Villa Franck, konzipiert von den Stuttgarter Architekten Schmohl und Staehelin. Foto: Stadt Murrhardt

Vor 13 Jahren weckte er die Villa Franck aus dem Dornröschenschlaf. Doch die Renovierung kostete sein gesamtes Vermögen. Jetzt muss Patrick Siben, Kapellmeister der Stuttgarter Saloniker, um sein Lebenswerk kämpfen.

Murrhardt - Gemütlich im Jugendstilambiente der Villa Franck ein Tässchen Mokka schlürfen, das hat schon was – auch wenn es gar kein astreines Kaffeearoma ist, sondern vielmehr Kathreiner Malzkaffee, Lindes, Aecht Franck oder Caro Kaffee die Geschmacksknospen kitzeln. Allesamt Surrogate, wie sie vor mehr als 100 Jahren vom Imperium des Ludwigsburger Kornkaffeefabrikanten Robert Franck produziert wurden, der seinerzeit als „Korn-Franck“, als „Zichorien-Franck“ oder eben „Caro-König“ bekannt war. Im sieben Hektar großen Park auf dem Berg Hohenstein ließ sich Franck (1857 bis 1939) von den Stuttgarter Architekten Paul Schmohl und Georg Staehelin eine 1907 fertiggestellte Sommerresidenz bauen – mit Freitreppe hoch zum Hauptgebäude, jener Villa Franck mit ihren 42 Zimmern auf einer Wohnfläche von 1200 Quadratmetern.

Siben und seine Frau Brigitte Hofmann hatten lange nach einem derartigen Domizil gesucht. Nach vorheriger Tingelei mit Strauß-Walzern und Operettenmelodien durch die Republik wollte das Musikerpaar sesshaft werden – und die Villa für ihre Saloniker sowie Auftritte von Gästen nutzen.

Im September 2001 ging’s mit einem Café im ehemaligen Billardzimmer und der Außenterrasse los. Foyer, Salons, zahlreiche Gästezimmer wurden für kulturelle Veranstaltungen und exklusive Bankette wie Hochzeiten oder Firmenfeiern renoviert. Treppenhaus und Eingangshalle wurden aufgepeppt, alle 85 Fenster gestrichen, Ess- und Damenzimmer in den ursprünglichen Zustand versetzt. „Vor allem durch die Deckenmalereien haben wir eine unglaubliche Frische in die ohnehin schon traumhaften Räume gebracht“, sagt Siben. Ein Holzhackschnitzelkessel ersetzt die einstige Befeuerung der 76 originalen Heizkörper per Kohle. „Jetzt gibt’s keine Dampfschläge mehr; die Heizung säuselt einfach vor sich hin.“

Tja, es könnte alles so schön sein in der Villa Franck, wo so viel erinnert an die glamouröse Epoche der goldenen Zwanziger. „Aber es ist bisweilen schwer, meinen Traum von einem freien Musikerleben, der faszinierenden Salonmusik unserer Großväter und Urgroßmütter und vom Leben in einem Jugendstildenkmal zu träumen“, sagt Siben. Denn der Pianist und Orchesterleiter hat Kredite aufgenommen und sein komplettes Vermögen investiert. Nun sitzt er auf einem horrenden Schuldenberg. „Ich kämpfe täglich, die Insolvenz abzuwenden.“

Ein ständiger Nervendruck

Anfangs, so erläutert der aus einem pfälzischen Weinbaubetrieb stammende 49-Jährige, ging es um zwei Millionen Euro. „Die hatte ich natürlich nicht in der Portokasse.“ Doch die Kalkulation lief darauf hinaus, im Laufe der Jahre die Beträge hereinzuwirtschaften. Allerdings nicht die ganze Summe, vielmehr sollte ein erheblicher Teil über Mittel des Landesdenkmalamts gedeckt werden. Doch das von dort erwartete Geld floss wegen allgemein miserabler Kassenlage des Staats geringer als erhofft. Die Folge war ein hoher Schuldenberg. Vor vier Jahren zeigte sich, dass 400 000 Euro fehlten – „und die mussten von jetzt auf nachher auf den Tisch, weil die Handwerker ja ordentlich gearbeitet hatten und zu Recht ihre Rechnungen bezahlt haben wollten“.

Kürzlich offenbarte Siben seine Situation auch vor Hunderttausenden Zuschauern im SWR-Nachtcafé. Es sei ein ständiger Nervendruck. Zu jedem Monatsende komme die Frage: „Packe ich das, kriege ich die Raten zusammen?“ Seine Ehe hat das nicht ausgehalten, „es ist tatsächlich so, dass dieser Kampf bis ins Private hineingeht“, bestätigte Siben Moderator Wieland Backes.

Würde er dieses Mammutunternehmen noch einmal starten, das vom Traum fast zum Albtraum wurde, oder bereut er seinen Wagemut? Nein, sagt Siben, „ich habe mich festgebissen an der Sache“. Und: „Wir sind auf einem guten Weg.“ Mit externer Hilfe und seinem Freundeskreis versuche er, die weitere Finanzierung der Villa Franck auf breitere Füße zu stellen.

Das bedeutet: permanent Konzerte geben, die Menschen anlocken und unterhalten, Geld zusammenbekommen. Fast täglich sind die Saloniker in der Villa Franck oder in einer anderen Stadt in der Region Stuttgart zu erleben. Und wenn ihn die Sorgen ganz besonders drücken, dann singt Siben zur eigenen Aufmunterung schnell den deutschen Text von Artur Rebner zum Hit „Ain’t she sweet“ von 1927: „Mir geht’s gut, ich verliere nie den Mut! Ob ich Geld hab oder g’rade pleite bin, mir geht’s gut!“