Auch in Stuttgart mangelt es an Hausärzten. 64 Praxen stehen leer. Foto: dpa/Benjamin Ulmer

In Stuttgart kommen laut Statistik 1700 Patienten auf einen Hausarzt. Die Realität ist nach Einschätzung von Experten noch prekärer – mit Auswirkungen auf die Patienten.

Im vergangenen Jahr hat in Baden-Württemberg jede Hausärztin und jeder Hausarzt durchschnittlich 1272 Personen versorgt – das sind nach Angaben des Statistischen Bundesamts acht mehr als im Bundesschnitt. Hier sind es 1264 Patienten.

 

Diese Zahlen sind jedoch nach Angaben der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) so gerechnet, dass „ein falsch-positiver Eindruck entsteht“. Denn das Amt beziehe auch Ärzte ein, die in Teilzeit arbeiten. In Wahrheit kämen deutlich mehr Patienten auf einen Arzt.

In Stuttgart gibt es laut KVBW 359,9 Hausarzt-Stellen

Die Datenlage ist allerdings schwierig. Laut KVBW praktizieren im Stadtgebiet Stuttgart 398 Hausärzte auf 359,9 Stellen. In der Landeshauptstadt behandelt ein Arzt also rein statistisch gesehen etwa 1700 Patienten. Nach Ansicht von Markus Klett, Allgemeinmediziner und Diabetologe in Bad Cannstatt, geben jedoch auch diese Zahlen ein sehr verzerrtes Bild wider: „In der Realität ist die Situation weitaus prekärer.“

Da sich auch so manche Dermatologen, Pneumologen und Radiologen als Hausärzte niederlassen, komme Stuttgart maximal „auf etwa 320 echte Hausärzte mit vollem Versorgungsauftrag“, erläutert der Vorsitzende der Ärzteschaft Stuttgart weiter.

Viele Hausärzte sind mit 1000 Patienten am Limit

In der Stadt gebe es zudem viele kleine Einzelpraxen, die schon mit der Betreuung von weniger als 1000 Patienten an ihr Limit stoßen. „Die Patientenzahl in den Praxen ist in den vergangenen Jahren immer weiter gestiegen“, bestätigt Jürgen de Laporte, Hausarzt in Esslingen und Präsident der Bezirksärztekammer Nordwürttemberg. Dadurch erkläre sich unter anderem, warum Termine nur schwer zu haben seien – und Praxen Aufnahmestopps verhängen.

Insgesamt sieht Nicola Buhlinger-Göpfarth, Landes- und Bundesvorsitzendes des Hausärztinnen- und Hausärzteverbands, die Versorgung nicht gefährdet: „In Stuttgart beträgt die durchschnittliche Fahrzeit zur nächsten Hausarztpraxis nur etwa zwei Minuten.“ Doch die Lage wird sich in den kommenden Jahren zuspitzen: „Schon jetzt stehen in Stuttgart 64 Hausarztsitze leer“, so Michael Klett.

Schon im Studium zeigen: Hausarzt ist ein schöner Beruf

Während die KVBW die Zahl der Hausärzte in Stuttgart für 2020 noch mit 387 angab, ist sie inzwischen um sieben Prozent gesunken. Laut der Vereinigung erschweren zwei zentrale Entwicklungen die Versorgung: Immer mehr Ärzte arbeiten in Teilzeit und immer mehr angestellt. Beides reduziere für die Patienten die zur Verfügung stehende Behandlungszeit.

Zum Ärztemangel trägt außerdem die Demografie bei: Ein Viertel der Hausärzte im Südwesten ist über 60, jeder fünfte über 65 – sie alle werden in den nächsten Jahren in Rente gehen. Gleichzeitig wird die Bevölkerung älter und braucht öfter ärztliche Hilfe. Neue Konzepte seine daher nötig: Schon im Studium müsse man die Allgemeinmedizin besser verankern, fordert Buhlinger-Göpfarth, die selbst als Hausärztin in Pforzheim praktiziert. Und ihr Esslinger Kollegen de Laporte fügt hinzu: „Man muss klar machen, was Hausarzt für ein schöner Beruf ist.“