Der Konflikt in Botnang hat vor allem mit zwei verschiedenen Forstphilosophien zu tun, hat aber auch Gründe, die tiefer gehen. Foto: Imago

Wegen der neuen Baumfällungen im Botnanger Wald bricht ein alter Konflikt zwischen Bürgern und Forst BW auf. Im Mittelpunkt steht die Frage: Wie geht man mit Wald richtig um?

Der Streit ist so alt, dass beide Parteien die Argumente der Gegenseite schon bestens kennen. Auch deshalb haben sie sich nicht mehr allzu viel zu sagen. Und trotzdem nimmt der Konflikt zwischen der Bürgerinitiative „Zukunft Stuttgarter Wald“ und der Landesforstbehörde Forst BW nach den Baumfällungen im Botnanger Wald wieder an Fahrt auf. Dass sich beide Seiten annähern, zeichnet sich derzeit nicht ab.

 

Im Grunde ist der Konflikt einfach erklärt und doch kompliziert: Es treffen komplett unterschiedliche Vorstellungen aufeinander, wie mit dem Wald umgegangen werden sollte. Am sichtbarsten werden die Differenzen bei Eichen und Buchen im Botnanger Wald.

Die Bürgerinitiative plädiert für das sogenannte Lübecker Modell, das in den 1990er Jahren im Stadtwald der Hansestadt entstand. Es sieht vor, den Wald weitgehend sich selbst zu überlassen und so wenig Bäume zu fällen wie möglich. Am meisten verbreitet im Stuttgarter Wald sind die Buchen. Ihre Baumkronen würden als Folge des „Lübecker Modells“ ein dichtes Dach über dem Waldboden bilden. So bleibt der Wald dunkel und feucht – das ist prinzipiell gut fürs Klima und auch für die Abkühlung Stuttgarts. „Wir benötigen hier in unserer Kesselstadt intakte Waldbestände zur Naherholung“, findet Jörg Noetzel von der Bürgerinitiative. Und intakt seien auch die Buchen gewesen, die Forst BW im Februar hatte fällen lassen.

Im Fokus von Forst BW stünden dagegen „widerstandsfähige Mischwälder mit klimastabilen Baumarten“, teilt die Behörde mit. Dazu zählen vor allem solche Bäume, die möglichst viel Licht brauchen, etwa Eichen oder Elsbeeren. Sie kommen mit Trockenheit besser zurecht als die Buchen, sind also besser für den Klimawandel gewappnet. Ihnen schadet ein dunkler, schattiger Wald eher. Deshalb seien laut Forst BW „hauptsächlich schwächere Buchen“ gefällt worden.

Es treffen also zwei verschiedene Forstphilosophien aufeinander, und doch reicht der Konflikt tiefer. Denn das gefällte Holz verkauft Forst BW an Betriebe und Sägewerke in Baden-Württemberg und verdient damit Geld. Deshalb seien die Fällungen vor allem wirtschaftlich motiviert, so der Vorwurf der Bürgerinitiative. Sie will einen Perspektivwechsel. „Wir reden hier von einem städtischen Bürgerwald, in dem Klimaschutz, Erholung, Biodiversität und Beteiligung im Vordergrund stehen müssen – nicht der Holzertrag“, sagt Noetzel.

Forst BW weist das zurück – man verfolge im Botnanger Wald keine monetären Interessen, sondern wolle einen Erholungs- und Naturschutzwald erhalten. Ohnehin würden in Botnang weniger Bäume gefällt als „in vergleichbaren Waldbeständen mit ähnlichen Zielsetzungen“, heißt es von der Behörde. Üblich seien bei Durchforstungen Erträge von durchschnittlich 50 Kubikmeter Holz pro Hektar. Im Botnanger Wald seien es im Februar nur halb so viele gewesen.

„Wir wollen über die Bewirtschaftung des Waldes inhaltlich reden“

Seit Anfang 2020 ist Forst BW für die staatlichen Wälder auf Stuttgarter Gemarkung zuständig. Den Waldbeirat gab es damals schon, er war Mitte 2019 aus den Auseinandersetzungen zwischen Bürgerinitiative und Stadt Stuttgart über die Botnanger Baumfällungen 2018 entstanden. Zwischen Initiative und Forst BW habe es hinsichtlich der Waldkonzepte zwar schon damals keinen Konsens gegeben, trotzdem erinnern sich beide Seiten an lange Zeit konstruktive Gespräche – bis ins vergangene Jahr.

Dann zog die Forstbehörde die Reißleine. Sie hielt den intensiven Austausch für „nicht mehr zielführend“. Die Bürgerinitiative lehne andere Zielsetzungen für den Wald generell ab, „sofern sie nicht den eigenen Vorstellungen zur Waldbehandlung entsprechen“, heißt es in einer Mail an die BI, die unserer Redaktion in Auszügen vorliegt.

Seitdem herrscht, zumindest beim Thema Waldbehandlung, Funkstille. Vor den Fällungen im Februar bot Forst BW einen öffentlichen Spaziergang mit dem Förster durch den Wald an, um über die anstehenden Maßnahmen zu informieren – von der Bürgerinitiative kam niemand. „Wir wollen über die Bewirtschaftung des Waldes inhaltlich reden und nicht einfach informiert werden“, sagt Jörg Noetzel dazu. „Die Stadt hat die Diskussion irgendwann ja auch inhaltlich geöffnet.“