AC/DC feiern am Sonntagabend auf dem Wasen vor 65.000 Fans ein lautes Fest der Männermusik.
Stuttgart - Sie sind ein Überbleibsel aus der Zeit, als man mit einer krächzenden Stimme, zwei Gitarren, drei Akkorden und einer ordentlichen Portion Rotzigkeit die Welt erobern konnte. AC/DC haben am Sonntagabend 65.000 Fans auf dem Wasen ihre robust-solide Version davon vorgespielt, wie Rock'n'Roll klingen kann.
Und wieder mal singen sie das Lied von jener schlimmen, schlimmen Frau, die alle Männer um den Verstand bringt. Brian Johnson (62) kreischt sich die Seele aus dem Leib in einem ungeduldig aufstampfenden Stück Musik, das so tut, als ob es ein Klagelied wäre, in Wirklichkeit aber eine Hymne auf die Verdorbenheit ist; Malcolm Young (57) treibt mit seiner unermüdlichen Rhythmusgitarre dieses AC/DC-Großwerk namens "The Jack" zwar eigentlich an. Die Show und die Bühne überlässt er aber wie immer seinem kleinen Bruder Angus (55).
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Der berühmteste Schuluniformträger des Rock'n'Roll
Ausnahmsweise mal ohne Gitarre nutzt der berühmteste Schuluniformträger des Rock'n'Roll "The Jack" dann für ein frivole Tanzeinlage, die damit endet, dass er den 65.000 Zuschauern das Hinterteil entgegenstreckt, seine Hose herunterzieht und stolz seine schwarze Unterwäsche mit AC/DC-Logo präsentiert.
Und hoch oben auf dem Dach der gigantischen Bühne blinken hämisch die roten Teufelshörnchen.
Der Klassiker "The Jack" steht am Sonntag im Zentrum des Auftritts von AC/DC auf dem Wasen, bildet das Herzstück dieses zweistündigen Konzerts voller ruppiger, rüder, robust-bockiger Rock'n'Roll-Hits, das mit "Highway To Hell", mit "For Those About To Rock", mit Krachen, Tosen und einem Feuerwerk zu Ende gehen wird.
Die Gegenveranstaltung zum Kick in Südafrika
Gerade als elf junge Männer auf einem gepflegten Rasen im südafrikanischen Durban Arm in Arm die deutsche Nationalhymne sangen, hatte auf dem Wasen das Fest des unkaputtbaren Rock'n'Roll begonnen.
Ein mit Männerfantasien angefüllter Zug donnerte erst über die Videoleinwände, um sich dann tatsächlich auch als Deko-Ungetüm auf der Bühne breit zu machen, während AC/DC mit ihrem pyrotechnisch befeuerten "Rock'n'Roll Train" ihren Auftritt begannen. "Es ist schön, wieder hier in Stuttgart zu sein", behauptete Sänger Brian Johnson zwar. Allerdings nur, um direkt danach auf ein Lied überzuleiten, in dem er behauptet, dass die Hölle gar kein so schlechter Platz sei ("Hell Aint A Bad Place").
Bayern-Verteidiger Andreas Görlitz ist in der Vorband
Von Tod und Teufel und all den Verführungen, die einem ständig auflauern, erzählt Johnson in und zwischen den Songs ständig. Für Fußball interessiert er sich dagegen offensichtlich nicht. Obwohl drei Stunden zuvor Bayern-Verteidiger Andreas Görlitz mit seiner Band Room 77 das Rockspektakel auf dem Wasen eröffnet hat.
Und obwohl AC/DC ja in Australien zu Hause sind, und Lukas Podolski bei der Fußball-WM schon das erste Tor gegen Australien geschossen hat, als die Band gerade erst bei Lied Nummer drei, "Back In Black", angekommen ist.
Publikum ebenso heißer wie der Frontmann
Dass die Stimme des Manns mit der Schiebermütze zu dem Zeitpunkt schon ziemlich hinüber ist, stört nicht weiter, sondern gibt diesem groben, immer alkoholisiert wirkenen Rock'n'Roll Charakter. Und spätestens wenn gegen Ende der Show mit "You Shook Me All Night Long", "TNT" und "Whole Lotta Rosie" die Mitgrölhits Schlag auf Schlag kommen, ist das Publikum längst genauso heiser wie der AC/DC-Frontmann.
Und während Thomas Müller das 3:0 und Cacao das 4:0 schießen, verwirren AC/DC den Wasenbesucher mit einer störrischen Version ihrer Hymne "Let There Be Rock", mit Konfettiregen und einem Endlossolo von Angus Young so sehr die Sinne, dass kaum einer noch vermag, an Fußball zu denken.
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Auch wenn sich längst etwas Grundsolides in die Musik von AC/DC eingeschlichen hat, spürt man durch die Songs noch immer den Sturm und Drang hindurch.
Etwa wenn Angus Young bei "Thunderstruck" wieder einmal so hypernervös über die Gitarrensaiten wirbelt, dass die Videokamera nicht mitkommt und nur noch unscharfe Bilder liefert. Ihr Alter und eine gewisse Müdigkeit merkt man der Band nur zwischen den Liedern an. Meistens begnügt sich Johnson dann damit, die Songtitel aufzusagen oder etwas mehr oder weniger Unverständliches in Mikro zu grunzen. Aber auch das passt zu der Musik, die immer noch stolz auf ihre Schlichtheit sein kann. Und bei kaum einer anderen Band gehen Früh- und Spätwerk so unmerklich ineinander über wie bei AC/DC. Der Klassiker "High Voltage" und der neue Song "Black Ice" liegen nur einen Gitarrenriff voneinander entfernt. Und immer wieder lauern hinter diesen Songs, der Boogie und der Blues und eine ganz, ganz schlimme Frau.