Die Beschäftigten im baden-württembergischen Landtag werden während der Coronakrise im zur Kantine umgewandelten Restaurant im Erdgeschoss versorgt. Foto: Jürgen Brand

Im „Plenum“ wird bedient – aber nur für Abgeordnete und Mitarbeiter. Andere Gastronomen, die in ihrer Zwangsfreizeit vorbeispaziert sind, ärgert das. Auch in Kantinen gilt ein Mindestabstand von 1,5 Metern.

S-Mitte - Die Coronakrise trifft auch die Gastronomen besonders hart, vor allem diejenigen, die keinen Abhol- oder Lieferservice anbieten können. Je länger die verordneten Schließungen dauern, desto knapper wird bei vielen Wirten das Geld, desto dünner werden die Nerven – und desto argwöhnischer beobachten sie, was so mancher Kollege machen darf oder halt einfach macht.

Dabei ist jetzt ausgerechnet das Landtagsrestaurant einigen vorbeispazierenden Restaurantbetreibern aufgefallen und mal mehr, mal weniger übel aufgestoßen. Durch die Scheiben des Restaurants „Plenum“ im Erdgeschoss des Landtags von Baden-Württemberg sahen sie, wie Kellner Gäste an den Tischen bedienten, ihnen Speisekarten, Getränke und Essen servierten. Manchmal saßen auch mehrere Personen an einem Tisch. „Warum dürfen die, warum darf ich nicht?“ Die Frage stellen sich etliche Stuttgarter Gastronomen, seit diese Beobachtungen sich in der Gastroszene verbreiten. Dabei wird betont, dass man den Betreibern im Landtag auf keinen Fall schaden, sondern einfach nur selbst sein Lokal wieder öffnen wolle.

1,5 Meter Abstand zwischen Personen

Die Gastronomie im baden-württembergischen Landtag, im Grünen, zwischen Akademiegarten und Oberem Schlossgarten und zwischen Neuem Schloss und Staatsoper gelegen, hat schon immer einen Sonderstatus. Das „Plenum“ ist nicht nur ein öffentliches Restaurant, sondern gleichzeitig auch die Kantine für den Landtag. Seit Beginn der Coronakrise und den damit verbundenen Einschränkungen ist das öffentliche Restaurant geschlossen. Als Kantine dagegen ist das „Plenum“ geöffnet. Grundlage dafür ist die Corona-Verordnung des Landes Baden-Württemberg vom 17. April, nach der erlaubt sind: „Kantinen für Betriebsangehörige oder Angehörige öffentlicher Einrichtungen, wobei bei dem gemeinsamen Verzehr von Speisen sicherzustellen ist, dass

• die Plätze so angeordnet werden, dass ein Abstand von mindestens 1,5 Metern zwischen den Tischen gewährleistet ist.

• Stehplätze so gestaltet sind, dass ein Abstand von mindestens 1,5 Metern zwischen den Personen gewährleistet ist.“

Entsprechend teilt die Landtagspressestelle auf Anfrage auch mit, dass das Restaurant in seiner Funktion als Kantine nur von innen über das Landtagsgebäude zugänglich sei. „Es fungiert derzeit als Kantine für die Abgeordneten, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Landtagsverwaltung, der Fraktionen sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Abgeordneten unter Berücksichtigung der Corona-Verordnung des Landes.“

Was erlaubt ist, wird auch gemacht

Milos Vujicic ist Geschäftsführender Gesellschafter der Vujicic Gastro GmbH & Co KG, betreibt mehrere Restaurants in der Region Stuttgart und seit September 2019 auch das „Plenum“. Er sagt, er habe mit Beginn der Coronakrise jedes seiner acht Objekte neu erfinden müssen, die Umsatzeinbußen seinen trotzdem wie bei allen seinen Kollegen beträchtlich. Beim „Plenum“ habe er sich dafür entschieden, es als Kantine geöffnet zu lassen. „Wir halten die Abstände zwischen den Tischen ein und nutzen die volle Größe“, sagt er. Zum Thema Servicepersonal ist er der Meinung: „Ob jemand hinter einer Plastikscheibe steht und Essen und Getränke herausgibt oder bedient, macht keinen Unterschied.“ Ihm ist schon zum Schutz für seine Mitarbeiter und seine Gäste wichtig, dass man sich an die Vorgaben des Landes halten muss. Und: „Was erlaubt ist, machen wir.“

Dass das seine Kollegen in ihren Lokalen auch gerne machen würden, kann er verstehen und unterstützt es auch. Wann es für die Gastronomie allgemein Lockerungen geben wird, ist allerdings noch nicht absehbar. Daniel Ohl, der Geschäftsführer Kommunikation des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (DEHOGA) Baden-Württemberg, sagt, dass im Verband gerade an möglichst allgemeingültigen, aber mit den Corona-Verordnungen der Länder vereinbaren Grundlagen gearbeitet werde, auf deren Basis dann ein Betrieb in Gaststätten wieder möglich sein könnte. Eine dieser Grundlagen wäre die bereits geltende 1,5 Meter-Abstandsregel.

Der Tisch muss groß genug sein

Für die Auslegung dieser Regeln sind zum einen das Wirtschaftsministerium (zum Beispiel beim Thema Arbeitsschutz), zum anderen das Sozialministerium (zum Beispiel beim Thema Hygiene) des Landes zuständig. Sprecher beider Ministerien bestätigen, dass dieser Abstand zwischen Personen auch in Kantinen gewährleistet sein müsse, auch an den Tischen selbst. Es dürften also nur mehrere Personen an einem Tisch sitzen, wenn der Tisch entsprechend groß sei. Darüber hinaus – wie etwa zum Thema Servicepersonal – gebe es keine detaillierteren Vorgaben des Landes, sagt ein Sprecher des Sozialministeriums. Das wolle man auch gar nicht, sondern verlasse sich auf das Verantwortungsbewusstsein und den gesunden Menschenverstand der Betreiber.

Beim Abstand der Gäste untereinander und zum Personal könnte im „Plenum“ im Landtag also noch nachgebessert werden, wobei dabei auch die Gäste selbst mitmachen müssen, was auch im Landtag wohl nicht immer der Fall ist. Wenn das dann aber zum Muster für alle anderen Gaststätten taugt, wäre allen Gastronomen und ihren Gästen geholfen.