Silber-Jungs: Lochner (li.) und Bluhm Foto: dpa

Noch am Tag danach ist Johannes Lochner fassungslos. „Ich kann’s immer noch nicht glauben“, sagte der Bobfahrer. Sowohl im Wettbewerb mit dem Zweier wie auch im anschließenden Teamwettkampf wurde er Vizeweltmeister.

Stuttgart - Zur Sicherheit hat Lochner für die Heimfahrt an den Königssee seine beiden Silbermedaillen auf den Beifahrersitz gelegt. „Ich hätte nie gedacht, dass es so schnell funktioniert“, sagte Lochner. Gerade einmal vier Weltcup-Rennen hat der 24-Jährige bestritten, und schon mischte er in Winterberg die gesamte Weltelite auf.

Gemeinsam mit dem Letten Oscars Melbardis belegte er Platz zwei. 1,06 Sekunden hinter Teamkollege Francesco Friedrich. Nach einem überragenden dritten Durchgang lag WM-Debütant Lochner auf dem dritten Platz. Eine Hundertstelsekunde trennte ihn von Silber. Doch nervös wurde der Bayer nicht. Er habe in der Pause an alles gedacht, nur nicht ans Fahren, erzählte er.

Und dann kam seine vierte Fahrt. Er sei gefahren, als ob es ein Trainingslauf gewesen sei. Irgendwann war es doch etwas anderes. „Es ist ein unglaubliches Gefühl“, sagte der junge Pilot, „unten ins Ziel reinzufahren und zu sehen, dass man vorne ist.“ Was danach geschah – für den Shooting Star dieser Weltmeisterschaft war es unbeschreiblich. 25 Mitglieder seines Bob-Clubs Stuttgart-Solitude umringten ihn, so dass er kaum den Blumenstrauß, den er bei der Siegerehrung erhalten hatte, seiner Mutter Edith geben konnte.

Angesichts des großen Erfolgs lohnt ein Blick in die Vita des Johannes Lochner. Da wäre es eigentlich nur logisch gewesen, wenn er schon früh mit dem Rodeln begonnen hätte. Schließlich wuchs er in Schönau in unmittelbarer Nachbarschaft zum Eiskanal auf. Und sein Onkel Rudi war 1991 Bob-Weltmeister geworden, hatte im Jahr darauf bei den Olympischen Spielen in Albertville Silber gewonnen. Doch erst als der junge Mann 20 Jahre alt war, sagte der Onkel: „Jetzt gehst du mal zum Bobfahren, das wird dir schon gefallen.“ Und er täuschte sich nicht. Johannes Lochner war infiziert.

Zu viel Zeit wollte er jedoch nicht investieren. Zuerst wollte er das Abitur machen. Deshalb sprang er nur ab und zu als Anschieber ein. Im Winter darauf absolvierte er die Bobschule. „Aber nur so nebenbei.“ Denn in München hatte er sein Studium in Elektrotechnik begonnen. Das Ziel war klar. Als Ingenieur sollte er das Elektrogeschäft seines Vaters übernehmen.

Im sportlichen Bereich war er überwiegend als Bremser eingesprungen und nur selten selbst an den Lenkseilen gesessen – dennoch war Bundestrainer Christoph Langen das große Talent schon aufgefallen. Beim Anschieben wie beim Lenken.

Als vor dieser Saison noch mehr Wert auf die Athletik gelegt wurde, schlug die Stunde von Johannes Lochner. Bei allen Anschubtests stritt er sich mit Francesco Friedrich um den schnellsten Start. Noch vor der Saison gab ihm Coach Langen die Garantie: „Du bist im Weltcup dabei.“ Zuvor musste Lochner jedoch im Europacup auf drei Bahnen Erfahrungen sammeln. La Plagne, Igls und St. Moritz waren die Stationen. Auf der Natureisbahn in St. Moritz gab er dann sein Weltcup-Debüt. Mit Platz fünf.

Dass Lochner als Bayer für den BC Stuttgart-Solitude fährt, hat zwei Gründe. Zum einen ist der WSC Königssee finanziell etwas klamm, zum anderen kennt Rudi Lochner den Bob-Club-Präsidenten Jochen Buck aus gemeinsamen Wettkampftagen.