Mit der Pandemie kehrte unter der Paulinenbrücke gähnende Leere ein. Foto: Kathrin Wesely

Zwar sind die engagierten Gruppen unter der Paulinenbrücke und die Bezirksbeiräte froh, dass die Stadt das zivilgesellschaftliche Projekt der Stadtlücken fortführt. Allerdings bemängeln sie, dass die die Bürger noch zu wenig eingebunden würden.

S-Süd - Ein Parkplatz unter einer Brücke verwandelte sich zum Spiel- und Begegnungsort, Soziotope kamen sich näher, Menschen realisierten ihre Ideen und teilten sie mit anderen. Unter der Paulinenbrücke war plötzlich was los, das unterschiedlichste Menschen anzog: Die jungen Leute vom Stadtlücken Verein hatten dem Österreichischen Platz Leben eingehaucht. Das 2018 initiierte Projekt berührte, begeisterte und stieß auch bald überregional auf Neugier und Interesse. Die Stadt war bereit, 1,65 Millionen Euro auszugeben, um die Aktivitäten in den kommenden Jahren zu verstetigen.

 

Doch es kam anders: Die Feuerwache Süd soll von 2022 bis 2026 interimsweise mit unter das Dach der Brücke, Brandschutz und Fluchtwege verkomplizierten die Planung ebenso wie vereinsrechtliche Fragen und die Art der Finanzierung, die es nicht zuließ, dass eine feste Stelle dauerhaft bezahlt wird. Das endgültige Aus aber kam für die Stadtlücken mit Corona, das nahezu alle sozialen Aktivitäten unter der Brücke zum Erliegen brachte. Der Verein zog sich zurück, die städtische Verwaltung sprang in die Bresche.

Positives Grundrauschen erzeugen

Von außen mag es so ausgesehen haben, als ob der bürokratische Apparat sich das in seiner Offenheit unberechenbare Projekt greife, um es in gewünschte Bahnen zu lenken. Unausgesprochen schien dieser Verdacht im Raum zu stehen, als Matthias Pfeiffer von der nun federführenden städtischen Wirtschaftsförderung in der jüngsten Sitzung des Bezirksbeirates Süd über die Fortsetzung der zivilgesellschaftlichen Aktivitäten unter der Paulinenbrücke referierte. Pfeiffer suchte dem Eindruck entgegenzuwirken, die Verwaltung wolle zu viel regulieren. Vielmehr, so seine Darstellung, gehe es darum, das Projekt am Leben zu erhalten und zwar in Absprache mit dem Verein Stadtlücken und: „Nahezu alle Referate der Verwaltung sind an dem Prozess beteiligt. Das wird kein abgeschlossenes Projekt für die nächsten sechs Jahre.“

Wichtig sei, dass keine zu lange zeitliche Lücke entstehe, dass die Fläche unter der Brücke wieder rasch belebt werde, ungeachtet der Bauarbeiten für die Feuerwache: „Wir brauchen da ein positives Grundrauschen.“ Geeignet sei eine „Urban Sports Area“ mit Rollsport, klettern, vielleicht einem Pumptrack. Das alles könne schon Ende dieses, Anfang nächsten Jahres bereitgestellt werden, so Pfeiffer. „Und dieses Grundrauschen braucht auch einen Verantwortlichen bei der Verwaltung.“ Zudem müssten eine partizipative Machbarkeitsstudie mit Beteiligungsverfahren angeleiert, eine langfristige Perspektive erarbeitet und die „soziale Arbeit“ fortgesetzt werden.

Insbesondere bei letzterem Punkt erntete Pfeiffers Vortrag Widerspruch – nicht nur von Bezirksbeiräten in Süd, sondern auch bereits tags zuvor in Mitte: Das Konzept sei prinzipiell zu befürworten, aber bei der Beteiligung der Gruppen, die sich bereits vor Ort engagiert haben, hapere es noch. Zur Sitzung waren denn auch Mitglieder des Paule-Clubs gekommen, der als Form des Empowerments auch von der Bürgerstiftung unterstützt wird. Sie kümmern sich um Drogenkonsumenten und Substituierte, die von jeher unter der Brücke heimisch sind und es bleiben sollen. Sie kommen selbst aus der Szene, verteilen nicht bloß Spenden, saubere Spritzen und warme Mahlzeiten, sondern suchen auch das Gespräch, befrieden Konflikte. Diese Engagierten wollen mitreden. Darin bestärkt werden sie von Veronika Kienzle, Bezirksvorsteherin in Mitte, die der Sitzung des Nachbarbezirks beiwohnte: „Der Paule-Club sollte beteiligt werden.“

Paule-Club: Es braucht Toiletten

Seine Mitglieder, wissen wo es hakt, sie können konkret benennen, was die Menschen vor Ort benötigen: „Es gibt da keine Möglichkeit, auf Toilette zu gehen. Und wir bräuchten einen Platz, wo wir die Lastenräder abstellen können, mit denen wir das Essen transportieren“, sagte Paule-Sprecher Simon Wittke. „Den Fahrradcontainer, der da steht, könnten wir ziemlich gut gebrauchen. Der ist ja sowieso immer fast leer.“

SPD-Bezirksbeirätin Ulrike Holch vermisste insgesamt die „Beteiligung querbeet, die doch das Besondere an dem Stadtlücken-Projekt war“. Jugendrat Gregor Weber meinte, es sei „ein fatales Signal, dass die Jugend bislang nicht einbezogen wurde“. Marion Eisele von der SPD konnte kaum glauben, dass es so schwierig sein soll, ein öffentliches WC einzurichten, und Reinhard Otter von den Grünen plädierte dafür, dass ein Stellplatz für Lastenräder geschaffen wird „für die Initiativen, die vor Ort entstanden sind“. Der Bezirksvorsteher in Süd, Raiko Grieb, fasste die Debatte zusammen und forderte die Verwaltung auf, mit dem Paule-Club Kontakt aufzunehmen, die Umnutzung der Fahrradgarage zu prüfen und den Bezirksbeirat auf dem Laufenden zu halten.