Und lange schallt's im Walde noch: Salamander lebe hoch!“ Einem Kornwestheimer muss man diesen Schlusssatz aus den Lurchi-Büchern wohl kaum näherbringen. Die Abenteuer des kleinen Salamanders und seiner Freunde sind so in Erinnerung geblieben, dass mancher sie sogar auswendig mitsprechen kann. Und interessant ist auch, dass zum Beispiel der Schreiber Verlag, heute Thienemann-Esslinger Verlag, wieder Sammelbände mit Lurchi-Geschichten herausgebracht hat.
Das Maskottchen und gleichzeitig das Emblem der Schuhmarke war vom ersten Tag an so wichtig, dass es immer dann ins Spiel kam, wenn es ums Urheberrecht, um die Gestaltung der Heftchen durch einen eventuell neuen Illustrator oder eine neue Illustratorin oder schlichtweg darum ging, das „Branding“, also die noch bessere Vermarktung dank eines Logos, zu machen.
Was möglicherweise aber auch in Kornwestheim nicht mehr im kollektiven Gedächtnis ist: die erste Abbildung der Amphibie mit dem schwarzgelbem Muster war auf einer Schuhcreme zu sehen.
„Lurchi“ warb zunächst einmal für Schuhcreme

Der Berliner Lederhändler Rudolf Moos, übrigens ein Verwandter Albert Einsteins, hatte sich am 5. Dezember 1899 das Warenzeichen patentieren lassen. Er wurde wohl durch eine Brosche in einer englischen Zeitung, die eine Eidechse abbildete, angeregt. Und weil der Industrielle gleich an den internationalen Markt dachte und weil „Salamander“ nicht notwendig zu übersetzen war, blieb es beim hübsch gewundenen Tierchen als Symbol.
Das erste Ladengeschäft befand sich in der Berliner Friedrichstraße 221, wo Moos dann auch sein erstes Schuhgeschäft eröffnet hat. Als guter Kaufmann suchte Moos außerdem einen Hersteller, der Herrenschuhe so billig wie möglich produzieren konnte.
Die Kornwestheimer Firma J. Sigle und Cie., ursprünglich 1891 vom Kornwestheimer Schuhmachermeister Jakob Sigle und dem Stuttgart Lederreisenden Max Levi gegründet, kam da genau richtig. Sie setzten sich gegen ihre Mitbewerber durch.
Doch es kam, wie es vorauszusehen war: dem Team um Sigle und Levi gehörten auch Ernst Sigle und Isidor Rothschild an. Es kam zu Streitigkeiten, Moos verkaufte seine Firmenrechte. Und das war 1909 der Beginn des Aufstiegs der Produktionsfirma Salamander in Kornwestheim.
Backsteingotik wie aus Norddeutschland
Und es ist eben nicht nur die Firma, die eine interessante Geschichte hat, sondern auch das Areal, das neun Jahrzehnte lang die Produktionsstätte für qualitätvolle Lederware war. Manchen erinnert es womöglich an Backsteingotik, wie man sie aus Norddeutschland, von den Küstengebieten im Osten Deutschlands oder von den Niederlanden und Flandern kennt.
Erschaffer des Areals war Philipp Jakob Manz. In gewisser Weise war er ein Visionär, der es verstand, Funktion und Baustil miteinander zu kombinieren und die ganze Palette anzubieten: der Bau von Arbeitersiedlungen von bekannten Architekten waren nicht unbedingt eine Rarität. Aber dass jemand Industriegebäude, Siedlungen für Arbeiter und Fabrikantenvillen aus einer Hand anbieten konnte, verhalf Manz auch im Ausland zu Aufträgen und Respekt. Außer dem Salamander-Areal sind in der Umgebung Kornwestheims zum Beispiel das Fabrikgebäude für die Gardinenweberei L. Joseph & Cie in der Haußmannstraße 103 im Stuttgarter Osten oder in Esslingen das Produktionsgebäude für F. W. Quist noch existent und nutzbar. An all diesen wuchtigen Backsteinbauten fallen die hervorstehenden Pilaster ebenso auf wie leichte Elemente, zum Beispiel Bögen über den Fenstern.
Erstaunlich ist aber auch, dass Manz ganz andere Baustile liefern konnte. Das ehemalige sogenannte Volksbad in Heidenheim, heute eine Kulturstätte, weist viel mehr Jugendstilelemente auf. Die Hutfabrik in Lindenberg im Allgäu, heute das Deutsche Hutmuseum, wirkt leichter als die massiven Mauern in der Salamanderstadt.
Die expandierende Textilindustrie kam Manz zugute: wer heute Spinnereien im Südwesten der Republik betrachtet, wird immer wieder auf Bauten des gebürtigen Kohlbergers, der in Bad Urach aufwuchs, stoßen.
In den Hochkonjuktur-Zeiten beschäftigte Manz um die 100 Architekten in seinen Büros. Zwischen 80 und 100 Gebäude und Areale wurden jährlich konzipiert. Seit den 1890er Jahren baute er sein Unternehmen zum größten Industriebau-Büro in Deutschland aus.
Wenig Ruhm in Fachkreisen erworben
Trotz seines Erfolgs im In- und Ausland, trotz seines Fleißes in der Bautätigkeit - sein Spitzname war „der Blitzarchitekt“, weil er seine Entwürfe blitzschnell in die Tat umsetzen konnte - taucht der Name Philipp Jakob Manz sogar heute noch kaum in der Architekturgeschichte auf. Vermutlich ist diese geringe Wertschätzung in Fachkreisen auf seinen wohl fehlenden Abschluss eines Studiums an der Baugewerkschule zurückzuführen.
Etliche Manz-Bauten wurden Opfer moderner - oft verschandelnder - Stadtentwicklungs-Trends. Heute versucht man jedoch, seine Bauwerke zu erhalten und zum Beispiel in Kulturstätten umzuwandeln.
Von Katrin Schenk
Zur Serie
„Verortet“ Immer wieder werden bei den „Top-Adressen Kornwestheim“ in diesem Jahr Plätze, Kunstwerke, Gebäude - kurzum Orte - vorgestellt, die mit der Stadt zwischen Ludwigsburg und Stuttgart fest verbunden sind und ihre ganz eigenen Geschichten haben.
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