Auf der Sitzung des Zweckverbands Restmüllheizkraftwerk zeigt sich der Böblinger Landrat Roland Bernhard zuversichtlich, dass der Zwist über höhere Fernwärmepreise bald beigelegt sein könnte. Doch wie kam es eigentlich dazu?
Mit der guten Nachricht hielt Landrat Roland Bernhard nicht lange hinterm Berg. Gleich zu Beginn der Sitzung des Zweckverbands Restmüllheizkraftwerk Böblingen am Freitag, der sich selbst „RBB“ abkürzt, verkündete er das Ergebnis der vorgelagerten Sitzung des Verwaltungsrats: „Die Kuh kommt vom Eis, darüber bin ich sehr erfreut.“ Mit der Kuh ist der öffentlich ausgetragene öffentlich ausgetragene Zwist gemeint, der im November zwischen den Stadtwerken Böblingen mit ihren Kundenvertretern der Interessengemeinschaft Fernwärme (IGFW) auf der einen Seite und dem RBB auf der anderen Seite aufgeflammt war. Doch eins nach dem anderen.
Auslöser des Streits waren teurere Tarife für die Fernwärmekunden in Böblingen, die vom 1. Januar 2024 an gelten sollen. Darüber informierten die Stadtwerke Anfang November gemeinsam mit Vertretern der IGFW. Schnell schob die IGFW dem RBB als Verursacher der Teuerung den Schwarzen Peter zu, schließlich kommen über 70 Prozent der Böblinger Fernwärme von dort. Die Lieferung ist in einem Vertrag aus dem Jahr 2002 geregelt, der an die Preisentwicklung von Öl und Gas geknüpft ist. Das war für die Stadtwerke jahrelang ein auskömmliches Geschäft, denn der Gaspreis war günstig und so war es die Wärme vom RBB, die etwa in gleichen Teilen an die Stadtwerke in Böblingen und Sindelfingen floss.
Preis stieg an – aber auf sehr niedrigem Niveau
Konkret oszillierte der Preis lange Jahre bei unter 20 Euro je Megawattstunde. Beide Stadtwerke wiederum verkauften die Wärme teurer weiter an ihre Endkunden, da in einem Stadtwerk Personal-, Wartungs- und Investitionskosten anfallen. Solch ein Aufschlag ist normal und branchenüblich. Um 2016 übertrieben es die Böblinger allerdings: Die IGFW strengte gegen die überhöhten Preise ein Kartellverfahren an, das erst im Rahmen einer Mediation zwischen den Streitparteien Anfang des Jahres 2018 eingestellt wurde.
Während die Fernwärmetarife in Sindelfingen Jahr für Jahr schrittweise erhöht wurden, waren die Tarife in Böblingen aufgrund der Mediation für fünf Jahre bis 31.12.2023 eingefroren. Da in der Zwischenzeit aufgrund des russischen Angriffskriegs die Gas- und Ölpreise aber nach oben geschnellt waren und daran der Preis der RBB-Wärme geknüpft ist, stiegen die realen Kosten für die Stadtwerke Böblingen, ohne dass sie diese an die Endkunden weitergeben konnten. Von den erwähnten 20 Euro je Megawattstunde kletterte die Wärme aus dem Restmüllheizkraftwerk (RMHKW) auf aktuell etwas über 30 Euro, was einer Verteuerung um über 50 Prozent gleichkommt. Indes halten Branchenbeobachter diesen Preis noch immer für unschlagbar günstig. Wollte ein Stadtwerk Fernwärme von woanders beziehen oder gar mit Gas oder Öl selbst erzeugen, wäre dies doppelt oder gar dreifach so teuer. Trotzdem aber wurden aufgrund der volatilen Preisentwicklung bei Öl und Gas schon vor zwei Jahren Verhandlungen über einen neuen Wärmeliefervertrag zwischen RBB und den beiden Stadtwerken aufgenommen, der den jetzigen von 2025 an ablösen soll.
Der neue Vertrag soll nicht mehr an die stark schwankenden Öl- und Gaspreise gekoppelt sein, sondern an neutralere Indizes zu allgemeinen Lohn- und Inflationsentwicklung. Genau diese Verhandlungen gerieten im November aber öffentlichkeitswirksam ins Stocken.
Zunächst reagierte RBB-Geschäftsführer Frank Schumacher hörbar verschnupft auf die öffentlichen Vorwürfe der IG Fernwärme, der RBB habe die Wärmelieferung unbotmäßig verteuert. Die Stadtwerke Böblingen dementierten das nicht und ließen die Diskussion laufen. Vermutlich war der öffentliche Druck auf den RBB in den laufenden Verhandlungen gerade recht.
Als wichtiger Spieler im Fernwärme-Konstrukt meldete sich daraufhin der Sindelfinger Stadtwerke-Chef Karl-Peter Hoffmann zu Wort. Er bekundete öffentlich, sowohl ein Mandat zur Unterschrift des neuen Wärmevertrags zu haben als zur Not auch die gesamte Abwärme aus dem Kraftwerk allein abzunehmen und nach Sindelfingen zu leiten. Damit kam Bewegung ins Spiel.
Denn die Böblinger Seite stand nun auf einmal im Hohlkreuz. Zum einen war das Argument glaubhaft entkräftet, dass das Kraftwerk überteuerte Wärmepreise verlange. Zum anderen drohte den Stadtwerken der Verlust ihrer mit Abstand wichtigsten Wärmequelle, wenn der RBB sich allein mit der Sindelfinger Seite einig würde: Böblingen wäre vom einen Tag auf den anderen vom Netz abgeklemmt. Zumal die Fernwärme aus dem Müllmeiler als ökologische Heizart gilt, was sich Böblingen als grün geführte Stadt immer wieder gern auf die Fahne schreibt.
Böblingen sendet auf einmal wohlwollende Signale
So lässt sich erklären, warum Böblingen sich vor der Sitzung des RBB-Zweckverbands am Freitag große Mühe gab, wohlwollende Signale in Richtung der Verhandlungspartner vom RBB zu senden. Mitte Dezember soll der Aufsichtsrat der Stadtwerke Böblingen tagen. Dem Vernehmen nach ist die Stadt Böblingen bestrebt, der Geschäftsführung darin das Mandat für die Unterschrift unter dem neuen Wärmeliefervertrag zu erteilen. Damit wäre vor Weihnachten die besagte Kuh tatsächlich vom lokalpolitischen Eis.
Für die Böblinger Fernwärmekunden ändert sich zunächst nichts: Die neuen Tarife im kommenden Jahr rühren noch vom bestehenden RBB-Liefervertrag her. Doch es besteht Hoffnung, dass der interne Preis für die RBB-Wärme durch den Vertrag von 2025 an keine Kapriolen mehr schlägt – und sich die Preise für die Endkunden dann im Rahmen der allgemeinen Teuerung bewegen.