Samuel Bosch hat die Schule abgebrochen, um mehr Zeit für den Klimaaktivismus zu haben. Der Ravensburger ist das Gesicht hinter dem Baumcamp im Altdorfer Wald. Ein Film über ihn tourt gerade durchs Land.
Der „Alti“ ist ein Ort, an dem Samuel Bosch das Gefühl hat, etwas bewirken zu können. Dass er hier genau richtig ist. Seit 2021 lebt der langhaarige Blonde, Anfang 20, vor allem im Altdorfer Wald – um ihn zu schützen. Er hatte deshalb und wegen anderer Aktionen schon viele Gerichtstermine, saß auch im Arrest.
Der junge Mann aus Ravensburg hat seinerzeit entschieden, dass die Schule ihn nicht weiterbringt, dass er seine Zeit und Energie lieber in den Klimaaktivismus stecken will. Der Film „Von Menschen, die auf Bäume steigen“, der seit Kurzem durch Baden-Württemberg tourt, zeigt, wie sich in Oberschwaben ein Protest aufgebaut hat – gegen die Pläne, dort eine weitere Kiesgrube zu erschließen. Am Dienstag war der Film in der Pop-up-Freiheitswerkstatt „Atelier Leuschnerplätzle“ in Stuttgart zu sehen – mit einem besonderen Höhepunkt.
Projekt der Universität Stuttgart zu Freiheit
Die Freiheitswerkstatt ist Teil eines Projekts der Universität Stuttgart. Im Zentrum steht der Begriff der Freiheit, bezogen auf alltägliche Praktiken. Den Menschen sei wichtig, „selbst zu entscheiden“, wie sie fahren, essen, bauen und fliegen, erklärt Elke Uhl, die Geschäftsführerin des Internationalen Zentrums für Kultur- und Technikforschung (IZKT). Die Frage sei: „Ist das noch zukunftsfähig?“ Mit verschiedenen Aktionen und Formaten sollen in der Stadt neue Diskussionen angestoßen werden. So auch mit dem Film über die Aktivisten im Altdorfer Wald.
Für die 90 Minuten sind Samuel Bosch und die anderen 18 Monate lang mit der Kamera begleitet worden; nah dabei ist der Zuschauer bei riskant wirkenden Aktionen auf der Basilika in Weingarten oder beim sogenannten Containern. „Wir begehen jetzt eine Straftat“, sagt einer. Sie fischen aus der Mülltonne von Supermärkten Lebensmittel, die entsorgt werden sollen. Die Rettung erfolgt aber, um sich selbst satt zu bekommen, um sie später an Passanten zu verschenken und um ein Zeichen zu setzen gegen die Verschwendung.
Doch vor allem geht es um die Kiesgrube. Der Altdorfer Wald ist das größte zusammenhängende Waldgebiet in Oberschwaben. Die Gegend nahe dem Örtchen Grund, wo künftig der Kies abgebaut werden soll, gilt als besonders schützenswert; dort sind die Weißenbronner Quellen, astreines Trinkwasser. Auch um die Sorge um diese Lebensader geht es bei den Protesten, aber auch um Freiheiten in der Zukunft.
Aktivisten nach wie vor im Camp im Wald
Nach den 90 Filmminuten kommt Samuel Bosch zwar nicht aus der Leinwand spaziert, wohl aber durch die Tür, zusammen mit der um einiges älteren Aktivistin Rosmarie Vogt. Der Film war vor zwei Jahren abgedreht, wie ist die Lage aktuell? Sie seien nach wie vor im Wald. „Wir hoffen, dass es plötzlich gestoppt wird“, sagt Samuel Bosch. Doch die Zeichen stehen auf Niederlage. Er ist trotzdem stolz auf das Erreichte. Inzwischen beraten sie Aktivisten in anderen Landesteilen, wie man so einen Protest aufziehen kann.
Und warum überhaupt dieser Weg? „Es gibt ein Problem und viele Lösungsansätze“, sagt Samuel Bosch. „Man müsste es nur machen. Aber es wird nicht gemacht.“ Deshalb wollen er und die anderen den Wind verändern, in den die Politik ihr Fähnchen hält, sagt er. „Wir haben gemerkt, dass Fridays for Future nicht genug gebracht hat.“ Der Protest auf Bäumen, aber auch auf prägnanten Bauwerken, erscheint ihm geeigneter.