Der geplante Personalabbau bei Bosch und ZF alarmiert die Gewerkschaft IG Metall. Barbara Resch, neue Leiterin des Bezirks Baden-Württemberg, fürchtet um den Erhalt der Standorte und um die Arbeitsplätze. Einer Studie der Landesagentur e-mobil BW zufolge, gehen in den kommenden sechs Jahren bis zu 66 000 Arbeitsplätze infolge von Elektrifizierung, Automatisierung und Digitalisierung verloren. Denn die Elektromobilität kommt mit deutlich weniger Beschäftigung aus, als für die Verbrennertechnik benötigt wird.

Verliert die Branche beim Übergang von der Verbrennertechnik zur Elektromobilität und angesichts der zunehmenden Bedeutung von Software ihre jahrzehntelange Rolle als Innovationstreiber? Nein, glaubt man bei Bosch. „Die Autoindustrie in Deutschland – und speziell im Südwesten – ist ein Innovationsmotor“, sagt ein Sprecher. Er verweist darauf, dass vergangenes Jahr in Baden-Württemberg 14 648 Patente angemeldet worden sind, neun Prozent mehr als 2022. Damit sei das Land bundesweit Spitze.
Die zehn Unternehmen mit den meisten Anmeldungen waren alles Automobilhersteller oder -zulieferer, wobei Bosch unverändert auf Platz eins liegt. Die Zusammenarbeit zwischen Herstellern und Zulieferern biete gute Voraussetzungen dafür, dass die Branche auch künftig im Wettbewerb vorne mitmische.
Manuel Kallweit, Chefvolkswirt des Verbands der Automobilindustrie (VDA), sieht zwar wegen des Stellenabbaus „Anlass zur Sorge“. Der Stuttgarter Zeitung sagte er jedoch, es gehe um „Auswirkungen der Transformation, die eine Änderung der Jobprofile mit sich bringt. Gefragt sind nun zum Beispiel Software- und Batteriekompetenzen.“ Mercedes-Benz etwa investiert allein in Deutschland bis 2030 mehr als 1,3 Milliarden Euro in die Qualifizierung sowie Aus- und Weiterbildung der Beschäftigten.
Die Autoproduktion in Deutschland ist 2023 gegenüber 2022 um 18 Prozent auf 4,12 Millionen Einheiten gestiegen. Doch das sind noch immer eine halbe Million Autos weniger als im Vor-Pandemie-Jahr 2019 und gar 1,6 Millionen weniger als 2016. Die Aussichten für 2024 sind eher trüb. Nach einem Rückgang des Betriebsergebnisses im vergangenen Jahr erwartet Mercedes-Benz-CEO Ola Källenius auch 2024 ein niedrigeres operatives Ergebnis.
Stefan Reindl vom Institut für Automobilwirtschaft in Geislingen ist der Auffassung, die Branche habe zu lange auf den Verbrennungsmotor gesetzt. Bei Bosch heißt es, die Industrie müsse „selbstkritisch bleiben. Es fehlen nicht nur Ladesäulen, sondern auch günstige Elektroautos in Europa. Dass China seinen Automobilexport im zurückliegenden Jahr um 60 Prozent steigern konnte, muss uns zu denken geben.“
Die Herausforderungen für die Branche sind groß. Doch zum Trübsal blasen besteht nach Ansicht eines Sprechers von Südwestmetall kein Anlass. „Zwar fallen Arbeitsplätze weg, weil Beschäftigungsbereiche verschwinden, was für manche Unternehmen problematisch ist. Aber es gibt aktuell noch keinen breiten Trend zu unmittelbaren Entlassungen. In anderen Bereichen wie der Batterietechnik oder dem autonomem Fahren entstehen auch neue Stellen.“
Kallweit vom VDA weist Vorwürfe, die Branche habe den Wandel verschlafen, zurück: „Deutschland ist der zweitgrößte Produzent von Elektrofahrzeugen weltweit. Viele andere Länder sind weniger gut aufgestellt als wir.“ Die deutschen Unternehmen der Branche stünden für „Pioniergeist, Qualität, herausragende Marken und jahrzehntelange Erfahrungen und Erfolge – wir sind weltweit führend und wettbewerbsfähig. Das ist sicherlich auch ein Grund, warum Tesla nach Deutschland gekommen ist.“ Eine besondere Lanze bricht er für Baden-Württemberg. „Dort haben wir ein weltweit einzigartiges Netzwerk, einen Cluster. Da gibt es erhebliche Synergieeffekte zwischen den diversen Akteuren. Es gibt eine unglaubliche Dichte von Fachkräften und gerade Baden-Württemberg ist sehr innovativ.“
Bosch verweist auf „eine führende Marktposition bei elektrischen Antrieben“ und ein deutliches Wachstum dieses Sektors, der 2026 sechs Milliarden Euro Umsatz bringen soll. Darüber hinaus stelle man sich „mehr denn je als Softwarehaus in der Mobilität auf“ und habe „mit der neuen Organisation unseres Unternehmensbereichs Mobility die Zusammenarbeit über Bereichsgrenzen hinweg gestärkt“. Mercedes-Benz verweist auf die „leistungs-, wettbewerbs- und zukunftsfähige heimische Autoindustrie“. Die Umrüstung der Werke und die schrittweise Inbetriebnahme eines E-Campus im Werk Untertürkheim in diesem Jahr erfolgten, „um für den Wendepunkt in ein rein elektrisches Zeitalter bereit zu sein“. Damit festige der Standort seine Rolle „als Hightech-Standort für E-Antriebstechnologien“.
In Baden-Württemberg arbeiten 217 000 Beschäftigte in der Autoindustrie. Mit Zulieferern aus anderen Bereichen sind es sogar 480 000 Mitarbeiter. 751 700 Pkw liefen 2023 im Land von den Bändern. Der Umsatz von 135,7 Milliarden Euro entspricht einem Drittel des gesamten Umsatzes der Industrie im Bundesland und mit einem Exportvolumen von 104,6 Milliarden Euro 42 Prozent der Ausfuhren der gesamten Industrie. Die Unternehmen haben 2023 mehr als zwölf Milliarden Euro in Forschung und Entwicklung investiert und beschäftigen in diesem Bereich 56 200 Mitarbeiter.
„Unsere Autoindustrie ist technologisch enorm stark und hat sich immer wieder neu erfunden. Sie muss bei der nächsten Batteriegeneration eine technologische Führerschaft anstreben“, sagt Südwestmetall-Sprecher. Kallweit. „Unsere Zulieferer sind sehr innovativ – oft weltweit führend, auch bei allem, was um die Batterietechnik herum notwendig ist, etwa die Kühlung.“
Probleme bekommen nach Ansicht von Südwestmetall vor allem Hersteller mechanischer Standardkomponenten und von Technologien rund um den Verbrennungsmotor. Das sind oft kleinere Lieferanten, die stark bei konventionellen Antriebssystem sind und deren oft dünne Kapitaldecke Investitionen in neue Technologien erschwert.
Erschwert wird der Wandel auch durch die schlechten Rahmenbedingungen. „Die Branche leidet, wie die Wirtschaft insgesamt, unter einer ausufernden Bürokratie, sehr langwierigen Genehmigungsverfahren, infrastrukturellen Problemen und hohen Energiekosten. Andere sind da womöglich schneller“, fürchtet VDA-Chefvolkswirt Kallweit. Die Lösung von Fragen wie diesen könnte am Ende entscheidend sein, welche Rolle die Autoindustrie in Baden-Württemberg künftig spielt.
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