Unsere Frau in Gallien: Die „Asterix“-Übersetzerin Gudrun Penndorf Foto: dpa

Comics schlüssig in andere Sprachen zu übertragen ist eine Kunst, die Gudrun Penndorf in den ersten 29 „Asterix“-Alben gepflegt hat. Wie man es nicht macht, hat vor ihr Rolf Kauka gezeigt, der aus den Galliern chauvinistische Germanen machte und auch vor üblen Klischees nicht zurückschreckte.

Stuttgart - Heute erscheinen die französischen und die übersetzten deutschen Versionen von „Asterix“-Comics stets gleichzeitig, so auch der kürzlich veröffentlichten 36. Band „Der Papyrus des Caesar“. Das war anfangs nicht so. Während das erste Abenteuer des von Autor René Goscinny und Zeichner Albert Uderzo erfundenen Kriegers, „Asterix der Gallier“, erstmals 1959 als Fortsetzungsgeschichte in dem französischen Comicmagazin „Pilote“ erschien, dauerte es bis 1968, bis der damals in Stuttgart beheimatete Ehapa-Verlag (heute Egmont-Ehapa) eine deutsche Übersetzung herausbrachte.

Doch schon einige Jahre zuvor hatte der „Fix & Foxi“-Erfinder Rolf Kauka die Lizenzen von vier Asterix-Abenteuern erworben, um sie ab April 1965 episodenweise in der Jugendzeitschrift „Lupo Modern“ zu veröffentlichen. Allerdings nicht als Übersetzungen, sondern auch inhaltlich eingedeutscht – oder, besser gesagt, rüde germanisiert.

In Kaukas Version werden aus den Galliern Asterix und Obelix die Westgoten Siggi und Babarras, der weise Druide heißt, anspielend auf Konrad Adenauer, Konradin (im Original Panoramix, auf Deutsch Miraculix), der Häuptling Hein Mark (Abraracourcix bzw. Majestix). Und das gallische Dorf wird in Anlehnung an die frühere Bundeshauptstadt zur „Fliehburg Bonnhalla am rechten Ufer des Rheins“, bis auf die „ganz Germanien besetzt ist“, so die Einleitung zur ersten Geschichte. Die römischen Feinde heißen hier auch „NATOlische Besatzer“, sie reden sich mit „Boys“ an und kommen sprachlich auch sonst recht angloamerikanisch daher („You forget wohl, dass we are the winner“). Schon dies ein ziemlich revisionistischer Kommentar zum Status der Bundesrepublik im Kalten Krieg.

Antisemitische Karikaturen und sächselnde Kommunisten

So weit, so schlecht. Doch es kommt noch ärger. Über Babarras’ Hinkelstein sagt Siggi: „Musst du denn ewig diesen Schuldkomplex mit rumschleppen? Germanien braucht deine Kraft wie nie zuvor.“ 20 Jahre nach der Schoah wird sozusagen ein Schlussstrich gefordert. Und irgendwann fragt Babarras: „Ist endlich wieder Krieg?“

Zu einer antisemitischen Karikatur wird in Kaukas Fassung von „Die goldene Sichel“ der Schieber und Kneipier Avoranfix: Er nennt ihn Schieberus und macht ihn zum Kollaborateur der Besatzer, durch seine jiddisierende Sprache („No, nemmt se fest“) klar als Jude erkennbar. Da treffen sich unselige Nazi-Propaganda vom wuchernden Juden – er verkauft Sicheln zu überhöhten Preisen – und die „Dolchstoß-Legende“: Der jüdische Feind fällt der Nation im eigenen Land in den Rücken.

Eine besonders krasse inhaltliche Vergewaltigung erfährt auch der Band „Asterix et les Goths“ („Asterix bei den Goten“). In „Siggi und die Ostgoten“ sprechen die östlichen Nachbarn Sächsisch und sind unverkennbar Kommunisten, sie reden sich mit „Genosse“ an, und die Sprechblasentexte sind nicht in Fraktur gedruckt, sondern in Rot. Ihre Führer und Agenten heißen, in Anlehnung an die damalige DDR-Nomenklatur, Hulberick (nach Walter Ulbricht), Stooferick (Willy Stoph) oder Benjaminick (Hilde Benjamin), und der gekidnappte Druide soll „bei der Invasion nach Bonnhalla gegen die Kapitalisten helfen“.

Durch „Pardon“ erfahren Goscinny und Uderzo von den Verfälschungen

Einen „mit Versatzstücken rechtskonservativer Ideologie angefüllten Serienkosmos“ nennt dies der Frankfurter Comicforscher Bernd Dolle-Weinkauff. „An die Stelle der in Asterix ironisch vorgeführten Nationalstereotypen treten recht witzlose xenophobe, teilweise gar antisemitische Phrasen“, so Dolle-Weinkauff. Dazu komme, dass in Kaukas Fassung die im Original-„Asterix“ „vielfältigen Spielarten des Humors verflachen und eine rüde, krachledern-schenkelklopfende Komik regiert“.

Als Erstes machte das Satire-Magazin „Pardon“ darauf aufmerksam, dass es mit „Lupo Modern“, wo die Siggi-Comics veröffentlicht wurden, neuerdings ein „rechtsradikales Kindermagazin“ gebe, und legte der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften nahe, sich dieses einmal anzuschauen. Was nicht geschah.

Durch „Pardon“ erfuhren allerdings auch Goscinny und Uderzo von Kaukas Verfälschung, „eine furchtbare Geschichte“, nannte dies Uderzo noch Jahrzehnte später in einem Interview mit dem „Asterix“-Experten Horst Berner: „Wir kauften uns eine Ausgabe, und dann ist uns der Himmel wirklich auf den Kopf gefallen.“ Nach vier bereits verkauften Geschichten wurde der Lizenzvertrag vom Dargaud-Verlag wegen Vertragsbruchs gekündigt – was Kauka offenbar nicht akzeptieren wollte. „Rolf Kauka ist nach Frankreich gekommen und hat behauptet, dass wir ihn ruinieren“, erinnert sich Albert Uderzo, „er hat uns sehr lange verfolgt.“

An Penndorfs Übersetzung hatte Goscinny nichts auszusetzen

Als „braunes Süppchen“ bezeichnete die Romanistin und spätere „Asterix“-Übersetzerin Gudrun Penndorf einmal das „Siggi“-Intermezzo. Nach Kauka bekam der Ehapa-Verlag die Lizenz für eine deutsche „Asterix“-Fassung und betraute Penndorf, die für den Verlag bereits bei den „Lustigen Taschenbüchern“ mitgearbeitet hatte, mit der Übersetzung. Dafür stellte sie sich 1968 auch in Paris bei Goscinny vor, am Ende des Gesprächs gab er grünes Licht. „Was ich nicht wusste, war, dass er meine erste Übersetzung vollkommen ins Französische zurückübersetzen ließ und dann sein Plazet gab“, bekannte Penndorf später.

Beanstandungen gab es nicht beim zweiten deutschen „Asterix“-Anlauf. Penndorf übersetzte von 1968 an die ersten 29 „Asterix“-Bände, und auch wenn viele sehr spezielle ironische Anspielungen des Originals nicht übersetzt werden konnten, trugen Sorgfalt, Stilgefühl und sprachliche Originalität der heute 77-Jährigen zweifellos wesentlich zum Erfolg von „Asterix“ in Deutschland bei. Der Journalist Mathias Heine schätzt Penndorfs Beitrag zur Bereicherung der deutschen Sprache sogar genauso hoch ein wie den von Erika Fuchs bei „Donald Duck“. Ein Beispiel: Aus dem französischen „Ils sont fous, ces Romain!“ machte Penndorf das heute sprichwörtliche „Die spinnen, die Römer!“ – bei Kauka hatte es noch reichlich holprig geheißen: „Uii, die Römer sind doof.“

„Die spinnen, die Römer!“ ist denn auch der Titel einer Veranstaltung mit Penndorf und dem französischen Comic-Experten Jean-Pierre Mercier im Stuttgarter Literaturhaus. Im Rahmen der deutsch-französischen Übersetzerwerkstatt „Passeurs d’histoires“ werden sie die beiden Aspekte der Übersetzung und Übersetzbarkeit von Comics erörtern, etwa die Frage, wie kulturelle Codes, Besonderheiten und Humor in andere Sprachen übertragbar sind. Außerdem wollen sie über die heutige Rolle von Comics in der Literaturszene sprechen und über die Zukunft der französischen und deutschen Comiclandschaft in Europa.

Die Veranstaltung mit Gudrun Penndorf an diesem Dienstag im Literaturhaus Stuttgart beginnt um 20 Uhr.