Josha Vagnoman blickt nach vorne. Mit dem VfB Stuttgart ist er am Samstag in Kiel gefordert. Foto: Baumann/Volker Müller

Der 24-Jährige läuft schon länger seiner Bestform hinterher und steht bei vielen Fans in der Kritik. Trainer Sebastian Hoeneß und Sportvorstand Fabian Wohlgemuth haben jedoch einen anderen Blick auf ihn.

Zwei Szenen sind in den Köpfen vieler Fans zuletzt hängengeblieben. Wie Josha Vagnoman nach wenigen Spielminuten versucht, den Ball über den Torhüter Manuel Neuer zu heben – und die Torchance gegen den FC Bayern kläglich vergibt. Und wie der Außenverteidiger des VfB Stuttgart am Ende der Begegnung das Spielgerät unbeholfen an Kingsley Coman verliert – und der Münchner den 3:1-Endstand für den deutschen Rekordmeister erzielt.

 

Emotional tief gefallen sind die VfB-Anhänger dann nach dem Südgipfel, weil sie sich mit dem Fußball-Bundesligisten spielerisch wieder auf dem Weg nach oben wähnten. Die Kritik an der Niederlage macht sich in weiten Teilen der Öffentlichkeit nun an Vagnoman fest, der schon seit einiger Zeit seiner Bestform hinterherläuft. Immer wieder ist der 24-Jährige an unglücklichen Situationen beteiligt, hinten wie vorne. Mit der Folge, dass es auf den Zuschauerrängen, vor den Fernsehgeräten und in den sozialen Kanälen rumort, wenn der Abwehrspieler an die Kugel kommt.

Wann kommen die Stärken wieder zum Tragen?

Wenn es so etwas wie das Gegenteil eines Publikumslieblings gibt, dann ist der Hamburger in Stuttgart auf dem Weg, diese ungeliebte Figur zu verkörpern. Denn rund um die VfB-Spiele hat sich eine Eigendynamik entwickelt, welche die Stimmung der Massen beeinflusst. „Josha muss sich gerade einiges anhören“, sagt der Sportvorstand Fabian Wohlgemuth, „aber wenn er jetzt alleine zur Zielscheibe der Kritik gemacht werden soll, wird das seinen Leistungen insgesamt natürlich in keiner Weise gerecht.“

Der Rechtsverteidiger ist besser als das Bild, das er abgibt – oder der Ruf, der ihm gerade vorauseilt. Dies belegen seine ordentliche Zweikampfwerte (52 Prozent), mit denen er in der Defensive auftritt; seine bemerkenswerte Schnelligkeit, mit der er viele Pässe abläuft und Gegner einholt; seine körperliche Wucht, mit der er Angreifer stoppt. Doch der Gesamteindruck ist für viele Außenstehende ein anderer, da Vagnoman vor allem mit seinen Bewegungsabläufen in der Offensive offenbar als ein Profi wahrgenommen wird, dem es an Dynamik, Technik und Spielvermögen auf engstem Raum fehlt.

Bei Sebastian Hoeneß steht der Musterprofi allerdings hoch im Kurs. „Ich habe großes Vertrauen in Josha. Er ist ein sehr wichtiger Spieler für uns“, hat der Trainer bereits vor dem Bayern-Spiel betont. Vagnoman sei in einer körperlich guten Verfassung, nachdem auch bei ihm die fehlende Frische zum Ende der englischen Wochen mit Champions-League-Partien nicht wegzudiskutieren war. Die Unsicherheit in einigen Aktionen ist dem 1,90-Meter-Hünen aber immer noch anzumerken und wie eine Reihe von Mitspielern spürt er, wie schwer es ist, das eigene Spiel wieder leicht aussehen zu lassen.

„Wir haben als Mannschaft unsere Themen, aber auch individuell. Josha ist hier aber nicht der Einzige mit Luft nach oben“, sagt Wohlgemuth vor der wichtigen Partie am Samstag (15.30 Uhr) bei Holstein Kiel. Wie selbstverständlich den Ball zu erobern und mit Tempo die Seitenlinie entlang zu sprinten, um zu flanken oder selbst abzuschließen. Das entspricht dem modernen Profil eines Außenverteidigers – und diese Fähigkeiten zählen zu Vagnomans Stärken.

Welche Alternativen gibt es?

In England werden solche Typen gesucht, wenn sie mit dem Ball umgehen können. Und im Kreis der Nationalmannschaft haben sie Vagnoman ebenfalls auf dem Radar, weil er nahezu alle Voraussetzungen für die Außenposition mitbringt. Doch während seiner noch jungen Karriere hat der Körper des Modellathleten mehrfach nicht mitgespielt, Verletzungen kosteten ihn Zeit und Spielrhythmus. Seit Saisonbeginn ist er aber diesmal am Ball, mit 29 Pflichtspieleinsätzen (zwei Tore, drei Vorlagen). „Josha hat im Vergleich zu den Vorjahren viele Einsätze. Er kommt richtig gut durch“, sagt Hoeneß.

Aufgrund der Mehrfachbelastung und der fallenden Formkurve erhielt Vagnoman dennoch Pausen. Das war die Chance für Leonidas Stergiou. Schnell und giftig ist der Schweizer, aber fußballerisch nicht besser als der Mann mit der Rückennummer vier. Und außerdem immer wieder verletzt. Pascal Stenzel dient als weitere Alternative. In den vergangenen Monaten jedoch vor allem theoretisch. Praktisch kommt der 28-Jährige aufgrund seines Tempodefizits kaum noch zum Einsatz. Eine nächste Möglichkeit könnte sich mit dem neu verpflichteten Finn Jeltsch auftun, doch Hoeneß sieht den 18-Jährigen lieber als Innenverteidiger.

Also zurück zu Vagnoman, der mit dem VfB über eine Vertragsverlängerung verhandelt. Bis 2026 ist sein aktuelles Arbeitspapier noch datiert – und offenbar würde der Spieler gerne länger in Stuttgart bleiben, wenngleich andere Optionen von Beraterseite geprüft werden. Auch der Club weiß, was er an dem einmaligen Nationalspieler hat. Zumal der Transfermarkt für Außenverteidiger mit gehobenem Niveau schwierig ist. Es gibt wenige, das allein treibt den Preis nach oben. Neuen Schwung und alte Stabilität für den rechten Flügel benötigt der VfB aber allemal – mit einem wiedererstarkten Vagnoman oder einer Alternative.