühlhäusern, Familienfotos und Feldern.
Jürgen Trautwein bleibt beim Rundgang durch den Laden vor einem Regal stehen. Darin reihen sich verschiedene Packungen Linsen unterschiedlicher Preiskategorien aneinander. „Ich versuche den Spagat zu schaffen, zwischen regionalen Bio-Produkten und der billigeren Bio-Schiene“, sagt Trautwein. Natürlich sei ihm lieber, die regionalen Produkte zu verkaufen, aber er würde die Menschen nicht in den Supermarkt treiben wollen. Für Kunden, die stärker auf den Preis achten, bietet er deshalb auch eigene B-Ware zum kleineren Preis an, beispielsweise krumm gewachsene Karotten.
Für jeden Kunden findet sich das passende Gemüse
Im Gewächshaus vor schnurgeraden Linien Rucola. Jürgen Trautwein zieht ein kleines Taschenmesser aus seiner Hosentasche. „Des isch zum Probiere lasse“, sagt er. Jede Woche gebe es in seinem Hofladen eine Aktion – diese Woche sind es spanische Bio-Auberginen. Jürgen Trautwein und sein Team finden für jeden Kunden das passende Gemüse: Soll es die Spitzpaprika sein, die aromatischer ist oder die Rundpaprika, die dickwandiger und saftiger ist? Die kleinen prallen Cocktailtomaten oder die größeren, süßen, weichen Rispentomaten?
Wenn Jürgen Trautwein über seinen Hofladen spricht, braucht es nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen, wie er in all den Jahren Kunden mit einem Schnitz Apfel begeistert hat, samstags seine Mitarbeiter auf dem Wochenmarkt einweist und donnerstags mit anderen Biohändlern auf dem Großmarkt Ware tauscht. Dabei war das längst nicht sein Traumberuf, auch wenn, oder vielleicht genau weil er auf dem Feld groß geworden ist. „Bis ich 18 war, hätt ich g’sagt, in 100 kalte Winter steig i net dahoim ei“, sagt er und lacht herzlich. Mit 20 hätten ihn seine Kollegen im Büro, in dem er als Kaufmann arbeitete, dann nur noch Bello genannt. Woher der Husten gekommen sei? Ungeklärt. Vielleicht die Raucherluft, der Teppichboden? Zuhause war’s zumindest weg.
Politisch-gesellschaftliche Entwicklungen im Kleinen
Heute arbeiten häufig drei Generationen mit. Jürgen Trautweins Eltern, die sich 1981 dem Bioland-Verband angeschlossen haben, sein Bruder Markus, zuständig für den Anbau und er, zuständig für den Vertrieb, seine Frau und auch seine Kinder, die häufig mit anpacken. Sicher, einfach sei es nicht immer: zu viel Regen, zu wenig Regen, Krankheitswellen oder der Brand vor etwas mehr als drei Jahren, der das Wirtschaftsgebäude, Silos, Kühlhäuser und Maschinen zerstörte. Doch Jürgen Trautwein ist zufrieden: „Am Ende vom Jahr überwiegt das Gute und das kann sicher nicht jeder von seinem Arbeitsumfeld sagen.“
In einem landwirtschaftlichen Betrieb zeigen sich politische Entscheidungen und gesellschaftliche Entwicklungen im Kleinen. Deutschland möchte bis 2045 klimaneutral sein. Der Biolandhof Trautwein ist mit seiner PV-Anlage und dem Speicher nahezu klimaneutral. Die Inflation, in der sich viele Menschen zwei Mal überlegen, ob sie 5,80 Euro für eine Schachtel Eier zahlen wollen. Der Zeitdruck, den heute fast jeder hat und dazu verleitet, dann doch kurz auf dem Heimweg in den Supermarkt zu flitzen, anstatt zu warten, bis der Hofladen wieder geöffnet hat. Der Fachkräftemangel. „Es ist schon bedenklich, wie viele Höfe, mit denen ich Jahre zusammengearbeitet habe, jetzt aufhören“, sagt Trautwein. Der Biolandhof Trautwein trotzt den äußeren Einflüssen – nur für seine Urkunden muss sich Jürgen Trautwein bald eine zweite Wand suchen.