David Bendels ist im vergangenen Sommer aus der CSU ausgetreten – jetzt steht er an der Spitze eines konservativen Vereins mit Sitz in Stuttgart Foto: StN

Eine diskrete Vereinigung hat in den vergangenen Monaten mit millionenschwerer Wahlkampfhilfe für die AfD Aufsehen erregt. Jetzt ist daraus ein Verein geworden. Der hat Großes vor.

Stuttgart - Ein Geschäftsgebäude in einem Degerlocher Gewerbegebiet. Dutzende Firmennamen auf den Briefkästen. Auf den ersten Blick deutet nichts darauf hin, dass hier, im unspektakulären Zweckbau, die neue konservative Denkfabrik der Republik zu Hause sein soll. Unter der Adresse, die der frisch gegründete „Verein zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und der bürgerlichen Freiheiten“ als seinen Sitz angibt, findet sich bisher keinerlei Hinweis darauf. Des Rätsels Lösung: Eine Firma für „Office Management“ ist hier erst vor wenigen Tagen eingezogen. Der Verein wird dort nur einen Briefkasten haben. Zuvor war eine Adresse in Heslach angegeben – der Firmensitz eines der Mitglieder. Bis vor Kurzem war der Mann bei den Republikanern aktiv, hat bei diversen Wahlen kandidiert. Inzwischen ist er dort ausgetreten.

Zwar gibt es den Verein offiziell erst seit September, der recht sperrige Name aber ist in diesem Jahr bereits zuvor mehrfach aufgefallen. Zunächst noch als lose „Vereinigung“. Die trat immer dann in Erscheinung, wenn Landtagswahlkampf war. In Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Mecklenburg-Vorpommern und Berlin investierte sie Millionen, um die Alternative für Deutschland (AfD) zu unterstützen. Großplakate tauchten da plötzlich am Wegesrand auf, Werbespots im Internet, viele Haushalte wurden mit einem zeitungsähnlichen „Extrablatt“ versorgt, das auf mehreren Seiten Angela Merkels Flüchtlings- und Europapolitik kritisierte und die Vorzüge der AfD hervorhob. All das nach Aussage sowohl der AfD als auch der nach eigenen Angaben politisch unabhängigen Vereinigung ohne Wissen und Zutun der Partei.

Für Staatsrechtler stand der Zweck dieser merkwürdigen Konstellation schnell fest: Im Rahmen des Parteiengesetzes hätte die AfD Großspender nennen müssen. Doch diese Transparenzpflicht kann durch eine Lücke im Gesetz umgangen werden: Wenn die Spendenaktion formal völlig getrennt von der Partei abläuft, lässt sich das rechtlich nicht beanstanden. Das Geld konnte also auf einem Umweg der AfD zugutekommen. Denn höchstwahrscheinlich will nicht jeder Unternehmer, der den Rechtskonservativen eine Zuwendung macht, in der Öffentlichkeit auftauchen. Das könnte unter Umständen dem Ruf schaden.

Ex-CSU-Mann an der Spitze

Nun ist aus der Vereinigung ein eingetragener Verein geworden – seit wenigen Tagen ist er offiziell im Stuttgarter Vereinsregister vermerkt. Selbst die Gemeinnützigkeit ist inzwischen beantragt. Aktiv aber ist er bundesweit. „Dass der Sitz in Stuttgart liegt, hat sich daraus ergeben, dass einige der Gründungsmitglieder hier ansässig sind“, sagt der frisch gewählte Vorsitzende David Bendels. Der Mann aus dem oberfränkischen Lichtenfels galt noch vor Kurzem in der CSU als Nachwuchshoffnung, aber auch als unbequemer Kopf, der sich nie mit seiner Meinung zurückhielt. Als Sprecher der Basisbewegung „Konservativer Aufbruch“ vertrat er den rechten Rand der Partei. Und fiel schließlich in Ungnade, weil er bei einer Veranstaltung der AfD als Redner auftreten wollte. In der CSU empfand man das als schweres Foulspiel, das der politischen Konkurrenz nutzen könnte. Im Sommer trat Bendels aus seiner Partei aus.

„Ich war überzeugtes CSU-Mitglied. Nicht ich aber habe die Union verlassen, sondern sie mich“, sagt der derzeit Parteilose. So dürfte es vielen gehen, die sich zuletzt unter dem Mantel der Vereinigung und jetzt des Vereins gesammelt haben. Wie viele Mitglieder der junge Verein zählt, sagt Bendels nicht – allerdings liegt die Zahl der Unterstützer seinen Angaben nach inzwischen bei über 9000. Sie sollen nicht zwangsläufig alle zu Mitgliedern gemacht werden, um den Apparat nicht unnötig aufzublasen, sagt Bendels: „Wir wollen schlagkräftig bleiben.“

Das ist der bisher sehr diskrete Verein zweifellos. Auch finanziell. „Wir sind eine konservative Sammlungsbewegung im vorparteilichen Raum und erhalten viel Unterstützung. Unternehmer aus dem mittelständischen Bereich sind dabei, aber auch viele Kleinspender. Leute, die vielleicht vor fünf Jahren noch die Union oder die FDP unterstützt haben“, sagt Bendels. Leute, die jetzt frustriert von ihren einstigen Parteien sind. Wegen des Flüchtlingskurses der Kanzlerin oder der Entwicklung Europas. „Wir wollen den Verein zu einem konservativen Thinktank über die Parteien hinweg entwickeln, wissenschaftliche Untermauerung liefern, Vortragsreihen veranstalten“, sagt der Vorsitzende.

„Wohlwollen“ gegenüber der AfD

Dabei betont man die politische Unabhängigkeit. Es gehe „nicht um Personen, Posten und Pfründe, sondern um Werte, Inhalte und die Zukunft unseres Landes“, heißt es in der offiziellen Gründungsmitteilung. Und die Vorgeschichte mit der AfD? „Zu dem, was früher war, kann ich nicht viel sagen“, erklärt Bendels. Nur das: „Die Vereinigung hat die AfD unterstützt, es gab aber keinerlei Absprachen mit der Partei.“ Die werde es auch künftig nicht geben. Aber: „Wir müssen einmal sehen, wie sich die AfD entwickelt. Andere Parteien haben sie erst ignoriert, dann verteufelt. Das war nicht klug.“ Der Verein stehe der AfD insgesamt, auch aus Mangel an konservativen Alternativen, „wohlwollend gegenüber“. Aber noch eines macht der Politikwissenschaftler klar: Von „radikalen Gruppierungen wie der NPD, der Linken oder in Teilen radikalen Gruppierungen wie den Grünen“ grenze man sich unmissverständlich ab.

Eine konservative Denkfabrik – als solche verstehen sich auch andere Einrichtungen. Vor allem das Studienzentrum Weikersheim (SZW). Seit seiner Gründung im Jahr 1979 durch Ex-Ministerpräsident Hans Filbinger geriet es immer wieder in die Schlagzeilen; durch Kongresse oder Denkanstöße ebenso wie durch Auftritte fragwürdiger Redner. Kritiker warfen dem SZW häufig vor, sich nicht genug gegen den rechten Rand abzugrenzen. Nachdem Günther Oettinger – damals Ministerpräsident und SZW-Kuratoriumsmitglied – 2007 den früheren Marinerichter Filbinger als „Gegner des NS-Regimes“ bezeichnet hatte, wuchs der Druck auf das Studienzentrum. Gleichzeitig schwanden die Unterstützung durch die CDU und die Mitgliederzahl. Zuletzt ist es relativ ruhig geworden um die Einrichtung – die sich aber nach wie vor in der Vordenkerrolle sieht.

Kooperation mit Studienzentrum Weikersheim

Das soll trotz des neuen Vereins Bestand haben. „Das SZW wird weiterhin eine unabhängige Plattform und Thinktank bleiben“, sagt der Geschäftsführer Daniel Tapp. Allerdings gebe es Kontakt zum Verein zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit. „Das Präsidium und ich selbst haben uns bereits mit Herrn Bendels getroffen. Es wird in der Zukunft eine lose Zusammenarbeit zwischen dem Studienzentrum Weikersheim und dem Verein geben. Wir sehen größere Schnittmengen“, sagt Tapp. Daher wolle man „gewisse Synergieeffekte“ nutzen. Dabei könnte es sich um gemeinsame Vortragsreihen, Publikationen oder Stipendien für junge Wissenschaftler handeln, bestätigt Bendels: „Wir wollen nicht in Konkurrenz zueinander treten, sondern kooperieren.“ Der erste Beitrag aus den Reihen der SZW findet sich dementsprechend bereits auf der Internetseite des Vereins zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit.

Politisch von der Zusammenarbeit profitieren könnte vor allem die AfD. Schließlich stehen im nächsten Jahr weitere Wahlen an. Drei Landtage und der Bundestag werden neu besetzt. Doch die Partei bleibt bei ihrer Zurückhaltung, was die offiziellen Kontakte zu ihren Unterstützern betrifft. „Mir ist keine Kooperation mit dem Verein bekannt“, sagt AfD-Landessprecher Markus Frohnmaier. Er wisse lediglich, dass David Bendels zu einigen AfD-Veranstaltungen als Gastredner eingeladen gewesen sei – auch schon während dessen CSU-Mitgliedschaft.

Bei aller öffentlichen Scheu: Die nächsten Wahlen kommen. Und spätestens dann darf man gespannt sein, welche Aktivitäten der neue Verein aus Degerloch entwickelt.