Doris und Peter Thens Zuhause in Stuttgart ist derzeit eine große Baustelle. Foto: Lichtgut/Ferdinando Iannone

Doris und Peter Then leiden unter den Sanierungsarbeiten an einem Hochhaus in Stuttgart-Weilimdorf. Dem Vermieter macht das Ehepaar deshalb Vorwürfe.

Doris Then hat eine enge emotionale Bindung zu ihrem Wohnort im Krokodilweg 20 im Stuttgarter Stadtteil Bergheim. „Ich liebe den schönen Blick auf den Wald“, sagt die 66-jährige Rentnerin. Vorzüge des Mehrparteien-Gebäudes, in dem sie mit ihrem Mann Peter seit 2009 daheim ist, fallen ihr viele ein: die Garage, der Aufzug, die Nähe zur Stadtbahn-Haltestelle Giebel.

 

Dennoch ist ihre momentane Wohnsituation der Grund, weshalb Then klagt: „Jeder Tag ist eine Herausforderung. Ich bin froh, wenn ich abends ins Bett kann.“ Denn Doris und Peter Then leben seit Monaten inmitten einer riesigen Baustelle.

Hochhaus in Stuttgart erhält Wärmepumpen

Das in den 1960er-Jahren erbaute Hochhaus am Krokodilweg 20 gehört dem Bau- und Heimstättenverein Stuttgart. Bislang war es mit dezentralen Gasheizungen ausgestattet. Wegen der Energieeffizienz sowie zunehmender Schäden an Leitungen und Fassade entschied sich die Genossenschaft, das 14-stöckige Gebäude von Grund auf zu sanieren und alle Wohnungen künftig mit Wärmepumpen zu beheizen.

Vor den Arbeiten hatte der Bau- und Heimstättenverein allen Mietern das Angebot gemacht, dauerhaft in ein anderes Gebäude seines Bestandes im benachbarten Stadtteil Giebel zu ziehen. Einige Parteien erhielten zudem das die Möglichkeit, ohne zusätzliche Kosten vorübergehend in ein Hotel umzuziehen.

Das Ausmaß des Sanierungsprojektes im Krokodilweg 20 ist enorm. Foto: Lichtgut/Ferdinando Iannone

Das galt allerdings nur für diejenigen, in deren Wohnungen nach Einschätzung des Vermieters mit besonders langen und intensiven Arbeiten zu rechnen war. Dazu zählten die Thens nicht. „Wir wären gerne für einige Wochen ins Hotel gegangen“, sagt Doris Then. Den geliebten Krokodilweg dauerhaft zu verlassen, war für sie und ihren Mann jedoch keine Option. So stellte sich das Ehepaar auf einige schwierige Monate ein.

Energetische Sanierung betrifft viele Mieter und Vermieter

Karin Autenrieth, die Geschäftsführerin des Bau- und Heimstättenvereins, prophezeit: „Mit diesem Konfliktpotenzial werden noch viele andere Vermieter zu tun haben.“ Im Zuge der Energiewende wachse die Dringlichkeit energetischer Sanierungen, gerade bei großen Gebäuden. Umso wichtiger sei es, Kompromisse zwischen Mieter und Vermieter zu finden.

Im Krokodilweg informierte die Genossenschaft die Bewohner im vergangenen November über die anstehenden Einschränkungen. „Sie haben schon angesprochen, dass es ungemütlich wird“, erinnert sich Peter Then. „Aber wirklich ins Detail gegangen sind sie nicht.“ Das tatsächliche Ausmaß hätten er und seine Frau sich nicht ausmalen können.

Rentnerin duscht während Sanierung im Hallenbad

Im Mai begannen die Arbeiten an der Fassade und am Heizungssystem. „Seitdem wird im Haus ständig gebohrt, gehämmert und gemeißelt“, sagt Doris Then. Beinahe ebenso störend wie der Lärm sei der dauerpräsente Staub. Und die fehlende Privatsphäre. „Manchmal laufen die Handwerker schon auf dem Gerüst am Fenster vorbei, während wir noch im Bett liegen oder beim Frühstück sitzen.“ Monatelang unter diesen Bedingungen zu leben, bezeichnet Doris Then als „menschenunwürdig“.

Der Tiefpunkt waren aus ihrer Sicht die Wochen ab Mitte Juli. Zu diesem Zeitpunkt wechselte das Ehepaar auf eigenen Wunsch aus seiner 77-Quadratmeter-Wohnung im dritten Stock in eine gleich große im fünften Stock. Der Hauptgrund: Die Wohnung im fünften Stock erhielt im Zuge der Sanierung einen neuen Boden sowie neue Türen, die Wohnung im dritten Stock dagegen nicht.

Unmittelbar nach dem Umzug wurde in der neuen Wohnung die Küche und kurz darauf auch das Bad renoviert. Notdürftig habe man deshalb wochenlang außer Haus oder im Wohnzimmer ausgeharrt, erzählt Doris Then. Einen Wasserzugang hatten sie und ihr Mann währenddessen nur in Containern vor dem Haus. „Zum Duschen bin ich ins Hallenbad gegangen, denn die Badcontainer sind so eklig“, schildert die Stuttgarterin.

Mieterin kritisiert schleppende Arbeiten und Vermieter

Das Fass zum Überlaufen brachte für sie der Moment, als das Bad dann nach zwei Wochen Arbeit fertig war, aber niemand mehr die Wärmepumpe anschließen konnte – denn die zuständigen Handwerker waren schon im Wochenende. „Da bin ich dann etwas ausgeflippt. Irgendwann hat man keine Geduld und Nerven mehr“, sagt Doris Then. Sie stört, dass die Baustelle insgesamt unkoordiniert wirke und vieles nur schleppend vorangehe.

Karin Autenrieth vom Bau- und Heimstättenverein erklärt die Verzögerungen unter anderem damit, dass Mieter wiederholt Baufirmen nicht zu vereinbarten Terminen in die Wohnung gelassen hätten. Doris Then ist mit der Kommunikation der Genossenschaft allerdings nicht einverstanden. Von ihrem Vermieter fühlt sie sich mit ihren Sorgen und Nöten nicht ernst genommen. „Diese Empathielosigkeit ist für mich das Schlimmste.“

Bau- und Heimstättenverein erhöht Miete

In ihrer Antwort auf eine von mehreren Mails der Thens drückt Autenrieth ihr Bedauern den Unmut des Ehepaars aus. Gleichzeitig verweist sie darauf, dass vorübergehend Einschränkungen bei einem solchen Projekt unausweichlich seien.

Doris Then hofft, den schönen Ausblick auf den Wald in Stuttgart-Weilimdorf bald wieder in Ruhe genießen zu können. Foto: Lichtgut/Ferdinando Iannone

Die Geschäftsführerin stellt klar, dass es ihrer Genossenschaft am Krokodilweg nicht um Gewinne durch Mieterhöhungen gehe. Der Anstieg von je nach Wohnung zwei bis drei Euro pro Quadratmeter – Doris und Peter Then zahlen künftig 1220 Euro warm – sei im Verhältnis zu den Modernisierungskosten niedrig.

2026 steht wieder Sanierung im Krokodilweg an

Für 2026 plant der Bau- und Heimstättenverein bereits die nächste Sanierung – direkt nebenan, bei einem zweiten Hochhaus im Krokodilweg 10. Um Verzögerungen zu verhindern, will die Genossenschaft dort unter anderem keine Umzüge innerhalb des Gebäudes während der Arbeiten mehr zulassen. Autenrieth sagt: „Wir lernen aus dem ersten Block.“

Das Haus im Krokodilweg 20 soll ihr zufolge im Oktober fertig sein. Das Ehepaar Then sehnt diesen Moment herbei. Peter Then sagt: „Wenn hier der letzte Handwerker rausgeht und wir die Türe zumachen können, dann fällt uns so ein Stein vom Herzen.“