Ungewollt schwanger? Ein Berliner Modellprojekt bietet eine telemedizinische Variante des Abbruchs an. Foto: Imago/Shotshop/DC_2

Ein Familienplanungszentrum in Berlin bietet Frauen einen medikamentösen Abbruch an, den sie zuhause durchführen können. Ein Team unterstützt die Patientinnen mit Hilfe von Videochats. Kann das Schule machen?

Berlin - Frauenärztin Jana Maeffert ist sich sicher, dass sich Frauen nicht nur im Rahmen eines Modellprojekts für die medikamentöse Variante der Abtreibung entscheiden würden. „Wenn wir uns den Anteil der medikamentösen Methode beim Schwangerschaftsabbruch in anderen europäischen Ländern ansehen, können wir davon ausgehen.“ Es mangele in Deutschland aber am Zugang zum medikamentösen Schwangerschaftsabbruch. Dabei sei es für die Schwangeren wichtig, die Methode des Abbruchs selbst entscheiden zu können.

 

Maeffert arbeitet im Familienplanungszentrum Balance. Seit Dezember 2020 organisiert Balance in Zusammenarbeit mit dem Verein Doctors for Choice Germany (Ärzte für eine freie Wahl) Abbrüche zuhause, die über den Bildschirm begleitet werden. Doctors for Choice setzt sich seit Jahren dafür ein, den Zugang zum medikamentösen Schwangerschaftsabbruch zu verbessern. „Wir fordern, dass Ärztinnen und Ärzte diese Form des Abbruchs mehr anbieten“, so Maeffert.

Pro Familia nennt das Angebot seriös und durchdacht

Pro Familia sieht den telemedizinisch begleiteten Abbruch als ein „seriöses, durchdachtes Angebot“ an, wie eine Sprecherin sagt. Es könne eine Möglichkeit sein, die Versorgungslücken mancherorts zu schließen: „Unser Ziel ist es aber auch, dass es Angebote vor Ort geben muss, die Situation muss verbessert werden“, fordert sie. „Schwangere sollen in jedem Landkreis die Möglichkeit haben, einen medikamentösen oder operativen Abbruch vornehmen zu lassen und vor allem müssen sie die Wahl haben.“

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„Wenn uns die Frauen kontaktieren, besprechen wir zuerst, in welcher Schwangerschaftswoche sie sind und, ob sie noch andere Möglichkeiten haben, den Abbruch vornehmen zu lassen“, erklärt Maeffert. Wenn Frauen sich für den telemedizinischen Abbruch entscheiden, laden sie ihre Dokumente hoch – darunter ein Ultraschallbild, einen Beratungsnachweis und falls vorhanden, einen Antrag auf Kostenübernahme. „Auch beim telemedizinischen Abbruch ist es notwendig, dass die Frau vorher einen Beratungstermin wahrnimmt.“

Die Medikamente kommen mit der Post

Eine Ärztin klärt, ob die Frau dem Abbruch einwilligt und sie den Ablauf verstanden hat. Dann schickt die Frau die bereits hochgeladenen Dokumente im Original an das Familienplanungszentrum. Sobald die Dokumente dort angekommen sind, werden die beiden Medikamente verschickt.

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Während des Videochats mit einer Ärztin nimmt die Schwangere die erste Tablette mit dem Wirkstoff Mifepriston ein. „Das ist ein Progesteron-Blocker, der das körpereigene Hormon Progesteron, das essenziell für die Entwicklung der Schwangerschaft ist, blockiert.“ Zwei Tage später nimmt die Frau eine weitere Tablette mit dem Wirkstoff Misoprostol ein: „Das löst die Blutungen aus und leitet die Fehlgeburt ein.“ Zwei Wochen später macht die Frau einen mitgeschickten Schwangerschaftstest, um den Abbruch zu bestätigen.

Medikamentöse Abtreibung hat weniger Komplikationen

Um den Abbruch auf diese Weise durchführen zu können, darf die Frau höchstens in der neunten Schwangerschaftswoche sein. 2020 haben sich etwa 140 ungewollt Schwangere beim Familienplanungszentrums gemeldet, etwas mehr als die Hälfte davon hat den über Bildschirm begleiteten Schwangerschaftsabbruch durchgeführt. „Die Hälfte davon kamen aus Bayern“, berichtet Maeffert.

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Der Altersdurchschnitt ist mit 30 bis 40 Jahren etwas höher als sonst. Die Kosten können wie auch bei anderen Abbrüchen übernommen werden, wenn ein niedriges Einkommen vorliegt. Das Porto für das Zuschicken der Medikamente in Höhe von 15 Euro müssen die Frauen selbst zahlen. Diese Form des Schwangerschaftsabbruchs sei sicher, so Maeffert: „Bei der medikamentösen Variante kommt es nur in weniger als einem von tausend Fällen zu Komplikationen wie starken Blutungen oder Infektionen.“

Frauenärzte im Südwesten wollen erst noch abwarten

Die Landesärztekammer Baden-Württemberg ist prinzipiell dem Online-Verfahren nicht abgeneigt. Sie hat im Frühjahr 2020 auf die veränderte Versorgungssituation und der erhöhten Ansteckungsgefahr mit dem Coronavirus reagiert und die ausschließliche Fernbehandlung in ihrer Berufsordnung gestattet, wie ein Sprecher mitteilt.

Markus Haist, Vorstandsmitglied des Berufsverbands der Frauenärzte (BVF), hingegen sieht das kritischer: „Für uns steht die Patientensicherheit an erster Stelle“, betont er. Diese sei in Deutschland eingebunden in Rechtsvorschriften, wodurch Handlungs- und Vorgehensweisen nicht nur einer wissenschaftlichen Bewertung, sondern auch einer juristischen unterliegen. „Dies ist hierfür in Deutschland bisher nicht erfolgt“, sagt Haist. Eine medizinisch-wissenschaftliche Aufarbeitung möglicher alternativer Vorgehensweisen für einen sicheren Schwangerschaftsabbruch finde derzeit statt und diese Ergebnisse wolle man abwarten.

Das sogenannte Werbeverbot für Abtreibungen wird abgeschafft

Paragraf 219a
Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) hat Ende Januar die Abschaffung des sogenannten Werbeverbots für Abtreibungen auf den Weg gebracht. Der Strafrechtsparagraf 219a soll ersatzlos gestrichen werden. Es sei „ein unhaltbarer Zustand“, dass Mediziner, „die selbst Schwangerschaftsabbrüche vornehmen und damit am besten sachlich informieren können, nach der derzeitigen Rechtslage eine Strafverfolgung befürchten müssen“, erklärte Buschmann.